Im Juni wird es in einigen Regionen wieder Protestaktionen der Zahnärzteschaft geben. So sind für den 18. Juni in Berlin, Baden-Württemberg und Niedersachsen Aktionen geplant. Bereits am 12. Juni will die Bayerische Landeszahnärztekammer (BLZK) Kolleginnen und Kollegen auf dem Münchner Marienplatz zu einer Demonstration versammeln.
Bürokratie, Fachkräftemangel, Leistungskürzungen und der Aufkauf von Praxen durch Finanzinvestoren: Die aktuellen Rahmenbedingungen hinderten mittlerweile mehr und mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte daran, eine eigene Praxis zu gründen. Ein Praxissterben und dramatische Versorgungslücken seien die Folgen – besonders auf dem Land. „Diese Entwicklung trifft die Patientinnen und Patienten im Flächenstaat Bayern besonders hart. Zahnärzte und ihre Praxisteams haben nun am Mittwoch, 12. Juni, 11 Uhr, auf dem Marienplatz in München die Gelegenheit, dem Bundesgesundheitsminister die Zähne zu zeigen und aktiv gegen diese Entwicklung mitzuwirken“, so die BLZK.
Kundgebung mit dem Verband medizinischer Fachberufe
„Schluss mit Lücken, Herr Lauterbach! Zahnmedizin braucht Zukunft“ lautet das Motto der Kundgebung, die die Bayerische Landeszahnärztekammer (BLZK) im Schulterschluss mit dem Verband medizinischer Fachberufe (vmf) sowie vielen weiteren zahnärztlichen Verbänden und Organisationen am 12. Juni gegen die aktuelle Gesundheitspolitik der Bundesregierung veranstaltet. „Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen sollte jedes Praxisteam, das ein Zeichen für faire Bedingungen für uns Zahnärzte setzen will, auf dem Marienplatz Flagge zeigen“, appelliert der Initiator, BLZK-Präsident Dr. Dr. Frank Wohl an die bayerischen Zahnärzte.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder Perspektiven bieten
„Kämpfen wir gemeinsam dafür, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder Perspektiven bieten können, für Bürokratieabbau, für die längst überfällige Anpassung der GOZ und gegen den Aufkauf von Praxen durch Finanzinvestoren. Schließlich sorgen wir für eine moderne und wohnortnahe zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung in unserer bayerischen Heimat“, erklärt Wohl die Notwendigkeit der Veranstaltung.
Nur gemeinsam etwas erreichen
Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe, ergänzt: „Die derzeitige Situation der Praxen, die Budgetierung, der Personalmangel und die Bürokratie geben Anlass genug, auf die Straße zu gehen und Veränderungen zu fordern. Wir machen das gemeinsam mit den Vertretern der Zahnärzteschaft, weil es uns nur gemeinsam gelingt, gute Arbeitsbedingungen für die zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) zu verhandeln, wenn die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft.“
Ziel: Praxissterben vor Augen führen
Die ausufernde Bürokratie, die Budgetierung, Konzentrationsprozesse durch investorengetragene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ), der seit 36 Jahren nicht angepasste GOZ-Punktwert und der Fachkräftemangel haben ein Praxissterben in ländlichen Regionen zur Folge, heißt es in der Ankündigung der Veranstaltung. Betroffen seien nicht nur die gesamte Zahnärzteschaft und die Angestellten in den bayerischen Zahnarztpraxen – „auch die Patientinnen und Patienten sind die Leidtragenden, wenn es für die Praxis am Ort keinen Nachfolger gibt oder der nächste Zahnarzttermin in weiter Ferne liegt. Als Flächenstaat ist Bayern davon besonders betroffen.“
Individuelle Aktionen in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg stellen Kammer und KZV den Praxen auch Informationsmaterialien für die individuellen Aktionen vor Ort zur Verfügung. Für die schnelle Information hat die Kammer auch einen WhatsApp-Kanal eingerichtet.
