Die tägliche Vitamin-D-Einnahme könnte die Krebssterblichkeit um 12 Prozent reduzieren. Dies hatte kürzlich eine am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) durchgeführte Zusammenfassung aller aussagekräftigen klinischen Studien zu dieser Frage ergeben. Doch Kritiker befürchten gesundheitliche Nebenwirkungen durch die mit der Vitaminsupplementierung verbundenen erhöhten Kalziumwerte im Blut.
Erhöhter Kalziumspiegel führte nicht zu häufiger zu Atherosklerose oder Nierensteinen
Forschende aus dem DKFZ zeigten kürzlich: Die Einnahme von Vitamin D oder von Multivitamin-Präparaten ist zwar mit einem erhöhten Kalziumspiegeln verbunden. Doch die Personen mit höheren Kalziumwerten erkrankten nicht häufiger an Atherosklerose oder an Nierensteinen, den charakteristischen Folgen langfristig erhöhter Serum-Kalziumspiegel.
Krebspatienten besonders häufig von Vitamin-D-Mangel betroffen
Der Vitamin-D-Mangel ist weltweit verbreitet und kommt besonders häufig bei Krebspatienten vor. Über das Jahr gemittelt, liegen die Vitamin-D-Blutwerte bei rund 15 Prozent der deutschen Erwachsenen unter dem Schwellenwert für einen ausgeprägten Vitamin D-Mangel*.
Tägliche Einnahme in niedriger Dosierung
Nach derzeitiger Studienlage schützt eine Vitamin-D-Einnahme nicht davor, an Krebs zu erkranken, könnte aber die Wahrscheinlichkeit senken, an einer Krebserkrankung zu versterben. Die Voraussetzung dafür ist, dass das Vitamin täglich in niedriger Dosierung eingenommen wird.
Kritiker einer Vitamin-D-Supplementierung betonen potentielle Risiken einer Überdosierung mit dem Vitamin, besonders bei unkontrollierter Einnahme ohne ärztliche Verordnung. Im Mittelpunkt ihrer Befürchtungen steht die bekannteste Funktion des Vitamins, die Steigerung der Aufnahme von Kalzium aus dem Darm. Stark erhöhte Kalzium-Spiegel („Hyperkalzämie") könnten Nierensteine sowie auch Atherosklerose, umgangssprachlich auch als Arterienverkalkung bezeichnet, zur Folge haben.
Systematische Untersuchung zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen
Die DKFZ-Wissenschaftler Sha Sha, Ben Schöttker und Hermann Brenner untersuchten nun erstmals systematisch die Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Vitamin-D-Serumspiegeln und gesundheitlich relevanten Aspekten des Kalziumstoffwechsels. Die Forschenden konnten dazu auf die UK Biobank zugreifen, die Gesundheitsdaten von etwa einer halben Million Briten im Alter von 40 bis 69 Jahren enthält. Etwa vier von 100 Biobank-Teilnehmer berichteten, dass sie regelmäßig Vitamin-D-Präparate einnehmen und etwa 20 von 100 gaben an, täglich Multivitaminpräparate einzunehmen, die niedrig dosiertes Vitamin D enthalten.
Ein hoher Vitamin-D-Serumstatus** an sich war nicht mit erhöhten Blut-Kalziumwerten verbunden. Doch bei Einnahme von Vitamin-D- oder Multivitaminpräparaten beobachteten die Forschenden eine signifikant gesteigerte Wahrscheinlichkeit für eine Hyperkalzämie (46 beziehungsweise 11 Prozent). Aber: die Personen mit erhöhten Kalziumspiegeln erkrankten nicht häufiger an Atherosklerose oder an Nierensteinen.
Kein statistisch signifikanter Zusammenhang
Um herauszufinden, ob die Hyperkalzämie durch eine Überdosierung von Vitamin D verursacht worden sein könnte, verglichen die Forschenden die Verteilung der Vitamin-D-Spiegel unter den Nutzern von Vitamin-D-Präparaten mit und ohne Vorliegen einer Hyperkalzämie. Dabei kam kein statistisch signifikanter Zusammenhang mit den Blutkalziumspiegeln zutage. Das bedeutet, dass die Hyperkalzämie wahrscheinlich nicht durch die Einnahme der Vitaminpräparate ausgelöst wurde, sondern andere Ursachen, eventuell erbliche Faktoren, eine Rolle spielen.
Überdosierung erst ab einer Tagesdosis von 10.000 I.E.
„Aus den Studienergebnissen zeigen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten in der britischen Bevölkerung als sicher angesehen werden kann. Diese Ergebnisse sind auf Deutschland übertragbar. Das ist für uns nicht überraschend, zu einer Überdosierung von Vitamin D kommt es erst bei Einnahme von extrem hohen Dosen über eine längere Zeit. Die übliche Vitamin-D-Dosierung liegt in der EU zwischen 400 und 4.000 internationalen Einheiten (I.E.) pro Tag. Unerwünschte Wirkungen einer Überdosierung wurden dagegen in klinischen Studien erst ab einer Tagesdosis von 10.000 I.E. beobachtet“, sagt Sha Sha.
Ergebnisse sind für die Abwägung von Nutzen und Risiken einer Vitamin-D-Supplementierung hoch relevant
„Dies ist die weltweit bislang größte Studie, in der Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Vitamin-D-Konzentrationen im Blut, Vitamin-D-Supplementierung und Sicherheitsaspekten des Kalziumstoffwechsels untersucht wurden. Erfreulicherweise konnten wir dabei keinen Zusammenhang mit Erkrankungen feststellen, die auf eine erhöhte Kalziumkonzentration im Blut zurückzuführen sind“, fasst Ben Schöttker zusammen. „Diese Ergebnisse sind für die Abwägung von Nutzen und Risiken einer Vitamin-D-Supplementierung hoch relevant, denn eine dem Bedarf angepasste Vitamin D Supplementierung in maßvoller Dosierung könnte einen wichtigen und sehr kostengünstigen Beitrag zur Prävention von Krebstodesfällen und verschiedenen Erkrankungen leisten", ergänzt Hermann Brenner.
* Als Schwellenwert für einen Mangel des 25-Hydroxyvitamin D im Blut gilt 30 nmol/L (= 12 ng/ml). Zählt man Personen mit einer weniger gravierenden Vitamin-D-Unterversorgung (25-Hydroxyvitamin D-Spiegel im Blut < 50 nmol/L (= 20 ng/ml)) hinzu, weisen etwas mehr als die Hälfte der Deutschen zumindest eine Unterversorgung auf.
** Als hoher Vitamin-D-Spiegel gilt eine Serumkonzentration des 25-Hydroxyvitamin D von ≥100 nmol/L
Publikation:
Sha Sha, Miriam Degen, Tomislav Vlaski, Ziwen Fan, Hermann Brenner and Ben Schöttker: The Safety Profile of Vitamin D Supplements Using Real-World Data from 445,493 Participants of the UK Biobank: Slightly Higher Hypercalcemia Prevalence but Neither Increased Risks of Kidney Stones nor Atherosclerosis. Nutrients 2024