Noch immer ist der beste Anwalt bekanntlich der, den man nicht braucht. Aber die Umwälzungen, die gerade den deutschen Gesundheitsmarkt und besonders den Dentalmarkt bewegen, machen juristischen Rat aktuell an vielen Stellen wertvoll. Korruption, Qualität und die Veränderungen in der dentalen Welt stellte die Kanzlei für Wirtschaft und Medizin kwm in Münster in den Mittelpunkt eines eintägigen Workshops.
Gezielt zunächst die Industrie adressiert
„Wir haben zu unserem ersten Workshop bewusst nur die Industrie eingeladen, um ins Gespräch zu kommen und eine Austauschatmosphäre herzustellen“, erläuterte RA Dr. Karl-Heinz Schnieder den Teilnehmern. „Unser Umgang mit Dentallaboratorien, Zahnmedizinern sowie mit Handel und Industrie hat uns auf die Idee gebracht, eine solche Plattform zu installieren.“ Die positive Resonanz der Teilnehmer dürfte die bundesweit tätige Kanzlei bestärken, einen solchen fachlichen Exkurs in größerem Rahmen zu wiederholen.
Themenvielfalt mit rechtlicher Relevanz
Ein durchaus weites Themen-Spektrum stand auf der Tagesordnung: Von der Qualität als Garant für langfristigen Erfolg in der Implantologie über das Anti-Korruptionsgesetz, verunreinigte Implantate und Herstellerhaftung bei fehlerhaften Implantaten bis hin zur Frage, was zu tun ist, wenn der Staatsanwalt vor der Tür steht, reichten die Kurz-Referate. Ein Highlight war dabei sicher der Blick auf Fremdinvestoren und Private Equity im Dentalmarkt.
Investoren drängen auf den deutschen Dentalmarkt
„Nordeuropäer, Amerikaner, Araber und Chinesen - alle sind unterwegs, um auf dem deutschen Dentalmarkt zu investieren“, leitete Schnieder dieses Thema ein. „Ich selbst bin ein glühender Verfechter der freiberuflichen ambulanten Versorgung.“ Aber bei den Zulassungen habe sich das Bild in 20 Jahren komplett gedreht. Früher hätten neun von zehn Anwärtern die Freiberuflichkeit gewählt, heute strebten diese ein Angestelltenverhältnis an. Deshalb fänden viele Praxen keinen Nachfolger, speziell bei großen Praxen sei das schwierig. Wie sich die Situation verändert hat, erläuterte Schnieder in seinem auch durchaus unterhaltsamen Referat zum Thema „Der zahnmedizinische Gesundheitsmarkt im Wandel – Von der Generation Y bis hin zu den neuen ‚Playern‘ an Dentalmarkt“.
Konzepte mit Werthaltigkeit
Die Kanzlei kwm hat daher mit dem Investor Investcorp., London, ein Konzept erarbeitet, das auf Werthaltigkeit setze. Schnieder: „Die Mitarbeiter müssen sich wohlfühlen. Deshalb darf ein Investor auch nicht auf megaschnelles Wachstum setzen.“ Arne Uekötter, Vertreter der Firma Investcorp., umriss in seinem Vortrag das Thema Private Equity im deutschen Dentalmarkt.
Biologie und Modeerscheinungen in der Implantologie
Eröffnet wurden die Referate durch Prof. Dr. Fouad Khoury, Privatzahnklinik Schloss Schellenstein. Er nannte viele Aspekte, die der angestrebten „Qualität als Garant für den langfristigen Erfolg in der Implantologie“ im Behandlungsalltag entgegenstehen. Er betonte mehrfach, wie wichtig es ist, die Biologie in entsprechende Behandlungspläne einzubeziehen, und zeigte teils erschreckende Beispiele, wo dies nicht geschieht. „Man kann in unserem Beruf nicht nur als Techniker arbeiten, man muss biologisch planen und agieren.“
Fehlinformationen zu Indikationen
Khoury kritisierte unter anderem die „Modeerscheinung“ der kurzen oder schmalen Implantate, deren Anwendungsbereich jedoch – teils auch schon durch entsprechende Hinweise auf der Verpackung – im Frontzahnbereich liege und die dennoch etwa bei den Molaren eingesetzt würden, obwohl es offensichtlich sei, dass sie dafür die statischen Voraussetzungen gar nicht erfüllen. „Es gibt Methoden, da liegt die Erfolgschance nicht mal bei einem Prozent.“ – Wer so etwas dennoch anwende, gehöre vor den Kadi und ins Gefängnis. „Solchen Leuten muss man die Approbation entziehen, das ist Körperverletzung!“
„Destructions made by dentists“
Entsprechend erschreckend waren seine Beispiele für DMD – „Destructions made by dentists“. So zeigte er den Fall einer 20-Jährigen, die drei Zähne im Frontbereich verloren und entsprechenden Knochenschwund hatte, weil anfangs nicht einfach eine Wurzelbehandlung gemacht worden sei. Aber auch Industriewerbung kam an den Pranger. „Neuer Knochen in zwölf Wochen“ sei so ein Werbeversprechen, das für die Augmentation verwendet werde. So etwas sei unmöglich. Und auch für Periimplantitis zeichne sich aktuell keine Lösung ab, der klinische Fortschritt hier liege bei Null. Erfolgsquoten von nur 90 Prozent bei Implantaten seien aber heute nicht mehr zu akzeptieren. Er selbst arbeite mit einer Verlustrate von unter 0,5 Prozent.
