Oft werden Einsparungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung dadurch nicht erreicht, dass der Zahnarzt viel zu pauschal oder zu schlampig vorträgt. Das liegt aber oft nur daran, dass ihm nicht klar ist beziehungsweise klar gemacht wird, dass er zur Begründung von Praxisbesonderheiten oftmals eine Fleißarbeit leisten muss. Es genügt eben nicht, bestehende Besonderheiten in der Praxis nur zu behaupten oder pauschal darzustellen, oder auch nur Listen ohne nähere Kommentare einzureichen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zeigt im Urteil vom 12. Dezember 2018 (Az.: L 11 KA 17/16) hier den richtigen Weg auf.
In dem entschiedenen Fall geht es um die bekannte Frage, ob der Zahnarzt Kürzungen wegen übermäßig vieler mehrflächiger Füllungen dadurch entgegentreten kann, dass er kompensatorische Einsparungen durch eine besonders geringe Anzahl zum Beispiel an Einzelkronen vorträgt. Der Grundgedanke ist klar: Viele Patienten wollen keine Eigenanteile zahlen und „überreden“ den Zahnarzt, es doch noch einmal mit einer drei- oder vierflächigen Füllung zu versuchen. Dann kommt natürlich schnell der Gedanke auf, dass man in diesem und in gleichgelagerten Fällen der Solidargemeinschaft eine Krone „erspart“.
Substantiieren und Amtsermittlungspflicht
So einfach geht es aber nicht. Zunächst: Es obliegt dem Zahnarzt, die Voraussetzungen einer Praxisbesonderheit so genau und umfassend vorzutragen, dass sich das Prüfgremium danach in der Lage sieht, eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen. Juristen nennen das „substantiieren“. Natürlich hat das Prüfgremium auch eine Amtsermittlungspflicht. Beides, die Pflicht zum Substantiieren und die Amtsermittlungspflicht, gehen fließend ineinander über. Es steht aber fest, dass der Zahnarzt die ihm möglichen Informationen zum konkreten Behandlungsfall, auf den er sich berufen will, vortragen muss.
Zurück zum Ausgangsproblem: Im entschiedenen Fall hat es sich der Zahnarzt nicht nur einfach gemacht, sondern den Prüfgremien genau das falsche vorgetragen. Folgendes hat er dem Prüfgremium geschrieben: „Wenn die Möglichkeit vorhanden ist, einen Zahn noch mit einer Füllung zu erhalten, um die Erhaltung des Zahnes mit einer Krone hinausschieben zu können, ist mit den heutigen Mitteln selbst für umfangreich geschädigte Zähne häufig noch eine Füllungstherapie möglich, was ich dann auch versuche. Ich stelle die Indikation für Einzelzahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng, da bekannt ist, dass die Versorgung mit Zahnkronen wirtschaftlich teurer ist als die Therapie eines Zahnes mit Füllung. Hier richtet sich meine Praxis aus an den Behandlungsrichtlinien.“
Auf die richtige Begründung kommt es an
Mit anderen Worten hat der Zahnarzt klar vorgetragen, dass eine Indikation für die Füllungstherapie, (noch) nicht aber für eine Krone existierte. Kompensatorische Einsparungen, und nur darum ging es hier, setzen aber voraus, dass die eingesparte Leistung ebenfalls indiziert wäre. Der Zahnarzt muss deshalb unter Beschreibung der konkreten Fälle dartun, dass sich für beide Leistungen – also sowohl für die mehrflächige Füllung als auch für die Krone – eine Indikation ergeben hätte. Der Sachvortrag ist nur dann sinnvoll, wenn es sich um zahnmedizinisch sich überschneidende Indikationen handelt.
Sich überschneidende Indikationen als Zweifelsfälle anerkannt
Erfreulicherweise hat das LSG in seiner Entscheidung ausgesprochen, dass dem Senat derartige Zweifelsfälle bekannt sind. Das ist deshalb positiv, weil viele Prüfgremien immer wieder behaupten, es gebe solche Überschneidungen nicht.
Aufgabe des Zahnarztes ist es somit, mittels einer Liste oder Excel-Tabelle die Fälle darzustellen, in denen sowohl die mehrflächige Füllung als auch die Krone indiziert gewesen wäre. Im Gerichtsverfahren hat er dann die Möglichkeit, einen Beweisantrag (Einholung eines Sachverständigengutachtens) zu stellen. Geht das Gericht dem nicht nach, würde das rechtliche Gehör des Zahnarztes verkürzt, mit den entsprechenden Konsequenzen.
Frank Ihde, Rechtsanwalt und Notar, Hannover
Frank Ihde, Rechtsanwalt und NotarRechtsanwalt und Notar Frank Ihde, Hannover (Jahrgang 1954), studierte Rechtswissenschaften in Berlin und Göttingen. Seit fast 25 Jahren ist er praktizierender Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Arzt- und Medizinrechtes. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt hat er jahrelange Erfahrung als Geschäftsführer des Berufsverbandes der Augenoptiker im Umgang mit Krankenkassen und auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechtes gesammelt. Seit 1996 hat er sich auf dem Gebiet des Zahnarztrechtes durch viele Publikationen und Seminare einen Namen gemacht. Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein sowie seit 2004 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. Die Notarbestellung erfolgte im Jahr 2002. Zum Mandantenstamm der Kanzlei Ihde&Coll zählen neben den Zahnärzten und Humanmedizinern auch verschiedene Kliniken. (Foto: Ihde)