Die Corona-Pandemie geht dem Ende entgegen, aus einer Pandemie wird eine nach Ansicht vieler Experten eine endemische Lage. Damit wird das Virus zwar weiterhin Infektionen verursachen, jedoch nicht mehr im Sinne einer weltumspannenden Krise. Markus Otto, seit 2016 Director Sales Management & Technical Service bei der J. Morita Europe GmbH, berichtet im Interview, warum der japanische Hersteller medizinisch-technischer Systeme trotz der Beschränkungen durch die Pandemie seit 2020 wachsen konnte, und wie man Krisen kreativ nutzt, um sich für die Zukunft gut aufzustellen.
Herr Otto, die Pandemie scheint überwunden, nun bremsen uns Energiekrise und Ukraine-Krieg aus. Welche Folgen hat das speziell für Morita?
Markus Otto: Die internationalen Konflikte und globalen Krisen betreffen uns alle. Morita ist ein japanisches Unternehmen und fertigt seine Produkte ausschließlich in Japan. Als europäische Tochter sind wir vor allem von den gestiegenen Transportkosten betroffen. Die gute Nachricht ist aber: Wir konnten den Warentransport, wo es möglich ist, von der teuren Luft- auf die günstigere Seefracht umstellen. Außerdem haben wir unsere Lager rechtzeitig gefüllt, sodass wir jederzeit voll lieferfähig sind.
War die Pandemie für das Unternehmen eine Krisenzeit?
Otto: Die Corona-Pandemie hat alle Menschen weltweit betroffen und viele Unternehmen und Existenzen hart getroffen. Fast sieben Millionen Coronatote weltweit sprechen eine deutliche Sprache. 2020 mussten wir alle erst einmal lernen, mit der Situation und dieser neuen Gefahr umzugehen.
Allerdings sagt man ja, dass Krisen immer auch ein großes Potenzial für Innovationen bergen. So haben wir es bei Morita gesehen und kreativ genutzt. In unseren Geschäftszahlen können wir ablesen, dass wir mit diesem Kurs erfolgreich waren: Trotz der Pandemie war das Geschäftsjahr 2021 mit einem mehr als zweistelligen Wachstum das erfolgreichste in der Geschichte der J. Morita Europe GmbH.
Wie sieht Ihr Erfolgsrezept genau aus?
Otto: Zunächst einmal entwickeln und fertigen wir sehr gute Produkte, und das haben wir auch während der Pandemie getan. Das ist die Grundlage für den Erfolg von Morita. Darüber hinaus würde ich unseren speziellen Krisenmodus wie folgt auf einen Nenner bringen: Wir sind schnell, wir sind kreativ und wir sind eine Familie. Mit Beginn der Pandemie haben wir alle Maßnahmen sofort und effizient umgesetzt, um unsere Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner bestmöglich zu schützen. Gleichzeitig haben wir eine Infrastruktur geschaffen, um auch im Lockdown den engen Kontakt intern und nach Draußen zu halten.
Virtuelle Teams über größere Distanzen sind technisch gesehen für ein internationales Unternehmen wie Morita mit weltweit operierenden Gesellschaften nicht wirklich ein Problem. Allerdings können Teams, deren Mitarbeiter alle separiert im Homeoffice arbeiten, Schaden nehmen, wenn es keinen inneren Zusammenhalt gibt wie bei uns. Dazu gehört auch, dass man eine sichere Perspektive und Zukunft im Unternehmen bietet. Bei Morita haben wir daher einen Rettungsschirm geschaffen, der uns Stand-by zur Verfügung stand, aber glücklicherweise bis heute nicht aufgespannt werden musste.
Welche Herausforderungen gab es in dieser Zeit?
Otto: Unsere größte Herausforderung war eine ganz analoge, nämlich ein Umzug in Zeiten des Abstandsgebots. Die Räumlichkeiten im Europa-Headquarter in Dietzenbach waren im Laufe der Jahre zu klein geworden, so dass wir bereits 2019 ein neues Gebäude umbauen ließen. Mitten in der Pandemie – im Juni 2020 – sollten wir dann die komplette Firma umziehen, und zwar mit allen Büros, Lager und Showroom.
Wie kriegt man so etwas logistisch hin, wenn sich die Mitarbeiter möglichst nicht begegnen sollen?
