Das komplexe Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist am 16. Januar 2019 in die erste Anhörung im Bundestagsgesundheitsausschuss gegangen – mehr als drei Stunden gab es Fragen und Statements zum Gesetzentwurf, zu den verschiedenen Änderungsanträgen und Stellungnahmen. Doch die Zeit reichte nicht, unter der Leitung des Ausschussvorsitzenden Erwin Rüddel (CDU/CSU) alle Themen gebührend abzuhandeln, es wird eine zweite Anhörung im Ausschuss am 13. Februar 2019 geben.
Hauptthemen waren die Ausweitung der Sprechstundenzeiten, die vonseiten der Ärzteschaft stark kritisiert und von den Kassen ebenso stark gefordert wird, die damit zusammenhängende Vergütung, der Einstieg in die Entbudgetierung und eine veränderte Zulassung für Psychotherapeuten angesichts des steigenden Behandlungsbedarfs. Weitere Themen waren unter anderem die elektronische Patientenakte, die Warnung vor Eingriffen in die Selbstverwaltung und das Einführen neuer Leistungen durch das Bundesgesundheitsministerium und damit am Gemeinsamen Bundesausschuss vorbei. (Einen Überblick gibt der Kurzbericht des Deutschen Bundestags zur Sitzung.)
Thema MVZ und Investoren kontrovers diskutiert
Ebenfalls diskutiert wurden die Auswirkungen des zunehmenden Engagements von Investoren in der ambulanten medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung. Der GKV-Spitzenverband sprach sich insgesamt für eine Stärkung der MVZ aus und hielt die vorgesehenen Beschränkungen im Bereich Dialyse-MVZ für ausreichend. Franz Knieps, Vorstand des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), hatte im Vorfeld und in der Stellungnahme des Verbands den Vorschlag des Bundesrats zu Beschränkungen bei Investoren kritisiert und die „Differenzierung danach, woher das Geld kommt“, als „unseriös“ bezeichnet, wie die ÄrzteZeitung berichtet. In der Pressemeldung des BKK-Dachverbands heißt es: „MVZ sind für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung unverzichtbar – unabhängige von ihrer Tägerschaft“, sagt Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes. „Beschränkungen von Investitionen in MVZ sind daher ebenso kontraproduktiv wie Hürden bei ihrer Zulassung oder ihren Tätigkeiten. Zudem bieten MVZ für die dort beschäftigten Ärzte Berufsbedingungen ohne finanzielle Risiken der Niederlassung, was moderne Lebens- und Arbeitsmodelle befördert.“
Die Ärzte- und Zahnärzteverbände argumentierten mit übereinstimmenden Positionen dagegen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Wolfgang Eßer, nahm dazu in einer Antwort auf die Frage des AfD-Abgeordneten Prof. Dr. med. Axel Gehrke Stellung und verwies unter anderem auf das bereits in den Abrechnungsdaten zu erkennende „Leistungspicking“ der von Investoren geführten Z-MVZ gegenüber den von Zahnärzten geführten MVZ oder gar gegenüber von Zahnärzten geführten Berufsausübungsgemeinschaften oder Einzelpraxen. Eßer wiederholte den Vorschlag der Ärzte- und Zahnärzteschaft, den Zugang von Investoren zur ambulanten Versorgung durch veränderte Regelungen für die Gründung von MVZ durch Kliniken zu beschränken. (Frage und Statement sind in der Mediathek des Deutschen Bundestags in der Aufzeichnung der Ausschusssitzung bei Minute 41 nachzuhören.)
