Die Corona-Krise ist ein Einschnitt in das alltägliche Leben der gesamten Gesellschaft. Der Kontakt zu anderen Menschen soll auch weiterhin soweit es geht eingeschränkt werden. Der Zahnarztbesuch ist angesichts der aufwendigen Hygienemaßnahmen in den Praxen jetzt zwar wieder uneingeschränkt möglich, aber viele Patienten werden die Zahl der Besuche in der Praxis trotzdem gerne auf das nötige Maß beschränken wollen.
Ein möglicher Weg dafür: die Telemedizin. Der folgende Beitrag erläutert, wie die Anwendung telemedizinischer Leistungen hier Abhilfe schaffen kann und wie die Abrechnung dieser Leistungen idealerweise funktioniert.
Es zeichnete sich bereits vorher ab, aber durch die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Kontaktbeschränkungen bekommen telemedizinische Leistungen einen immensen Aufwind: Patienten nehmen die Möglichkeit der Behandlung oder Beratung aus der Ferne immer häufiger in Anspruch. Denn es gilt: Wer nicht zum Arzt gehen muss, der senkt sein Ansteckungsrisiko. Sowohl auf dem Weg als auch im Warte- oder Behandlungszimmer des Haus-, Fach- oder Zahnarztes kann der Patient mit anderen Personen in Kontakt kommen – das ist vor allem für Risikogruppen eine Gefahr.
Der rechtliche Grundstein ist gelegt
In der aktuellen Legislaturperiode haben Bundesregierung und Bundestag viele Maßnahmen getroffen, welche die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben. Dass zum Beispiel das Fernbehandlungsverbot für Ärzte gefallen ist, hat in Bezug auf die Akzeptanz der Videosprechstunde sowohl vonseiten der Patienten als auch der Ärzte enorme Wirkung gehabt. Das Digitale-Versorgung-Gesetz hat den Weg für digitale Anwendungen im Praxisalltag geöffnet.
Das Patientendaten-Schutz-Gesetz, das sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet, konkretisiert nunmehr auch die Anwendungen für die elektronische Patientenakte. Telemedizinische Leistungen, wie das zahnärztliche Telekonsil oder die zahnärztliche Videosprechstunde, sind ein Baustein im Gesamtkonzept. Alle diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Akzeptanz digitaler Hilfsmittel im Praxisalltag zu erhöhen.
Zeitgemäße Behandlungsform
Mit Fernbehandlungen kann ein Zahnarzt trotz globaler Pandemie dem Versorgungsauftrag nachkommen und den Kontakt zu den Patienten halten. Und es zeigt sich: Die Patienten sind offen für digitale Anwendungen und möchten sich auch abseits der konventionellen Angebote mit ihrer Zahngesundheit beschäftigen. Videotelefonie und Onlineberatungen bieten hier die ideale Plattform.
Dadurch kann eine Bandbreite an Leistungen abgedeckt werden: Zum Beispiel der Recall des Patienten nach Extraktion und Implantation oder Beratungen zu implantologischen, parodontologischen oder prothetischen Behandlungsplanungen sowie von Röntgenbefunden. Für Kontrollen und Nachsorgetermine kann der Patient die Smartphonekamera mit Taschenlampe dann wie eine Art Intraoralkamera direkt in der Mundhöhle verwenden oder einen Spiegel, beispielsweise im Bad, zu Hilfe nehmen. Ein weiterer Vorteil telemedizinischer Anwendungen ist, dass der Zahnarzt auch unkompliziert Konsil von spezialisierten Kollegen, zum Beispiel aus der Kieferorthopädie oder MKG-Chirurgie, in Anspruch nehmen und den Patienten gemeinsam mit den Kollegen beraten kann.
Digitale Anwendungen ersetzen jedoch nicht den persönlichen Kontakt. Daher sollten Zahnärzte, die den Einsatz telemedizinischer Leistungen in Erwägung ziehen, diese im Regelfall Patienten anbieten, die bereits persönlich in der Praxis vorstellig wurden.
Professionelle Plattformen für Telemedizin nutzen
Dennoch gilt: Wenn ein Zahnarzt sich für die Inanspruchnahme telemedizinischer Leistungen entscheidet, sollte er mit einer professionellen Plattform für Telemedizin zusammenarbeiten und diese Leistungen nicht auf eigene Faust anbieten. Durch diese Kooperation ist für Zahnarzt und Patient Datenschutz und IT-Sicherheit gewährleistet. Bietet der Arzt die Leistung aber über gängige Videochat-Anwendung an, entsteht eine Sicherheitslücke.
Abrechnung genau so individuell wie Behandlung
Trotz aller Bemühungen sind telemedizinische Leistungen für Zahnärzte noch nicht mit der Krankenkasse abrechenbar – und somit gibt es auch noch keine Abrechnungsziffern im Bema. Hintergrund ist Paragraf 87 SGB V, der in Absatz 2I eine Integration von Abrechnungsziffern in den Bema erst zum 30. September 2020 vorsieht. Zudem sind die Beratungen und Verhandlungen zwischen Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband noch nicht abgeschlossen.
Daher müssen Fernbehandlungen aktuell als Privatleistung abgerechnet werden. Zwar sieht auch die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) beziehungsweise die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für telemedizinische Leistungen noch keine eigenen Abrechnungsziffern vor, aber dafür können vorläufig die Ziffern beispielsweise für Beratung, konsiliarische Erörterung oder Kontrolle nach chirurgischem Eingriff verwendet werden – zumindest, bis es Abrechnungsziffern für die Telemedizin gibt. Mögliche Lösungsvorschläge für die Abrechnung sind in der Tabelle zusammengestellt.
Nicht nur ein schnelllebiger Trend
Fakt ist: Telemedizinische Leistungen erfüllen ganz klar ein aktuelles Patientenbedürfnis. Kontaktlose Beratungen werden mit aller Wahrscheinlichkeit auch nach Corona in Anspruch genommen, um sowohl die Versorgung im ländlichen Raum zu sichern als auch um Patienten zu entlasten, wenn es um Anfahrts- und Wartezeiten geht.
Auch für Zahnärzte hat die Telemedizin ein enormes Zukunftspotenzial. Denn: Digitale Behandlungsformen eröffnen neue Möglichkeiten. Eine umfassende Vernetzung von Behandlern und Patienten ist wichtig und äußerst relevant für die Zukunft der Zahnarztpraxen.
Janine Schubert, Martin Nokaj, Dortmund