Otto: Dem ging eine wirklich ausgeklügelte Planung voraus, weil wir dafür sorgen mussten, dass die Mitarbeitenden versetzt voneinander in die Firma kommen konnten, zum Beispiel um ihr Umzugsgut vorzubereiten. Während des Umzugs hatten wir dann von jeder Abteilung eine Aufsichtsperson vor Ort, die darauf geachtet hat, dass die Spedition alles an den richtigen Platz befördert. Auch dieses Projekt konnten wir dank dem wunderbaren Teamspirit in der Morita-Familie im Zeitplan erfolgreich abschließen.
Und wie haben Sie während der Pandemie den Kontakt zu Ihren Kunden gehalten?
Otto: Nach dem erfolgten Umzug hatten wir einen neuen, sehr schönen Showroom, konnten aber keine Kunden einladen, schon gar nicht eine Eröffnungsparty steigen lassen. Daher haben wir kurzerhand die Kampagne „Time for Morita“ ins Leben gerufen und neue Veranstaltungsformate kreiert. Zum einen waren das Kleinstformate mit einer Handvoll Kunden oder Einzelpersonen vor Ort unter dem Motto „Meet us @Home“, also in unserem neuen Showroom.
Zum anderen haben wir Online-Formate angeboten wie die Produktberatung via Screen, aber live aus unserem Showroom. Auch unser Fortbildungsprogramm in der Academy wurde auf den „digitalen Dialog“ umgestellt. Einige dieser Veranstaltungen sind besonders attraktiv, weil sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, zum Beispiel die Online-Wein- oder Teeprobe, mit einem spannenden Vortrag.
Was genau macht denn die „Morita-Familie“ aus, mit der das Unternehmen offenbar gut durch alle Wetter segelt?
Otto: Morita ist ein japanisches, familiengeführtes Traditionsunternehmen, das von einer sehr starken Wertekultur geprägt ist. Der Kunde steht selbstverständlich immer im Mittelpunkt – genau dort stehen aber auch unsere Mitarbeiter. Den Erfolg dieser Wertekultur können Sie auch ablesen an unserer niedrigen Fluktuation im Unternehmen. Unsere Mitarbeitenden haben sehr lange Karrieren bei uns.
Zu den sieben festgeschriebenen Hauptwerten gehören an erster Stelle das menschliche Handeln, das Vertrauen schafft, sowie das beständige Lernen und die Anpassungsfähigkeit, die dazu beitragen, Entwicklung und Wachstum zu ermöglichen. Letztlich geht es immer um das Vertrauen der Menschen – das der Mitarbeitenden und das der Kunden und Geschäftspartner.
Wichtig ist aber, dass wir bei der J. Morita Europe GmbH den japanischen Wertekanon um unsere eigenen europäischen Grundsätze ergänzen. Diese Anreicherung unserer Werte erarbeiten wir gemeinsam im Team, nur so sind sie auch lebendig. Und damit besteht unser Erfolgsrezept aus diesen feinen Zutaten: Respekt, Ehrlichkeit, Natürlichkeit, Fairness, Verantwortung, Hilfsbereitschaft, Selbstkritik und Teamwork. Diese Werte werden beständig reflektiert und immer wieder in gemeinsamen Workshops neu erarbeitet.
Als japanisches Unternehmen agiert Morita auf allen Weltmärkten. Wie schafft es das Unternehmen, trotz der kulturellen Unterschiede weltweit erfolgreich zu sein?
Otto: Unser Ziel ist es, international zu wachsen. Das haben wir sehr gut erfüllt und freuen uns in den Märkten Europa, Amerika und Australien-Pazifik über zweistellige Wachstumsraten im Geschäftsjahr 2021. An diesen Erfolg wollen wir trotz der aktuellen Herausforderungen anknüpfen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Präsenz vor Ort mit eigenen Handelsorganisationen.
Um ein Bewusstsein für die jeweils fremde Kultur und die Bedürfnisse der Kunden aus anderen Märkten zu schaffen, hat Morita seit langem ein Expatriate-System implementiert, das den zeitweisen internationalen Austausch der Mitarbeitenden umsetzt. So kommt Marktwissen aus dem Ausland zurück nach Japan und von Japan in den Rest der Welt. In unserer europäischen Zentrale in Dietzenbach arbeiten wir regelmäßig mit drei, vier japanischen Kolleginnen und Kollegen zusammen.