Große Grauzone beim Antikorruptionsgesetz
Das Antikorruptionsgesetz bereite zwar den Anwälten viel Freude, hier gebe es aber eine große Grauzone. „Ein Referent kann heute nicht mal mehr einen Kugelschreiber liegen lassen, ohne sich Sorgen machen zu müssen“, so Schnieder. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet fasste RA Dr. Sebastian Berg zusammen und ging dezidiert auf die Paragrafen 299a ff. Strafgesetzbuch (StGB) ein. Er riet zusammenfassend dazu, immer auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung zu achten. Insbesondere dürften keine Zuwendungen für bestimmte Verordnungen oder Therapien verlangt werden. Dass ein Zahnarzt beim Kauf von Implantaten OP-Material kostenlos dazu erhalte, sei nicht zu beanstanden, ein Tabletrechner als Geschenk dagegen schon. Der Zahnarzt müsse jedoch stets darauf achten, alle erhaltenen Rabatte auch an den Patienten weiterzugeben, um nicht den Verdacht eines unzulässigen Vorteils zu begründen.
Gefahren durch verunreinigte Implantate
„Spreu und Weizen – Welche Gefahren bergen verunreinigte Implantate, welche Chancen öffnen sich für Qualitätshersteller?“ Referent Dr. Dirk Duddeck von der Clean Implant Foundation hat mit diesem Thema der Verschmutzungen von Dentalimplantaten eine Lebensaufgabe gefunden. Was er unter dem Rasterelektronenmikroskop teilweise entdeckt, wirft viele Fragen auf. Implantate, die mit Eisen, Chrom oder Nickel belastet seien, könnten auch für frühe Periimplantitiden oder Knochenverlust verantwortlich sein. Die Zahl der Unternehmen, die qualitativ zu bemängelnde Implantate auf den Markt brächten, habe in jüngster Zeit eher zugenommen. Seit 2015 nehme die Zahl verunreinigter Implantate insgesamt aber ab. Duddeck muss sich mit seinen Ergebnissen teils große Anfeindungen gefallen lassen, zumal weder das CE- noch das FDA-Siegel Garanten für wirklich saubere Implantate seien.
Wenn der Staatsanwalt kommt …
Wenn der Staatsanwalt vor der Tür steht – etwa um eine Durchsuchung vorzunehmen – gelte als erster Rat: Den Mund halten. RA Dr. Ingo Minoggio, Experte für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, gab eine kurze Einführung in ein sehr spezielles Metier. Oft redeten sich die Leute um Kopf und Kragen, weil sie sich im Recht wähnten und mit entsprechenden Erläuterungen hofften, das Verfahren für sich zu beeinflussen. „Ruhig bleiben, sich Hilfe holen und auch gegenüber den Mitarbeitern Gelassenheit ausstrahlen“, sei das Beste, was man in einem solchen Fall tun könne. Oft sei die Unsicherheit größer, als es der Anlass eigentlich hergebe. Von 5.000 Ermittlungsverfahren, die Hälfte davon mit Durchsuchungen, kämen statistisch nur ein oder zwei vor Gericht.
Herstellerhaftung für Implantate
Das spezielle Feld der Herstellerhaftung für fehlerhafte Implantate stellte RA Dr. Tobias Witte vor. Dabei ging er besonders auf das Haftungsdreieck zwischen Hersteller, Zahnarzt und Patient ein. Der Hinweis, dass die gesetzliche Gewährleistung nur zwei Jahre gelte, war nur einer von vielen nützlichen, die den Teilnehmern auch auf ihre speziellen Nachfragen erläutert wurden.
Positive Resonanz der Teilnehmer
„Mir hat dieser Workshop sehr gut gefallen, besonders der Austausch auch mit anderen Implantatherstellern. Positiv war auch die große Bandbreite an relevanten Themen, zu denen man sonst nur schwer verlässliche Informationen bekommt“, fasste Dr. Martin Chares, CTO der Swiss Dental Solutions AG, seine Eindrücke zusammen.
„Der Workshop hat veranschaulicht, in welchen Zwangsjacken wir zum Teil stecken. Mich hat die große Bandbreite an Themen, das Eingehen auf die Veränderung der Märkte sowie die Darstellung der rechtlichen Voraussetzungen für uns Hersteller, einschließlich des Haftungsgeschehens, und speziell die Ausführungen im Hinblick auf das Anti-Korruptionsgesetz sehr überzeugt“, stellte Wolfgang Bublies, Leiter Vertrieb und Business BEGO Implant Systems, klar. Einhelliger Tenor: Fortsetzung erwünscht.
Markus Brakel, Mettmann