„Wer ‚Helferin‘ sagt, gibt Geld ins Sparschwein.“ Diese Ansage von Sylvia Gabel, Referentin Zahnmedizinische Fachangestellte beim Verband medizinischer Fachberufe gab es einmal bei einer anderen Tagung, aber sie macht ein Problem deutlich, dass auch auf dem Jubiläumskongress des Verbands zum 60-jährigen Bestehen am 14. und 15. April 2023 in Würzburg immer wieder zur Sprache kam – und das sich in der Sprache auch ausdrückt: Die fehlende Wertschätzung für und die falsche Sicht auf die Medizinischen Fachberufe wie ZFA, Medizinische Fachangestellte, Tiermedizinische Fachangestellte und Zahntechniker vor allem in Öffentlichkeit und Politik.
Denn mit „Helferin“ haben das moderne Berufsbild und das Anforderungsprofil für ZFA, MFA, TFA rein gar nichts mehr zu tun. Aber die fehlende Wertschätzung schlägt sich in unzureichender Berücksichtigung der Leistungen des medizinischen Fachpersonals bei den Honorarverhandlungen für den ambulanten Bereich nieder – und damit in den niedrigen Gehältern. Die Folge: Ausgebildete Fachkräfte verlassen ihren Beruf und wechseln in besser bezahlte Tätigkeiten, es fehlt an Fachpersonal.
Und wenn viele junge Frauen eine Ausbildung zur MFA und ZFA anfangen – die beiden Berufe gehören immer zu den Top 3 –, so brechen doch auch viele die Ausbildung vor allem zur ZFA wieder ab oder bleiben nicht im erlernten Beruf. All diese und weitere Themen spiegelte die Podiumsdiskussion wider, die der Verband für seine Jubiläumsveranstaltung im Rahmen des großen Kongresses am Freitagnachmittag organisiert hatte.
Aber erstmal wurde es laut: die Samba-Gruppe Edylia aus Coburg eröffnete die Veranstaltung mit ordentlich Trommelwirbel. „Man hat uns gesagt, wir müssten lauter werden“, so VmF-Präsidentin Hannelore König. „Hoffen wir, dass wir auch in Berlin gehört werden“, so König unter Verweis auf die Protestaktionen des Verbands in Berlin, die in diesem Jahr weitere Fortsetzungen bekommen sollen. Man erfahre inzwischen viel Unterstützung aus vielen Bereichen des Gesundheitswesens und der Politik, konstatierte die Präsidentin.
Respekt und Anerkennung für die Arbeit des Verbands
Dies wurde auch in den Grußworten deutlich – ebenso wie der Spagat, den der Verband zwischen MFA und ZFA im Gesundheitswesen, der privat organisierten tierärztlichen Versorgung und dem Gesundheitshandwerk Zahntechnik leistet. Respekt für die sachorientierte, offene Arbeit, für Hartnäckigkeit und zugleich Kompromissbereitschaft im Interesse der vertretenen Berufsangehörigen, für klare Positionen und Zukunftsorientierung – all das kam in den Statements des Präsidenten der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, des Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbands e.V., Dr. Markus Beier, des Präsidenten des Verbundes unabhängiger Kleintierkliniken, Tierarzt Dr. Dirk Remien, und des Präsidenten des Verbands Deutscher Zahntechnikerinnungen (VDZI), Dominik Kruchen, zum Ausdruck. Ein großes Dankeschön gab es für die Mitarbeit an den neuen Ausbildungsordnungen für ZFA und Zahntechniker.
Unter der Fragestellung: „Keine Lust auf Fachkräftemangel? Wenn Praxen schließen (müssen) …“ diskutieren dann Dr. Markus Beier, Dr. med Christian Deindl (Bundesverband für ambulantes Operieren), Prof. Dr. Christoph Benz, Tierarzt Dr. Dirk Remien, Dominik Kruchen Dr. Anke Klas, Präsidentin des Verbands der Zahnärztinnen plus, Prof. Peter Heistermann, deutscher Hochschulverband Physician Assistant, und Daria Hunfeld, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants, über eine nachhaltige und zukunftssichere Daseinsvorsorge im ambulanten Gesundheitswesen und in der Veterinärmedizin und die Rolle von Medizinischen, Tiermedizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten (MFA, TFA, ZFA) sowie Zahntechnikerinnen und -techniker.
Gemeinsam mit dem VmF Dinge vorantreiben
Einig waren sich alle Diskutanten, dass man gemeinsam mit dem VmF die Dinge vorantreiben wolle. Dazu gehören politische Forderungen wie die Etablierung neuer Berufsbilder, die Anerkennung der Leistungen der medizinischen Fachberufe bei den Honorarverhandlungen und die staatlich ebenso wie ein Hochschul-Erststudium finanzierte akademische Ausbildung im Gesundheitsbereich ebenso wie die Arbeit in den eigenen Professionen der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Zahntechnikern. Ebenso klar war allen auch, dass es ohne die Fachkräfte in der Praxis zappenduster wird – sowohl für die menschlichen wie für die tierischen Patienten. Außer einer Notfallversorgung sei dann nicht mehr viel möglich, so Benz, die Prävention und die Mundgesundheit blieben auf der Strecke.
