Am heutigen Mittwochnachmittag befasste sich der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). In dem im vergangenen Juli von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegten und im September 2018 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf sind unter anderem die Ausweitung der Sprechstundenzeiten für Ärzte, Deckelungen für die Vorstandsgehälter der Selbstverwaltung, die Mehrkostenfähigkeit für kieferorthopädische Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, Neuregelungen für den Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen und Begrenzungen für Investoren im medizinischen Bereich und bei Medizinischen Versorgungszentren vorgesehen.
Letztere gehen der Ärzteschaft, vor allem aber der zahnärztlichen Standespolitik mit dem Blick auf das zunehmende Engagement von Fremdinvestoren in der ambulanten zahnmedizinischen Versorgung nicht weit genug. So nutzte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung die Anhörung im SPD-Sitzungssaal im Reichstagsgebäude auch, um die Bundestagsabgeordneten im Ausschuss über den aktuellen Stand der Investoren in den Zahnarztpraxen und die Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft zu informieren.
Ausführliche Stellungnahme der KZBV
In einer ausführlichen Ausarbeitung stellt die KZBV nicht nur die Situation in Deutschland in den Fokus, sondern sieht hier auch den Council of European Dentists an seiner Seite. Die europäische Zahnärzteorganisation hatte vor dem Hintergrund der in Europa bereits aktiven Zahnarztketten mit Fremdinvestoren, mit Skandalen und Pleiten und den negativen Folgen für die Patienten eine klare Position gegen diese Ketten und Fremdinvestoren bezogen. „Der Berufsstand in Deutschland sowie der Dachverband der europäischen Zahnärzte (Council of European Dentists – CED) sehen angesichts dieser zunehmenden Kommerzialisierung und Industrialisierung der zahnärztlichen Versorgung durch versorgungsfremde Groß- und Finanzinvestoren eine erhebliche Bedrohung für die langfristig gesicherte Patientenversorgung“, heißt es dazu bei der KZBV.
Gründungsberechtigung für MVZ durch Kliniken beschränken
Ziel der Ärzte- und Zahnärzteschaft ist es, den Bewegungsspielraum für die Investoren im medizinischen und zahnmedizinischen Bereich stark zu beschränken. Die KZBV macht dazu folgenden, auch von den Ärzten mitgetragenen Vorschlag: Anknüpfend an den Gesetzentwurf des TSVG sollte die Gründungsberechtigung von Kliniken für MVZ auf räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge beschränkt werden.
So sollte die Gründung von (zahnärztlichen) MVZ durch Kliniken nur möglich sein, wenn das MVZ in demselben zahnärztlichen Planungsbereich seinen Sitz hat wie das betreffende Krankenhaus. Durch die Einschränkung der Standortwahl dürfte der Aufkauf maroder Krankenhäuser zwecks Gründung von MVZ für allein Kapitalinteressen verfolgende Investoren voraussichtlich an Attraktivität verlieren, ohne dass Krankenhäusern die Möglichkeit der Gründung von MVZ zur ambulanten Ergänzung ihres stationären Leistungsangebotes und zur Stärkung der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum entzogen würde.
Medizinisch-fachlicher Bezug muss gegeben sein
Durch den medizinisch-fachlichen Bezug stünden zahnärztlich tätigen Krankenhäusern die Möglichkeit einer Teilnahme an der ambulanten zahnärztlichen Versorgung offen, während der Zugang zum Dentalmarkt über die Gründung eines rein zahnärztlichen MVZ für nicht zahnärztlich tätige Gründungsberechtigte in sachgerechter Weise eingeschränkt würde. „Hierdurch würde nicht nur die Investorenproblematik entschärft, sondern auch die Querfinanzierung maroder Krankenhausstrukturen durch die Teilnahme an der ambulanten zahnärztlichen Versorgung wirksam unterbunden“, heißt es.
Spahn will offensichtlich nicht tätig werden
Vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums sind in diese Richtung keine weitergehenden Vorschläge für das TSVG vorgesehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte am 11. Januar 2019 die Spitzen der Ärzte- und Zahnärzteschaft und Vertreter der Fremdinvestoren und MVZ-Ketten zum Gespräch geladen – wie aus dem Umfeld des Gesprächs zu hören war, hatte er dabei erkennen lassen, dass er hier nicht aktiv werden will.