Digitaler Fortbildungstag in Niedersachsen
Die Zahnärztekammer Niedersachsen (ZKN) wird gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN) und den berufspolitischen Verbänden „Zahnärzte für Niedersachsen“ (ZfN) und „Freier Verband Deutscher Zahnärzte“ (FVDZ) einen weiteren Protest- und Informationstag organisieren. Niedersachsen Zahnärztinnen und Zahnärzte sollen dafür am 18. Juni 2024 unter dem Motto „Mund auf – Praxis zu!“ ihre Praxen schließen. Informationen dazu gibt es auf der gleichnamigen Aktionsseite. „Wir machen den Mund auf und die Praxis zu. Es reicht: Zu viel Bürokratie, zu wenig Geld für Prävention, Budgetierung, Inflation, keine Änderungen im privaten Gebührenrecht. Das ist zusammen ein giftiger Cocktail, der viele Zahnärztinnen und Zahnärzte verzweifeln lässt“, sagt der Präsident der Zahnärztekammer Niedersachsen (ZKN), Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida. Eine flächendeckende zahnärztliche Versorgung, wie es sie bislang gab, sei unter den desaströsen politischen Rahmenbedingungen kaum noch zu gewährleisten.
60 Prozent der zahnärztlichen Praxen in Niedersachsen sind Einzelpraxen. „Sie sind das Fundament unserer flächendeckenden Versorgung in Niedersachsen“, erklärt Dr. Jürgen Hadenfeldt, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN). Doch inzwischen berichteten viele selbstständige Kolleginnen und Kollegen, dass sie nicht mehr wissen, ob sie im kommenden Jahr ihre Praxis noch fortführen können. „Gerade in vielen ländlichen Regionen unseres Flächenlandes wird das zu problematischen Veränderungen in der Versorgung führen“, so Hadenfeldt. Schon heute könnten Praxen, deren Inhaber/-innen altersbedingt ausscheiden, kaum mehr nachbesetzt werden.
„Die wohnortnahe Patientenversorgung ist gefährdet wie nie zuvor. Die Praxen stoßen täglich an ihre Grenzen und können die gewohnte Versorgung auf Dauer nicht mehr leisten – und die Politik schweigt“, erklärt Dr. Markus Braun, Vorsitzender des Landesverbands Niedersachsen des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ). „Praxen schließen, Wartezeiten verlängern sich, Leistungen werden eingeschränkt. Das besorgt auch unsere Patientinnen und Patienten.“ Dr. Braun forderte von der Politik unter anderem einen dringend notwendigen Bürokratie-Abbau. „Durchschnittlich 51 Arbeitstage pro Jahr werden in Praxen nur für Verwaltungstätigkeiten aufgewendet. Zeit, die wir lieber mit unseren Patientinnen und Patienten und deren Versorgung verbringen.“
„Zahnmedizin ist nicht Nice-to-have-Medizin, sondern wichtig für die Allgemeingesundheit. Zahnärzte sind deshalb auch keine Ärzte zweiter Klasse“, betonte Dr. Tilli Hanßen, Stellvertretende Vorsitzende des Verbands Zahnärzte für Niedersachsen (ZfN). Von der versorgungsfeindlichen Gesundheitspolitik besonders betroffen sei insbesondere die präventionsorientierte Parodontitistherapie. Parodontitis, eine Erkrankung, von der mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland betroffen sind, nimmt unter anderem Einfluss auf schwere Allgemeinerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und rheumatische Erkrankungen. Durch unbehandelte Parodontitis entstehen hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem.
Podiumsdiskussion und Demo in Berlin
Auch in Berlin wird es am 18. Juni in der KZV eine Podiumsdiskussion und anschließend eine Demo geben, dazu gibt es Infomaterial für die Praxen. Die Zahnärzteschaft wurde über ein Sonderrundschreiben informiert.