Angebote auch für die „mittelalten“ und älteren Mitarbeiter machen
Und wenn auch ein Schwerpunkt der Diskussion darauf lag, Berufsnachwuchs zu gewinnen für die Ausbildung, so gingen die Forderungen der Teilnehmerinnen gerade für das mittlere Lebensalter und für die Zeit am Berufsende dahin, auch hier die Fort- und Weiterbildung viel stärker zu fördern und neue Modelle zu entwickeln, um die nun aus dem Berufsleben ausscheidenden Babyboomer, die gerne noch arbeiten würden, zum Beispiel mit Vorteilen bei Steuern oder Sozialabgaben im Beruf zu halten.
ZFA-Tarif bundesweit, Fortbildung fördern und finanzieren
Forderungen wurden aus dem Publikum und auf dem Podium aber auch an die Arbeitgeber in den Praxen formuliert. Man dürfe sich ja zum Geburtstag etwas wünschen, und sie wünsche sich, dass der Verband wieder wie früher für alle ZFA einen Tarifvertrag verhandeln dürfe, „das wäre ein großer Traum“, so König unter Beifall.
Dass immer noch ZFA und MFA ihre Fortbildungen selbst finanzieren und dafür Urlaub nehmen müssten, sei ein Unding. „Fortbildung muss bezahlt werden“, machte Klas deutlich, und Benz erklärte, wo das nicht erfolge, sei das auch nicht der Ort, wo man gerne bleiben möchte. Gerade Prävention sei für die Praxen attraktiv, und man müsste schon „ziemlich blöd sein“, die Fortbildung hier nicht zu bezahlen. Die Ärzte und Zahnärzte sollten auch aktiver auf die Mitarbeiter zugehen und Fortbildungen anbieten, hieß es dazu unter Beifall aus dem Plenum, denn das Interesse sei da. „Es gibt eine messbar höhere Berufszufriedenheit“ bei Weiterqualifizierten, das sei der wichtigste Grund, in einer Praxis zu bleiben, konstatierte Prof. Heistermann. Es brauche mehr politische und finanzielle Unterstützung für die Berufsbildung, hier hätten Bund und Länder ihre Verpflichtung immer mehr auf die ausbildenden Betriebe abgewälzt, so Kruchen.
Unterschiedliche Lösungsansätze schon in Medizin und Zahnmedizin
Deutlich wurde in der von VmF-Präsidentin Hannelore König empathisch, aber auch klar in der Aussage geführten Diskussion auf dem Podium, wie unterschiedlich die Entwicklungen in den einzelnen Bereichen der Verbandstätigkeit sind. Während die Hausärzte und auch die ambulant operierenden Ärzte längst mit Modellen wie der „Teampraxis“ und Hausarztmodellen unterwegs sind, wo die Krankenkassen auch besondere Vergütungsvereinbarungen für die Weiterqualifikation des Fachpersonals – Stichwort „Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis – VERAH“ – finanzieren, ist das bei den Zahnärzten und Tierärzten noch komplett anders. Dazu kommen neue Berufsbilder wie Physician Assistent in der Medizin. Der Verband muss hier in seinen Referaten einen großen Spagat und eine große Bandbreite von Anforderungen bearbeiten und berücksichtigen, die nicht immer auf einer Schiene laufen. Hinzu kommt die Unkenntnis in der Politik, wer denn für was gerade in der Berufsausbildung zuständig ist, wie König aus ihrer Arbeit plastisch berichtete.
Wertschätzung und Wertschöpfung
„Hängen“ MFA, ZFA und ZT am Ende an den Geldtöpfen der gesetzlichen Krankenversicherung, kämpfen die TFA und die Tierärzte mit fehlenden anerkannten Qualifizierungsmöglichkeiten für einen fachlichen „Mittelbau“ und einem Sterben der regionalen Tierkliniken, was zu einer drastischen Gefährdung des Tierwohls führt. „Sie finden eher eine Tierärztin als eine qualifizierte TFA“, so Remien.
Für die niedergelassenen Fachärzte konstatierte Deindl, dass hier vonseiten des Bundesgesundheitsministers ganz offensichtlich kein Interesse bestehe, diese ambulante „Parallelschiene“ zu fördern. „Die Hausärzte kann er noch nicht abschaffen“, so Deindl. Er hob auch darauf ab, dass Wertschätzung und Wertschöpfung ganz eng zusammenhingen – in der Politik ebenso wie in der Praxis.
Die Zahntechnik dagegen bewegt sich auf der Ebene des Handwerks und der Gesundheitshandwerke, wo wieder andere politische Anforderungen und Aktionen laufen, auch was die Werbung für die Berufe angeht. Zudem sprächen Zahnarztpraxen und Dentallabore häufig eine ähnliche Zielgruppe an, wenn es um Ausbildung gehe.
„Wir müssen alle aufstehen“
Der Respekt vor den Leistungen des Verbands, der für alle diese besonderen Anforderungen Antworten und Netzwerke sucht, war bei allen Beteiligten deutlich spürbar und wurde vielfältig ausgedrückt. Zugleich zeigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbstbewusst. „Wir sind viele, ohne uns funktioniert es nicht. Wo sind wir, warum stehen wir nicht auf und schauen einfach zu? „Auch wir sind als Patienten betroffen“, wenn alles an die Wand gefahren wird, so Stephanie Schreiber, 2. Vorsitzende des VmF. „Wir müssen alle aufstehen, denn ohne uns geht es nicht.“
Dr. Marion Marschall, Berlin