Welche Maßnahmen und neuen Formate aus der Pandemie-Zeit bleiben auch künftig erhalten? Was sind die Zukunftsprojekte?
Otto: Wir wollen keinesfalls wieder in den Status vor der Pandemie zurückkehren, sondern die positiven Entwicklungen und Veränderungen weiterentwickeln und beibehalten. Das gilt zum Beispiel für unseren Umgang mit dem Thema Homeoffice. Während wir vor der Pandemie etwas krampfhaft versucht haben, das Recht auf Homeoffice im Sinne der Gleichberechtigung für alle zu regeln, hat sich das nach der Pandemie wie von selbst gefügt. Jeder arbeitet heute so, wie es am besten zu seinem Job passt. Im Lager, in der Auftragsabwicklung oder im Frontoffice ist die Präsenz notwendig. Im Backoffice sind die Mitarbeitenden froh, wenn sie zwei oder drei Tage pro Woche im Homeoffice sein können, sie freuen sich dann aber auch, ihre Kolleginnen und Kollegen zu treffen. Hier ist das gegenseitige Verständnis gewachsen.
Ähnlich ist es auch mit den Auswärtsterminen. Wir freuen uns derzeit wirklich sehr über die Präsenzveranstaltungen, die nun wieder stattfinden. Der Austausch mit unseren Kunden direkt auf dem Messestand oder im Showroom kann eben nicht komplett durch Online-Termine ersetzt werden. Andererseits wissen wir mittlerweile auch, dass wir nicht zu allen Meetings und Veranstaltungen durch die Welt fliegen müssen. Daher behalten wir die erfolgreichen digitalen Formate definitiv komplementär zu unseren Präsenzveranstaltungen bei.
Ein weiteres Thema ist der Webshop, den wir während der Pandemie ausgebaut haben. Er beinhaltet nun, neben dem Zubehör und den Ersatzteilen, auch unser Instrumentenportfolio und wird – wo es sinnvoll ist – weitere Produktsegmente anbieten. Die Investitionsgüter, zum Beispiel die Behandlungseinheiten oder Röntgensysteme, sehen wir nach wie vor nicht im Online-Handel.
Die Internationale Dental-Schau IDS 2023 steht vor der Tür. Was erwarten Sie von der Branchenleitmesse?
Otto: Wir erwarten, dass die IDS 2023 wieder an das frühere Niveau vor der Pandemie anschließen kann. Unser Ziel ist, dass sie für Morita mindestens so erfolgreich wird wie 2019. Daher sind wir auch in voller Präsenz und gewohnter Größe in Köln wieder mit dabei und haben alle Vorkehrungen getroffen, um unser ambitioniertes Ziel zu erreichen.
Die Fachtagungen und Konferenzen der vergangenen Wochen jedenfalls stimmen uns optimistisch. Sie haben uns gezeigt, wie wichtig der persönliche Austausch ist und wie sehr er vermisst wurde.
Allerdings sind die aktuellen Flugpreise sehr hoch, so dass wir gespannt sind, wie viele internationalen Besucher sich auf der IDS einfinden werden. In jedem Falle wünschen wir uns für 2023 schöne Veranstaltungen und einen regen Austausch mit unseren Kunden. Die Einladung an alle Kunden gilt: Meet us@Home und herzlich willkommen bei Morita auf der IDS.
Über Morita
Die Morita-Gruppe zählt zu den bedeutendsten Herstellern von medizinisch- technischen Produkten. Das japanische Traditionsunternehmen mit Vertriebsgesellschaften in Europa, USA, Brasilien, Australien und Afrika weist ein breites Sortiment auf. Führend in der Röntgendiagnostik und der Endodontie bietet das Produktportfolio leistungsstarke bildgebende Systeme bis hin zur 3-D-Volumentomographie, Behandlungseinheiten, Laser, Turbinen, Hand- und Winkelstücke, Instrumente sowie endodontische Mess- und Präparationssysteme. Mit ausgeprägtem Qualitätsdenken und kontinuierlicher Forschung orientieren sich weltweit mehr als 2.000 Mitarbeiter an den Bedürfnissen von Anwendern und Ärzten. So lebt der Geist von Junichi Morita weiter, der das Unternehmen im Jahr 1916 gründete. Morita befindet sich mittlerweile in dritter Generation in Familienbesitz unter Leitung von Haruo Morita.