Sie kamen nicht nur aus Berlin und dem Umland, auch aus Dresden und anderen Regionen zum Brandenburger Tor: Mehr als 600 Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte und Angehörige von Praxisteams machten ihrem Ärger über die nach wie vor fehlende Anerkennung ihrer Arbeit durch die Politik und die Sparpläne Luft. Unterstützung bekamen sie dabei von vielen Seiten der Ärzte- und Zahnärzteschaft.
Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. (vmf) hatte nach den Aktionen zum Jahreswechsel 2021/2022 erneut Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellten zur Protestaktion am 7. September 2022 aufgerufen. Mehr als 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren diesmal dem Aufruf gefolgt. Es waren nicht nur Praxisteams aus dem Großraum Berlin dabei, sondern auch aus Dresden und anderen Regionen reisten Demonstrantinnen und Demonstranten an und äußerten mit ihren Plakaten und Bannern ihren Protest auch gegen die aktuellen Sparpläne der Bundesregierung.
Arm trotz Arbeit
Sylvia Gabel, vmf-Referatsleitung für Zahnmedizinische Fachangestellte, freute sich sehr über die tolle Beteiligung. In ihrer Rede ging sie auf die prekäre Situation der Zahnmedizinischen Fachangestellten ein, die laut Entgeltatlas der Agentur für Arbeit im Jahr 2021 lediglich 2.260 Euro brutto im Mittel als Vollzeitbeschäftigte verdienen. „Damit sind ZFA ‚arm trotz Arbeit‘, und zwar nicht nur im Berufsleben, sondern auch im Rentenalter, und müssen Grundsicherung beantragen“. Außerdem kritisiert sie die längst überfällige Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Hier bestehe dringender Handlungsbedarf, denn auch zahnärztliche Arbeitgeber müssten die steigenden Personal- und Energiekosten stemmen.
MFA und ZFA als systemrelevante Gesundheitsberufe stärken
Weitere Forderungen hatte Hannelore König, Präsidentin des Verbands, schon in der Pressemitteilung am Protesttag bekräftigt: „Unser zentrales Anliegen ist es, die Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten als systemrelevante Gesundheitsberufe zu stärken. Es geht um bessere Arbeitsbedingungen für Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte. Wir brauchen die vollumfängliche Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen, und zwar zeitnah und nicht mit einer Verzögerung von zwei Jahren. Wir brauchen mehr Tarifverbindlichkeit, eine Tariftreue oder einen Branchenmindestlohn. Wir brauchen eine breite öffentliche Diskussion des Wertes von Arbeit im Gesundheitswesen – nicht nur im Bereich der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Es kann nicht sein, dass verwaltende Arbeiten besser honoriert werden als die verantwortungsvolle Arbeit von Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten am Menschen und für die Gesundheit von Menschen.“
Scharfe Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung
In den Reden bei der Protestaktion waren die Sparvorhaben der Bundesregierung, Stichwort GKV-Finanzstärkungsgesetz mit Einschränkungen und Kürzungen bei den Honoraren, verständlicherweise immer wieder Thema. Berufsangehörige, aber auch ärztliche und zahnärztliche Vertreterinnen und Vertreter haben deutliche Worte zu den geplanten Einsparungen und der fehlenden Anerkennung und Wertschätzung für Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte an die Verantwortlichen in der Politik gerichtet. So waren unter anderem der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin, Dr. Jörg Meyer, der Berliner Zahnärztekammerpräsident Dr. Karsten Heegewaldt und Dr. Juliane von Hoyningen-Huene, Vizepräsidentin des Verbands der Zahnärztinnen – Dentista e.V., und der Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte, ZA Harald Schrader, Rednerin beziehungsweise Redner auf der Protestkundgebung. Alle vier hielten viel beachtete Reden und stellten sich an die Seite ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen.
„Unsere hochqualifizierten ZFA sind das Rückgrat des Praxisbetriebs“
Meyer, der in Vertretung Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, an der Protestaktion teilnahm, unterstützte die Anliegen der Zahnmedizinischen Fachangestellten, etwa mit Blick auf eine höhere Wertschätzung oder eine angemessene Anerkennung ihrer Leistungen in der Patientenversorgung: „Unsere hochqualifizierten ZFA sind das Rückgrat des Praxisbetriebs. Ihre Arbeit ist essenziell für die Gewährleistung der Versorgung, die trotz aller Belastungen während der Pandemie sichergestellt war. Als Dank dafür wurden jedoch hunderttausende ZFA und MFA beim staatlichen Pflegebonus völlig ignoriert und hinter die Pflegeberufe ins zweite Glied gerückt. Nun folgt mit dem GKV-FinStG der nächste Dämpfer.“ Dieser Plan des Bundesgesundheitsministers sei weder zielführend für die langfristige Finanzierung des Gesundheitssystems noch eine Grundlage zur Stärkung und Aufwertung der Gesundheitsberufe.
Patientenversorgung nicht kaputtsparen
Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Eßer erklärte im Vorfeld der Protestaktion: „Die strikte Budgetierung wieder einzuführen ist nicht zielführend. Im zahnärztlichen Bereich gab es keine Kostenexplosion. Im Gegenteil: Wir haben die Ausgabenanteile der Kassen in unserem Leistungsbereich konsequent verringert und damit bereits einen namhaften Beitrag zur Kostensenkung geleistet. Unsere Praxen sind Vorreiter bei Prävention und Prophylaxe. Unsere Erfahrung in der Umsetzung dieses wirtschaftlichen und kostenvermeidenden Versorgungsansatzes bringen wir in das Gesetzgebungsverfahren ein, um die vorgesehenen Regelungen zu verbessern. Die zahnmedizinische Patientenversorgung darf nicht kaputtgespart werden.“
Unterstützung gab es von den Oppositionsparteien aus dem Gesundheitsausschuss von Emmi Zeulner aus der CDU/CSU-Fraktion und von Ates Gürpinar von der Partei Die Linke und vom Deutschen Hebammenverband.
Bündnis steht zusammen
Das breite Bündnis aus Verband medizinischer Fachberufe als Gewerkschaft und den Institutionen, wie Ärzte- und Zahnärztekammern, Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Vereinigungen, ärztliche und zahnärztliche Berufsverbände wie Hartmannbund, Dentista e.V. und FVDZ, will sich nicht spalten lassen und in der Zukunft gemeinsam noch lauter werden, so der Verband. Denn aus Sicht aller Beteiligten sei die ambulante ärztliche und zahnärztliche Gesundheitsversorgung in Gefahr und Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte hätten mehr Anerkennung und Wertschätzung verdient.