Regelmäßig erhalten Ärzte und Zahnärzte Briefe von anderen Ärzten oder Krankenhäusern, in denen über den Gesundheitszustand ihrer Patienten und Therapievorschläge informiert wird. Der Zahnarzt ist dann verpflichtet, sicherzustellen, dass der Patient diese Informationen erhält. Dies wurde jetzt vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (AZ. VI ZR 285/17, Urteil vom 26. Juni 2018). Es ging dabei um die Haftung einer Hausärztin, der Fall ist aber auf Zahnärzte übertragbar.
Ein Patient suchte seine langjährige Hausärztin wegen Schmerzen im linken Bein auf. Diese überwies ihn an eine Fachärztin, später suchte er deswegen ein Krankenhaus auf. Von den weiteren Vorgängen erfuhr die Hausärztin meist nichts. Erst knapp ein halbes Jahr später erhielt sie einen Arztbrief des Krankenhauses, in dem von einem bösartigen Tumor des Patienten berichtet und eine Vorstellung in einer Universitätsklinik empfohlen wurde. Dem Arztbrief war nicht zu entnehmen, ob dieser an weitere Empfänger geschickt wurde. Die Hausärztin informierte den Patienten zunächst nicht über diesen Arztbrief.
Informationen erst mehr als ein Jahr später weitergegeben
Mehr als ein Jahr später, als der Patient die Hausärztin wegen eines anderen Problems aufsuchte, teilte ihm die Hausärztin den Inhalt des Arztbriefes mit. Daraufhin suchte der Patient eine Universitätsklinik auf, es folgten stationäre Aufenthalte und Operationen. Der Patient nahm die Hausärztin wegen der Unterlassung der Bekanntgabe der Informationen unter anderem auf Schmerzensgeld in Anspruch.
Unverzügliche Information erforderlich
Der BGH entschied, dass die Hausärztin den Patienten unverzüglich hätte informieren müssen. Zwar gehe durch die Überweisung an einen anderen Arzt oder ein Krankenhaus grundsätzlich die Verantwortung für die Behandlung auf diese über. Jedoch müsse der überweisende Arzt alle ihn erreichenden Informationen über die Behandlung an den Patienten weiterleiten.
Fehler eines anderen Arztes nicht hinnehmen
In dem Urteil ging der BGH noch einen Schritt weiter. In dem Urteil fordert der BGH, dass ein Arzt es nicht „sehenden Auges“ hinnehmen darf, wenn sein Patient durch Fehler eines anderen Arztes gefährdet wird. Mit anderen Worten: Hält ein Zahnarzt die Therapie eines anderen (Zahn-)Arztes, zum Beispiel des Kieferorthopäden oder des Implantologen, für falsch, muss er eingreifen. Kollegialerweise sollte er zunächst den anderen (Zahn-)Arzt ansprechen.
Kollegiale Ansprache, aber auch Info an den Patienten
Sofern er auch nach dieser Rücksprache weiter vermutet, dass dessen Therapie nicht vertretbar ist, muss er den Patienten informieren. Dies sollte allerdings mit dem nötigen Taktgefühl erfolgen und den Kollegen nicht herabsetzen. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, der Zahnarzt wolle mit seiner Kritik den Patienten einem Kollegen abwerben.
Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg
Dr. Wieland Schinnenburg studierte Zahnmedizin und Jura und war bis Ende 2017 als Zahnarzt in eigener Praxis in Schleswig-Holstein tätig. Parallel arbeitete er als Rechtsanwalt und Mediator in Hamburg und ist in diesem Bereich weiter aktiv. Schinnenburg ist FDP-Mitglied und war unter anderem Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit der Bundestagswahl 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied des Gesundheits- und des Rechtsausschusses und Drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Foto: Burgis Wehry/Schinnenburg