Bundestag soll Lösung bringen
Zahnärztliche Standespolitiker hatten aus Gesprächen mit Abgeordneten nach der ersten Anhörung zum Referentenentwurf im vergangenen Herbst berichtet, dass mögliche Änderungen zu Fremdinvestoren und Z-MVZ über den Bundestag in das Gesetz eingebracht werden könnten. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Wieland Schinnenburg aus Hamburg, selbst Zahnarzt, erklärte im Interview, er sei als Liberaler für Wettbewerb, „aber eben auch für fairen Wettbewerb. Und dieser ist derzeit zwischen MVZs und niedergelassenen Zahnärzten nicht gegeben. Denken Sie nur an die Möglichkeit, beliebig viele Zahnärzte anstellen zu können und daran, dass MVZs als GmbH betrieben werden können.“
Rund 700 Z-MVZ, davon 75 in der Hand von Investoren
Vonseiten der KZBV heißt es, vor dem Hintergrund der Flaute auf den Finanzmärkten stellten global aufgestellte Beratungsfirmen für die zahnärztliche Versorgung hohe und zugleich risikoarme Renditen in Aussicht. „Prognostizierte Gewinne werden dabei – zumindest in Teilen – von Versichertengeldern der Krankenkassen finanziert, also auch von der Solidargemeinschaft.“
Aktuell liegt die Zahl der Z-MVZ laut Erhebung der KZBV bereits bei rund 700, ihre Ausbreitung setzt sich schnell und ungebremst fort. Betrachte man die Anzahl der MVZ, die mehrheitlich in Investorenhand sind, so sei eine weitere Steigerung einer schon bislang starken Wachstumsdynamik festzustellen. Vonseiten der KZBV wurden 75 MVZ identifiziert, die versorgungsfremden Investoren zuzuordnen waren. Vor zwei Jahren habe es erst 29 Z-MVZ mit Investorenbeteiligung gegeben.
Erst am Anfang der Entwicklung
Vergleiche man diese Zahlen mit den Aussagen von Groß- und Finanzinvestoren, die von Zielgrößen im Bereich von ca. 200 MVZ-Standorten pro Investor sprechen, und ziehe Vergleiche zur europäischen Entwicklung, in der einzelne Zahnarztketten von Finanzinvestoren Kettengrößen von mehr als 600 Praxen annehmen, so werde deutlich, dass der Bereich MVZ in Hand von Groß- und Finanzinvestoren erst am Anfang einer sich abzeichnenden sehr dynamischen Entwicklung steht. „Mit diesem ungebremsten Eintritt versorgungsfremder Investoren geht unausweichlich ein zerstörerischer Systemumbau zu Lasten von Patienten, bewährten Praxisformen und einer freiberuflichen Versorgung einher“, zeigt man sich bei KZBV und CED überzeugt.
Mindestens zehn Groß- und Finanzinvestoren
Insgesamt konnten von der KZBV mindestens zehn Groß- und Finanzinvestoren im deutschen Dentalmarkt identifiziert werden, die (mehrheitlich) an MVZ beteiligt sind. Von den identifizierten Investoren sind mindestens fünf weltweit operierende Investmentgesellschaften mit einer verwalteten Gesamtinvestitionssumme in Höhe von mehr als 85 Milliarden Euro. Die versorgungsfremden Investoren, die momentan in den Dentalmarkt strömen, kommen unter anderem aus Schweden, Bahrain, der Schweiz, Jersey, den USA und aus Deutschland.
Negative Entwicklungen befürchtet
Man beobachte bei Ärzten und im Pflegebereich bereits Konzentrationsprozesse und marktbeherrschende Positionen in lukrativen Regionen, die es Ärzten zum Beispiel erschwere, sich hier noch niederlassen zu können. „Die KZBV – ebenso wie das Zahntechnikerhandwerk und die Dentalindustrie – befürchtet, dass derartige Entwicklungen auch die zahnmedizinische Versorgung negativ verändern. Es besteht die reale Gefahr, dass eine bislang dem Gemein- und Patientenwohl verpflichtete Versorgung zum Spielball von Spekulanten wird. Die erfolgreiche und verlässliche Sicherstellung einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Versorgung als Grundpfeiler einer nachhaltig guten Gesundheitsversorgung muss daher im gesamtgesellschaftlichen Interesse erhalten bleiben.“
Kritische Analyse europäischer Fehlentwicklungen
Unter Verweis auf die Ausarbeitung zur europäischen Situation und Resolution des CED (Quelle: CED (2018); CED-Entschließung CED-DOC-2018-069-FIN-D: „Dentalketten in Europa“), in dem kritische Faktoren wie Ketten- und Investorenpleiten zum Beispiel in Spanien, Über- und Fehlversorgung, Einschränkungen der Therapiefreiheit, Leistungspicking und Ausbeutung des ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals zusammengetragen wurden, hält die KZBV fest: „Auch hierzulande lässt sich anhand von Abrechnungsdaten befürchten, dass innerhalb investorengeführter Z-MVZ nicht nach Versorgungsbedarf, sondern Renditegesichtspunkten behandelt und sogenanntes ‚Leistungspicking‘ betrieben wird. Über- und Fehlversorgung sind erkennbare Folgen.“
Die Anhörung im Gesundheitsausschuss kann über das Bundestags-Fernsehen verfolgt und ab Donnerstag in der Mediathek abgerufen werden. Alle vorliegenden Stellungnahmen können ebenfalls abgerufen werden. MM