„Benötigen nicht das Geld der Investoren“
Der KZBV-Vorstandsvorsitzende hatte sich dazu bereits im Vorfeld deutlich geäußert, die KZBV legte zudem aktuelle Zahlen und Statements zur Sitzung vor. Eßer: „Einen Bedarf für solche Investoren kann ich bei uns nicht erkennen. Die gewohnt gute zahnärztliche Versorgung ist in Deutschland auch ohne Fremdinvestoren gesichert. Es gibt ausreichend hochqualifizierten zahnärztlichen Nachwuchs, um auch künftig die Menschen in unserem Land wohnortnah und flächendeckend zu versorgen. Wir benötigen auch nicht das Geld der Investoren, denn die Finanzierung der Praxen ist durch Banken und Sparkassen gesichert.“
Offensichtlich würden die Investoren in einem schwierigen Kapitalumfeld „gezielt von internationalen Beratungsfirmen mit dem Versprechen nach Deutschland gelockt, hier risikolos attraktive Renditen zu erzielen“, so Eßer: „Handelt der Gesetzgeber jetzt nicht, werden wir in diesem und im nächsten Jahr eine regelrechte Schwemme neuer Investoren-Z-MVZ sehen. Das wird zu Lasten der Versorgung gehen.“
Bundesärztekammer unterstützt Bundesratsvorschläge
Die Bundesärztekammer hatte schon im Vorfeld der Anhörung erklärt, sie sehe das Vordringen von Kapitalgebern in die ambulante Versorgung mit großer Sorge. Daraus ergäben sich Risiken für die Wahlfreiheit von Patienten ebenso wie für die Möglichkeit von Ärzten, sich niederzulassen oder im Angestelltenverhältnis den Arbeitgeber zu wechseln. Man begrüße deshalb, dass der Gesetzentwurf Anpassungen bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) vorsieht, weise aber darauf hin, dass die vorgesehenen punktuellen Neuregelungen der zunehmenden Konzernbildung nur begrenzt entgegenwirken können. Die BÄK unterstütze „die Forderungen des Bundesrates nach Regelungen, die einem kapitalgetriebenen Missbrauch von MVZ-Strukturen wirksam begegnen, indem sie den gesundheitspolitisch gewünschten Versorgungsbeitrag von MVZ klarer fassen. Dazu gehört die grundsätzliche Bindung von Krankenhaus-MVZ an einen regionalen und fachlichen Bezug ebenso wie die Möglichkeit, eine Fokussierung auf lukrative Leistungsbereiche zu verhindern und sinnvolle Vorgaben zur Größe von MVZ zu machen.“
FVDZ fordert pragmatische Lösung zum Investoren-Problem
Mit dem TSVG habe es der Gesetzgeber in der Hand, die bestehenden Schlupflöcher zur Gründung und zum Betrieb zahnärztlicher Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) durch versorgungsfremde Kapitalgesellschaften weitgehend zu stoppen. Dies habe der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) anlässlich der Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag zum TSVG noch einmal deutlich gemacht, so der FVDZ. „Was wir jetzt brauchen ist eine pragmatische Lösung – und zwar möglichst bald“, betonte der FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader. „Es gibt einen dynamischen Verlauf der Gründungen von MVZ durch Kapitalinvestoren, und diese Entwicklung muss dringend gestoppt werden, wenn der Gesetzgeber nicht will, dass die Versorgung unserer Patienten nachhaltig gefährdet wird.“
Fehlentwicklungen im Dialyse-Bereich nicht wiederholen
Das Geschehen im Dialyse-Bereich, das durch das TSVG nun reguliert werden soll, habe gezeigt, wohin der unregulierte Zugang von Investoren zum Versorgungsgeschehen führen könne. „Es wäre ein Unding, wenn der Gesetzgeber nun sehenden Auges die gleichen Fehlentwicklungen in der zahnmedizinischen Versorgung zulassen würde“, sagte Schrader. „Die Zahnärzteschaft hat gemeinsam Vorschläge für sachgerechte Lösungen gemacht – wir hoffen nun sehr auf den Willen der politischen Entscheider für eine gute, flächendeckende ambulante Versorgung, die in der Hand von Ärzten und Zahnärzten liegt und nicht in der von renditeorientierten Finanzinvestoren.“
Spahn lässt Ärzten gegenüber Verhandlungsbereitschaft erkennen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ließ im Nachgang zur ersten Anhörung bei seinen Auftritten bei den Neujahrsempfängen des Hausärzteverbands und der Ärzteschaft sowie in einer Diskussionsrunde mit Ärzten auf Einladung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Verhandlungsbereitschaft bei einigen Themen erkennen – allerdings steht das Thema MVZ und Investoren für die Ärzte im Vergleich zu ausgeweiteten Sprechstundenzeiten, der Vergütung, die Terminservicestellen und den Einstieg in die Entbudgetierung nicht so stark im Fokus wie für die zahnärztliche Standespolitik. MM