Ärzte können Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege ab 19. Oktober 2020 wieder nach telefonischer Anamnese krankschreiben. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 15. Oktober 2020 angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens und der bevorstehenden Erkältungs- und Grippesaison beschlossen. Die Regelung gilt zunächst bis Jahresende.
Mit der Sonderregelung ist es möglich, dass Ärzte Patienten für bis zu sieben Kalendertage eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausstellen können, ohne dass diese dafür in die Praxis kommen müssen. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte müssen sich dabei persönlich vom Zustand der Patientin oder des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugen, heißt es dazu beim G-BA. Eine Verlängerung um weitere bis zu sieben Kalendertage ist im Wege der telefonischen Anamnese einmalig möglich.
Ärzte drängten auf Wiedereinführung der Regelung
Die Regelung hatte es bereits zu Beginn der Pandemie gegeben. Sie war befristet und lief angesichts sinkender Infektionszahlen zum 31. Mai 2020 aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte sich im G-BA für eine Wiedereinführung der bundesweiten Regelung eingesetzt und einen entsprechenden Beschlussantrag eingebracht. „Die Sonderregelung zur telefonischen AU-Bescheinigung stellt eine wirksame Maßnahme zur Pandemiebekämpfung dar“, betonte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen.
Infektpatienten trennen, unnötige Wege vermeiden
„Damit werden unnötige Wege potenziell infektiöser Menschen im öffentlichen Raum vermieden“, sagte Vizevorstandschef Dr. Stephan Hofmeister. Außerdem könne eine Vermischung von Infektpatienten mit anderen oft chronisch kranken Patienten vermieden und die Praxen entlastet werden. Hofmeister: „Diese sind durch die gestiegenen Hygieneanforderungen ohnehin am Limit ihrer Kapazitäten.“
Regelung gilt auch für Krankheit der Kinder
Die Ausstellung einer „Ärztlichen Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei der Erkrankung eines Kindes“ (Formular 21) ist ebenfalls wieder telefonisch möglich. Die KBV hat dazu eine entsprechende Vereinbarung mit dem GKV-Spitzenverband getroffen.
Grippale Infekte und Infektionen mit Sars-CoV-2
Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, erläuterte die neue Regelung so: „Wir haben aktuell eine sich beschleunigende Infektionsdynamik mit dem COVID-19-Virus, zeitgleich aber auch vermehrt grippale Infekte. Diese parallele Entwicklung ist besorgniserregend. Wir müssen sie unbedingt unterbrechen, ohne dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten darunter leidet. Hier brauchen wir eine bundesweite robuste Lösung, um Vertrauen aufzubauen“.
Volle Wartezimmer vermeiden
Klar sei, so Hecken: „Wir erleben eine erschreckende Entwicklung der Neuinfektionen. Wenn wir in dieser ernsten Situation eines nicht brauchen, sind es volle Wartezimmer. Denn allein durch mögliche Kontakte auf dem Weg in die Praxis oder beim Warten in geschlossenen Räumen steigt das Risiko, sich anzustecken. Mit der Krankschreibung per Telefon gibt es für Menschen mit leichten Atemwegserkrankungen eine gute Alternative zum Praxisbesuch. Die Erfahrungen aus dem Frühjahr mit der Krankschreibung per Telefon haben gezeigt, wie umsichtig Versicherte damit umgehen.“
Ältere und Risikopatienten sollen Arztbesuche wahrnehmen können
Von der räumlichen Trennung der Fälle werden vor allem auch viele ältere und multimorbide Risikopatienten ohne Atemwegsprobleme profitieren, so Hecken: „Ihnen wollen wir die Angst nehmen. Sie können notwendige Arztbesuche und Behandlungen trotz eines aktiven Pandemiegeschehens nutzen, ohne sich einer erhöhten Ansteckungsgefahr auszusetzen oder Krankheiten zu verschleppen. Und diesen älteren und kranken Risikopatientinnen und Risikopatienten können wir nicht zumuten, täglich die 7-Tage-Inzidenz zu überprüfen, um eine Entscheidung über einen Arztbesuch zu treffen. Hier würden regional unterschiedliche Regelungen nur Verunsicherung schaffen. Als Verantwortliche in der Gesundheitsversorgung müssen wir uns daran messen lassen, wie wir jene Menschen schützen, die besonders hilfebedürftig sind. Das muss der Gradmesser unseres Handelns sein, natürlich auch in der Pandemie.“
Der G-BA werde rechtzeitig vor dem Auslaufen über eine Anpassung der zeitlichen Befristung beraten. „Wie schnell Entscheidungen im Pandemiefall überholt sein können und angepasst werden müssen, haben wir alle in diesem Jahr gelernt“, so Hecken.
Quellen: Pressemitteilungen des G-BA und der KBV