Seit Juli 2021 gibt es „auf Kasse“ endlich eine moderne, präventionsorientierte Parodontitis-Therapie für die davon betroffenen Patienten. Doch die Bundesregierung hat das dafür notwendige Geld mit dem im November 2022 verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) weitgehend gestrichen. Darüber und über die Bedeutung der Parodontitis für die Gesamtgesundheit will die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mit einer Kampagne die Patienten informieren und sie und die Zahnarztpraxen mobilisieren. Gestartet wurde die Kampagne am 1. Juni 2023.
Die Bundesregierung hat mit dem GKV-FinStG die Mittel für zahnärztliche Leistungen ab 2023 durch eine strikte Budgetierung begrenzt und damit die erforderlichen Finanzmittel für die dringend notwendige und erst im Juli 2021 in den GKV-Leistungskatalog aufgenommene neue präventionsorientierte Parodontitis-Therapie entzogen. „Das ist Sparen auf Kosten der Gesundheit der Patientinnen und Patienten“, so die KZBV. Die Einsparungen gefährdeten zudem direkt die flächendeckende zahnärztliche Patientenversorgung vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen in Deutschland.
Bundesweite Kampagne
Mit der bundesweiten Kampagne „Zähne zeigen“ mache die KZBV deshalb mit den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen der Länder, im Schulterschluss mit gemeinsam der Bundeszahnärztekammer, den Länderzahnärztekammern und Verbänden „auf die Folgen dieser verantwortungslosen Politik aufmerksam und ruft alle Patientinnen und Patienten sowie die Zahnarztpraxen zum Protest auf“, heißt es in der Presseinformation der KZBV. Auch zahlreiche KZVen und Kammern informieren die regionale Presse und Öffentlichkeit mit Presseinformationen über die neue Kampagne. Inzwischen steht auf der Homepage der KZBV und auf YouTube auch ein Video, das in der Praxis Dr. Hausweiler in Düsseldorf gedreht wurde, zur Verfügung.
„Unverantwortliche und kurzsichtige Budgetierung“ schnellstmöglich zurücknehmen
„Trotz der einzigartigen Erfolge der Prävention in der zahnärztlichen Versorgung und der damit über die letzten Jahrzehnte erzielten Einsparungen für das Gesundheitssystem wurden mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Mittel für zahnärztliche Leistungen durch strikte Budgetierung begrenzt“, sagte Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV zum Kampagnenstart am 1. Juni. „Das hat schwerwiegende Auswirkungen insbesondere auf die neue präventionsorientierte Parodontitis-Therapie. Verlierer sind am Ende unsere Patientinnen und Patienten. Dem können wir nicht tatenlos zuschauen. Die unverantwortliche und kurzsichtige Budgetierung muss schnellstmöglich zurückgenommen werden. Mit unserer Kampagne zeigen wir gemeinsam Zähne gegen diese Politik und rufen alle Patientinnen und Patienten sowie die Praxen auf, sich an der Aktion zu beteiligen. Am Ende geht es um ihre Gesundheit!“, so Hendges.
Website „zaehnezeigen.info“ als zentrale Plattform
„Zentrale Plattform der Kampagne ist die Website zaehnezeigen.info, auf der sich Patientinnen und Patienten, aber auch Praxismitarbeiterinnen und Praxismitarbeiter über die Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes für die Patientenversorgung informieren können“, so Hendges weiter. „Gleichzeitig rufen wir sie dazu auf, sich selbst direkt an ihre eigenen regionalen Abgeordneten und politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf Landes- und Bundesebene zu wenden, um darauf hinzuweisen, dass die Kostendämpfungspolitik der Patientenversorgung schadet und ein Ende finden muss.“
Infomaterial kommt in die Praxen
In den kommenden Wochen werden bundesweit in Zahnarztpraxen Informationsmaterialien unter dem Motto „Zähne zeigen“ mit der Botschaft „Diagnose Sparodontose“ auf die Kampagne hinweisen. Konkrete Leitsätze thematisieren die drohenden regionalen Versorgungsprobleme („Versorgung örtlich betäubt“) und die begrenzten Mittel zur Behandlung der Volkskrankheit Parodontitis („Von dieser Gesundheitspolitik bekommt man Zahnfleischbluten, Herr Lauterbach“).
Leicht verständliche Statements und Erklärtexte
Leicht verständliche Statements und Erklärtexte sollen bei der Vermittlung der konkreten negativen Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes helfen. In den sozialen Medien wird die Kampagne unter dem Hashtag #zaehnezeigen auf Twitter und Instagram fortgeführt.
