Herunterfahren ja, komplett verbieten nein. Diese Position vertreten nicht nur Bundeszahnärztekammer, Kassenzahnärzte und Freier Verband Deutscher Zahnärzte. Wenngleich 2019 die Bundesregierung dafür plädiert hat, den Einsatz von Quecksilberamalgam weiter zu ermöglichen, verkündet die EU-Kommission nun, dieses von 2025 an verbieten zu wollen.
„Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die FDI als Sprecher aller nationalen Zahnärzteorganisationen unterstützen wir ausdrücklich ein Herunterfahren der Verwendung von Amalgam“, sagt Dr. Frank Wuchold, im Bundesvorstand des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) für Zukunftsfragen der Berufsausübung zuständig. „Doch ein Verbot würde die zahnärztlichen Therapiemöglichkeiten zukünftig wesentlich beeinträchtigen.“
Zahnmedizinische Gründe pro Amalgam
Vonseiten der Bundeszahnärztekammer heißt es, man kritisiere diesen voreiligen Vorstoß und fordere Korrekturen. „Aus zahnmedizinischer Sicht sprechen zahlreiche Gründe für die Beibehaltung von Amalgam als Füllungsmaterial: Das im Amalgam enthaltene Quecksilber geht mit Silber, Zinn und Kupfer eine feste intermetallische Verbindung ein und liegt daher nur in gebundener, nicht umweltschädlicher Form vor. Das Material ist langlebiger als andere Füllungswerkstoffe, zudem gibt es im mechanischen Verhalten Vorteile. Die alternativ zur Verfügung stehenden Werkstoffe können nicht alle Indikationen von Amalgamfüllungen abdecken“, so die Argumentation der BZÄK.
Vulnerable Patientengruppen besonders betroffen
Laut FVDZ wären wären insbesondere vulnerable Gruppen wie Pflegebedürftige und Patientinnen und Patienten mit Behinderungen betroffen, die oftmals keine hinreichende Zahnpflege betreiben könnten und bei denen Kompositfüllungen eine wesentlich geringere Lebensdauer hätten, aber auch Patienten mit einem stark reduzierten Speichelfluss. „Solange keine zuverlässige, weitgehend nebenwirkungsfreie und ebenso kostengünstige Alternative zum Quecksilberamalgam in der EU zugelassen wird, sollte es trotz rückläufigem Einsatz des Materials kein grundsätzliches Verbot geben. Kunststoffe sind, anders als dies die EU-Kommission jetzt feststellt, keineswegs immer eine adäquate Alternative“, betont Wuchold.
Die BZÄK weist auf eine weitere Komponente hin: „Außerdem hätte ein generelles Amalgamverbot auch soziale Folgen: Alle verfügbaren Alternativmaterialien sind erheblich teurer.“ Was den Umweltaspekt angeht, verweist sie auf die Amalgamabscheider: „Darüber hinaus garantieren die Amalgamabscheider mittlerweile europaweit eine umweltverträgliche Nutzung des Werkstoffs.“ Schließlich werde Amalgam noch in vielen EU-Mitgliedstaaten in signifikantem Maße genutzt. Ein Verbot hätte hier deutliche Auswirkungen auf die zahnmedizinische Versorgung.
Multicenter-Studie zu Füllungsmaterialien gefordert
Die Vertreterversammlung der KZBV hat sich bereits mehrfach für den Erhalt von Amalgam als preisgünstigem und zuverlässigem Füllungsmaterial ausgesprochen, zumal mögliche Alternativen wie Komposite, Kompomere oder Glasionomerzemente teurer, aufwenidger und sensibler in der Verarbeitung und/oder nicht so langzeitstabil seien. Die KZBV-VV hatte in München im November 2022 die Bundesregierung aufgefordert sich, für einen weiter Erhalt von Amalgam einzusetzen. Auch sollte zeitnah eine Multicenter-Studie finanziert werden, um alternative Füllungsmaterialien zu bewerten.
Zahl der Füllungen ingesamt rückläufig
Der FVDZ weist darauf hin, dass sich die Zahl aller Füllungen hat sich seit den 90er-Jahren fast halbiert. Der Anteil an Amalgam-Füllungen lag 2019 bei unter 10 Prozent, sodass 2030 nur noch ein Prozent Amalgam als Füllmaterial verwendet werden könnte. „Für die Umweltbelastung spielt eine derart geringe Amalgam-Verwendung keine Rolle, eher die Entfernung bestehender Amalgam-Füllungen“, sagt Wuchold. Deshalb seien die Vorkehrungen zum sicheren Umgang mit Quecksilberamalgam bei der Entsorgung gemäß der seit 2017 gültigen EU-Verordnung in Deutschland zu 100 Prozent umgesetzt worden.