Bevor wir uns mit dem Möglichkeits-Universum des Investments und des Vermögensaufbaus beschäftigen, geht der Blick auf die finanziellen „Zellen“. Damit ist der Bereich gemeint, der so alltäglich ist, dass wir ihm nicht unbedingt die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die er braucht: die persönlichen Einnahmen und Ausgaben. Denn sie haben was zu sagen.
Um die schlummernden Potenziale in unseren Finanzen kennenzulernen und den eigenen Umgang mit Geld zu verstehen, lohnt der Blick auf das private Konto. Geld ist ja nicht nur trockene Materie aus Plus und Minus, sondern eine ziemlich emotionale Angelegenheit. Unser Kontostand ist schlichtweg das Ergebnis unserer Entscheidungen – gute, schlechte, rationale, emotionale, funktionale, dysfunktionale, notwendige, unüberlegte, geplante, vorausschauende, kurzsichtige, zurückhaltende.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Sabine Nemec ist seit 2000 als Marketingberaterin für Zahnarztpraxen und Dentallabore sowie als Referentin zu den Themen Praxismarketing, Kommunikation, Körpersprache, Dental English und Finanzen tätig. Sie hat mehr als 17 Jahre in Südostasien gelebt und ist englischsprachig aufgewachsen. Seit 2022 macht sie mit dem Podcast „Dental English to go“ bei Quintessenz Zahnärztinnen, Zahnärzte und Praxisteams fit für die Kommunikation auf Englisch – ergänzend zu ihrem Buch, das ebenfalls bei Quintessenz erscheinen ist. Mit ihrer Agentur Nemec+Team unterstützt sie Arzt- und Zahnarztpraxen bei Marketing und Werbung. Eines ihrer Herzensanliegen ist es, Frauen Kompetenz und Know-how rund um das Thema Finanzen zu vermitteln. In einer Serie auf Quintessence News bereitet sie speziell für Frauen aus der Dentalwelt Themen rund um Geld, Altersversorgung und Anlage auf.
Was bedeutet uns Geld?
Unsere Gedanken und unser Handeln bestimmen unser Leben genauso wie unsere finanzielle Situation. Jemand, der am Monatsende häufig im Dispo ist, hat möglicherweise einen zu lockeren Umgang mit Geld oder es fehlt der Überblick. Jemand, der große Summen auf dem Konto liegen lässt, statt es in ETFs oder Aktien anzulegen, hat vielleicht Ängste vor dem Investieren oder zu wenig Wissen, was man damit alles machen kann. Jemand, der einen Kredit aufnimmt, um den Urlaub zu bezahlen, hat eventuell zu wenig Kontrolle über seine Finanzen oder die „falschen“ Prioritäten. Jemand, der sich ständig beklagt, dass man „kein Geld hat“, hat seine Einnahmen und Ausgaben nicht richtig im Blick bzw. einen blinden Fleck. So könnten wir munter weitermachen – aber es läuft immer auf eines hinaus: Was bedeutet uns Geld? Wie ist es für uns aufgeladen?
„Going Down the Rabbit Hole“
Hier passt nun vortrefflich ein Zitat von William Shakespeare: „There is nothing either good or bad, but thinking makes it so“ – es gibt weder gut noch schlecht, sondern das Denken macht es so. Geld ist bedrucktes Papier, es ist ein Tauschmittel. Es kann uns erdrücken oder ein Buch mit sieben Siegeln sein, oder es kann kraftvoll sein und Freiheit bedeuten. Geld ist das, was wir darüber denken und was wir daraus machen. Wenn wir unsere Gedanken über Geld verändern, ändern sich automatisch auch unsere Gefühle zu Geld. Folglich ändern sich unsere Handlungen. Oder auch nicht. Denn nicht jede/jeder geht den eigenen Verhaltensweisen und Einstellungen gerne auf den Grund, also in den eigenen Kaninchenbau ...
Unsichere Posten statt guter Absicherung
Ein Beispiel: Eine inzwischen 50-jährige Frau hatte nach Elternzeit und einem längeren Fokus auf die Kindererziehung sich in Teilzeit anstellen lassen. Ihr geht es im Wesentlichen um die gesetzliche Rente als Absicherung. Sie verlässt sich also auf die kleine Rente vom Staat. Mehr wird es nicht, denn mit einem Teilzeitjob werden keine üppigen Beiträge in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt, was die Rente klein halten wird. Und bis sie in den Ruhestand geht, wird die Inflation den Wert der Rente weiter verkleinern.
Als weitere Altersvorsorge verlässt sie sich noch auf das zu erbende kleine Einfamilienhaus ihrer Eltern (Baujahr 1900). In das Haus wird nicht zuletzt nach den Vorhaben der aktuellen Bundesregierung noch ordentlich investiert werden müssen; im besten Fall ohne Streitigkeiten mit den Geschwistern. Und sie verlässt sich auf ihren Mann, der in einer internationalen Firma einen guten Job hat und eine höhere gesetzliche Rente und gute Betriebsrente beziehen wird – vorausgesetzt, die Ehe bleibt bestehen. Die möglichen Risiken – Scheidung, Krankheit oder früher Tod des Partners (üppige Hinterbliebenenrenten gehören der Vergangenheit an) – werden ausgeblendet.
Typisch: Verantwortung lieber an andere abgeben
Fazit: Sie hat die Verantwortung für ihre Altersvorsorge abgegeben und macht genau das, was man öfter beim Thema Frauen und Finanzen antrifft: Sie überlässt die finanziellen Angelegenheiten komplett dem Partner oder anderen. Da der Mann für die Lebenshaltungskosten aufkommt, „investiert“ sie ihr Gehalt in Mode, Kosmetik, Reisen, Abende mit den Mädels und Dekorations-Schnickschnack fürs Zuhause.
Bei so einer Vorsorge-Biographie kann man so richtig in Wallung kommen – und das hat nichts mit fehlender Romantik oder erschüttertem Glauben an die Ehe zu tun. Sondern mit der harten, ehrlichen Realität. Deshalb lohnt ein Moment der Reflektion und ein Blick auf das eigene Konto, auf die Einnahmen und Ausgaben, um eine erste Bilanz zu ziehen: Wie sieht es bei Ihnen aus?
Im nächsten Beitrag schauen wir uns an, wie eine zielführende Struktur für unsere Finanzen aussehen kann. Bleiben Sie reflektiert!
Sabine Nemec, Langenselbold
Finanzfitness für Frauen – die Serie
Teil 1: „‚Vermögensaufbau‘ statt Altersvorsorge“
Teil 2: Die „Rubik‘s Cubes“ des Vermögensaufbaus
Interview mit Sabine Nemec: „Herzensangelegenheit, dass Frauen selbstbestimmt in Sachen Finanzen sind“