Infomaterial mit QR-Code für die Praxen
„Wer in den nächsten Wochen einen Termin in einer Zahnarztpraxis hat, wird viele Poster, Postkarten, Praxisaufsteller und Buttons bemerken, die mit Slogans wie „Diagnose Sparodontose“, „Versorgung örtlich betäubt“ oder „Von dieser Gesundheitspolitik bekommt man Zahnfleischbluten, Herr Lauterbach“ auf die aktuellen Versorgungsprobleme hinweisen. Und wer dann sein Handy zückt und auf einen der zahlreichen QR-Codes klickt, landet direkt auf der Kampagnenwebsite“, heißt es in den Informationen der Körperschaften, zum Beispiel des Informationszentrumes Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg.
Der Rotstift von Gesundheitsminister Lauterbach bedrohe aber auch auf andere Weise die zahnärztliche Patientenversorgung: Die durch das Gesetz geschaffene Beschränkung der Mittel im Rahmen der wieder eingeführten versorgungsfeindlichen Budgetierung zahnärztlicher Leistungen wird die aufgrund von zunehmender Inflation und steigender Betriebskosten bereits schwierige Lage vieler Zahnarztpraxen vor allem auf dem Land deutlich verschärfen. Drohende Folgen sind zunehmende Praxisschließungen, gleichzeitig werden Neugründungen erschwert, heißt es in der Meldung der KZV Hessen.
Verschlechterung nicht hinnehmen
„Die Gesetzgebung der vergangenen Jahre hat die Bedingungen für die zahnmedizinische Versorgung kontinuierlich erschwert. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verschärft diese Lage massiv. Wir möchten unseren Patientinnen und Patienten auch in Zukunft eine hochwertige, präventionsorientierte und wohnortnahe Behandlung anbieten können. Deshalb werden wir eine Verschlechterung der Versorgungsbedingungen im Interesse unserer Patientinnen und Patienten nicht hinnehmen“, erklärt Stephan Allroggen, Vorsitzender des Vorstandes der KZV Hessen
Dr. Torsten Tomppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV BW) und Präsident der Landeszahnärztekammer (LZK BW) Baden-Württemberg), erklärte: „Wer Vorsorge budgetiert, steigert für viele Patientinnen und Patienten die Gefahr, dass eine Parodontitis erst zu spät erkannt wird, wenn bereits schwerwiegende Schäden aufgetreten sind. Dies ist nicht nur für die Mundgesundheit fatal, sondern bringt negative Konsequenzen für den allgemeinen Gesundheitszustand mit sich“. Vorsorge sei daher kein Kostenfaktor, sondern eine wichtige Investition in das Wohl der Versicherten.
IKK-Chef will zahnärztliche Leistungen aus dem GKV-Leistungskatalog streichen
Parallel zum Start der neuen KZBV-Kampagne kommt ein Kassenchef angesichts der Defizite der GKVmit einem alten Vorschlag: Der Vorstand der IKK (300.000 Versicherte), Ralf Hermes, will drastische Leistungskürzungen im Gesundheitswesen und unter anderem die komplette zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz aus dem Leistungskatalog streichen, ebenso Homöopathie. Das erklärte er gegenüber dem „Handelsblatt“. Leistungskürzungen dürften angesichts der steigenden Gesundheitsausgaben kein Tabu mehr sein. Zahnärztliche Behandlungen seien weitgehend vermeidbar, wer sich zweimal täglich ordentlich die Zähne putze, bekomme „fast keine Probleme“. Zudem könne man sich privat absichern.
Im vergangenen Jahr entfielen auf zahnärztliche Leistungen rund 5 Prozent der Kassenausgaben (rund 13 Milliarden Euro), dazu kamen knapp vier Milliarden Euro für Zahnersatz (1 Prozent Ausgabenanteil). Das gesamte Ausgabenvolumen der GKV für Leistungen betrug nach den vorläufigen Finanzergebnissen rudn 263 Milliarden Euro.
Widerspruch von Lauterbach und Ullmann
Wie der „Spiegel“ berichtet, schwenkten aber keine weiteren Kassenvertreter auf diesen Sparkurs ein. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach reagierte per Twitter und schloss Leistungskürzungen aus. Auch der FDP-Gesundheitspolitiker Prof. Andrew Ullmann widersprach den Kassenchef im Handelsblatt direkt. Man sei sich in der Koalition einig, dass man „an den grundsätzlichen und evidenzbasierten medizinischen Leistungen“ nichts kürzen könne, wolle und dürfe.
Aktualisiert um die Statements aus Hessen und Baden-Württemberg am 1. Juni 2023, 14.30 Uhr.
Aktualisiert um das Foto vom Kampagnenauftakt am 2. Juni 2023, 9.15 Uhr. -Red.