Wenn Personen über den Zuckergehalt von bestimmten Speisen und Getränken informiert werden, sind sie eher dazu in der Lage, die korrekte Menge an Zucker in anderen Lebensmitteln einzuschätzen. Das ist das Ergebnis einer psychologischen Studie der Universität Mannheim und gibt Hoffnung für Patientengespräche auch in der Zahnmedizin, zum Beispiel zur Kariesprophylaxe.
Dr. Julia Groß, akademische Mitarbeiterin im Team von Prof. Dr. Edgar Erdfelder, Seniorprofessor für Kognitive Psychologie, hat gemeinsam mit ihren beiden Kolleginnen Annalena Loose und Barbara Kreis eine Experimentalstudie zum Wissen über den Zuckergehalt von Lebensmitteln durchgeführt. Die Wissenschaftlerinnen wollten herausfinden, wie gut Menschen diesen einschätzen können – und ob sich die Genauigkeit ihrer Schätzung durch eine kurze Intervention verbessert.
Grundsätzlich wird eher überschätzt
„Im ersten Teil der Studie haben wir die 160 Versuchspersonen darum gebeten, den Zuckergehalt diverser Speisen und Getränke einzuschätzen“, erklärt Groß den Aufbau des Online-Experiments. Dass ein Fruchtjoghurt beispielsweise mehr Zucker enthält als ein Apfel und Schokolade wiederum mehr als beide Produkte, wusste ein Großteil der Teilnehmenden. „Überraschend war jedoch, dass sie den Gehalt an Zucker in den einzelnen Lebensmitteln grundsätzlich überschätzt haben. Wir haben erwartet, dass sie ihn eher unterschätzen, da die Menschen grundsätzlich zu viel Zucker konsumieren.“ Groß vermutet, dass das Wissen in der Bevölkerung darüber, wie viel Zucker man am Tag zu sich nehmen sollte und welche Produkte wie viel davon enthalten, aktuell noch sehr begrenzt ist.
Methode „Seeding“-Intervention
Eine Möglichkeit, um die Bevölkerung aufzuklären, haben die drei Mannheimer Forscherinnen in ihrer Studie getestet: In einer sogenannten „Seeding“-Intervention – einer gezielten Bereitstellung numerischer Informationen – verrieten sie einem Teil der Versuchspersonen den Zuckergehalt von manchen Lebensmitteln, die sie zuvor eingeschätzt hatten. Im zweiten Teil des Experiments sollten alle Probandinnen und Probanden dann Grammangaben für den Zuckergehalt anderer Speisen und Getränke machen.
„Die Schätzungen der Personen, die die zweiminütige Aufklärung bekommen haben, verbesserten sich deutlich. Bei den Personen ohne Aufklärung blieben die Schätzungen so ungenau wie im ersten Studienteil“, erläutert Groß. Diesen Erfolg führen die Autorinnen der Studie auf ihre „Seeding“-Intervention zurück. „Wir waren erstaunt, wie gut Personen das soeben Gelernte auf neue Lebensmittel übertragen konnten. Es ist eine sehr schnelle und kostengünstige Möglichkeit, um starke Effekte zu erzielen“, freut sich Groß. Sie hat auch bereits eine Idee im Kopf, wie „Seeding“-Interventionen in den Alltag integriert werden können: „Es gibt heutzutage so viele Gesundheits-Apps – darin lassen sich leicht Informationen wie der Zuckergehalt verschiedener Lebensmittel verbreiten.“
Info eignet sich für Gesundheits-Apps
Groß beschäftigt sich schon länger mit der Methode: „Ich forsche im Bereich der Urteils- und Gedächtnispsychologie und untersuche, wie Personen Schätzungen in Zahlen abgeben und diese Schätzungen erinnern. So bin ich auf die ‚Seeding‘-Intervention gestoßen, die vielfach eingesetzt werden kann – nicht nur im Gesundheitskontext, sondern zum Beispiel auch beim Energieverbrauch.“