In ländlichen Regionen nicht nur in den östlichen Bundesländern tun sich eher über kurz als über lang Lücken in der zahnärztlichen und ärztlichen Versorgung auf. Darauf wies der Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, Dr. Carsten Hünecke, in seinem Statement zur Eröffnung des Zahnärztetags am 26. Januar 2024 in Magdeburg hin. Diese Lücken könne die Selbstverwaltung nicht mehr allein schließen, hier sei die Politik gefordert, appelliert er.
Hünecke verwies auf die Eröffnung einer ärztlichen Akutpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung im thüringischen Gera Anfang des Jahres hin, in der überwiegend Ärzte tätig werden, die bereits im Ruhestand waren. Aktuell seien in Gera und Umgebung 17 Zulassungsstellen für Hausärzte unbesetzt, sei im MDR berichtet worden – und Gera habe knapp 100.000 Einwohner. „Angesichts des in der Öffentlichkeit spürbaren Versorgungsproblems im hausärztlichen Bereich registrierten die Medien dies also als einen tollen Erfolg“, so Hünecke.
„Laufen rasend auf die gleiche Situation zu“
Ein Gedanke, der ihn betroffen machte. „Die Rentner, die ‚Alten‘ müssen nun also den Laden schmeißen, sozusagen als letztes Aufgebot?! Ist dies die Zukunft unseres Gesundheitssystems, dass die Babyboomer – bis zum Heraustragen aus der Praxis(?) – die Versorgung retten sollen? In der Vergangenheit war so etwas ein klares Zeichen für den bevorstehenden Zusammenbruch und eher ein Eingeständnis des Versagens“, so der Kammerpräsident.
Hünecke weiter: „Im zahnärztlichen Bereich laufen wir rasend auf die gleiche Situation zu, es ist nur noch eine kurze Frage der Zeit, aber insbesondere in den Flächen unseres Bundeslandes sind heute schon teilweise erhebliche Lücken.“
Kaum ein Bereich so reguliert wie das Gesundheitswesen
Umso wichtiger sei gemeinsames aktives Handeln. Der Berufsstand mit seinen Organisationen der Selbstverwaltung sei nicht in der Lage, die Lücken zu schließen, so der Kammerpräsident, und appellierte an die Politik. Hier müsse umgehend gehandelt und politische Rahmen neu gezogen werden, wie in Vorschlägen schon dargestellt. „Ich gebe zu, es sind keine leichten Entscheidungen, die zu treffen sind, weil sie durchaus Regulierungen und Steuerungen und indirekt auch Einschränkungen des Einzelnen bedingen können. Damit tut man sich in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung in der Regel schwerer.
Andererseits – kaum ein Bereich in Deutschland ist so reguliert und reglementiert, wie der Gesundheits- und Sozialbereich, wenn man nur an die 12 Bücher des SGB denkt oder die über 7000 Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, die mittel- oder unmittelbar unser tägliches Handeln bestimmen“, so der Kammerpräsident vor den Teilnehmenden und Gästen des Zahnärztetags in Magdeburg.
KZV versucht vielfältige Nachwuchsförderung
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Land Sachsen-Anhalt kämpft schon seit Jahren mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln um mehr zahnärztlichen Nachwuchs. So gibt es Stipendien für ein Zahnmedizinstudium in Ungarn, wenn die Studierenden im Anschluss in Sachsen-Anhalt tätig werden. Auch sind Kooperationsvereinbarungen mit vielen Kreisen im Land geschlossen worden, mit denen Famulaturen, Assistenzzeit und zum Teil Stipendien für Studierende und Hilfen bei der Niederlassung angeboten werden können.
KZV-Praxisweiterführung 65+
Ein neues Angebot richtet sich jetzt an Zahnärztinnen und Zahnärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und sich entschließen, in Kreisen mit drohender Unterversorgung weiter vertragszahnärztlich tätig zu sein. Ihnen können auf Antrag Zuschüsse gezahlt werden. „Die KZV LSA fördert unter Anwendung der Regelungen des § 105 Absatz 1a SGB V aus Mitteln des Strukturfonds für das Jahr 2024 einen verzögerten Praxisausstieg in finanzieller Form. Die Maßnahme dient dazu, in versorgungsschwachen Gebieten die altersbedingte Beendigung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit durch Zulassungsverzicht und Praxisaufgabe von Vertragszahnärztinnen und -ärzten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, zu verzögern. So kann die vertragszahnärztliche Versorgung übergangsweise im Rahmen der bestehenden Strukturen aufrechterhalten werden“, heißt es in den Erläuterungen zum neuen Programm.
700 Euro pro Monat für bis zu 24 verzögerte Praxisausstiege
Aktuell können für 2024 700 Euro pro Monat (bei Zulassung mit halbem Versorgungsumfang anteilig) für bis zu 24 verzögerte Praxisausstiege gefördert werden. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen ihren Sitz in einem Planungsbereich mit festgestellter (in absehbarer Zeit drohender) Unterversorgung haben. Für 2024 sind das der Landkreis Börde und der Landkreis Jerichower Land. Die Förderung wird nur auf Antrag gewährt, so die Ausschreibung.
Praxen von Budgetierung und Bürokratie stark belastet
Bereits beim Neujahrsempfang der Heilberufe Anfang Januar 2024 hatten Hünecke und die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KZV Sachsen-Anhalt, Dr. Dorit Richter, auf die rasch zunehmenden Probleme für die flächendeckende Versorgung hingewiesen. Von Bürokratie bis Telematikinfrastruktur und Stillstand bei der GOZ bis zur Budgetierung der vertragszahnärztlichen Leistungen, die 2024 auch Sachsen-Anhalt erreichen wird, seien die Praxisinhaberinnen und -inhaber im Land stark belastet, die Wartezeit auf Termine und weite Wege werden auch in der Zahnarztpraxis im Land künftig dazugehören, so ihre Erwartung.
Landesregierung prüft Landzahnarztquote
Die Landesregierung hat wegen der zunehmend schwierigen Situation in der Gesundheitsversorgung Ende 2023 eine eigene Kabinettssitzung anberaumt und unter anderem auch eine mögliche Landzahnarztquote ins Auge gefasst, wie sie von der Zahnärzteschaft im Land schon lange gefordert wird.