Was kaum jemand weiß: Eine Sepsis ist immer ein Notfall. Unbehandelt ist sie tödlich und deswegen auf eine Stufe zu stellen mit Herzinfarkt und Schlaganfall. Allein in Deutschland erkranken rund 230.000 Menschen pro Jahr an einer Sepsis – über 85.000 Menschen sterben daran. Davon sind mindestens 20.000 Fälle vermeidbar, heißt es in einem DAK-Video.
Doch frühes Erkennen und Behandeln kann Todesfälle vermeiden und Spätfolgen mildern. Deswegen unterstützt die DAK-Gesundheit die Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“. Diese macht bundesweit auf Sepsis aufmerksam und wendet sich auch an pflegende Angehörige, denn sie können oft am besten erkennen, wenn eine Veränderung beim Pflegebedürftigen eintritt.
Sepsis ist umgangssprachlich meist unter „Blutvergiftung“ bekannt, ist aber keine Vergiftung im herkömmlichen Sinn. Eine Sepsis ist die schwerste Verlaufsform einer Infektion. Sie entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nicht mehr in der Lage sind, die Ausbreitung einer lokalen Infektion zu verhindern, und die Erreger in den Blutkreislauf eindringen. Der Körper reagiert mit einer Aktivierung der Abwehrsysteme, insbesondere des Immun- und Gerinnungssystems. Dadurch werden jedoch nicht nur die Erreger, sondern auch die körpereigenen Organe, wie zum Beispiel Lunge, Herz und Niere, geschädigt. Es kommt zu einem septischen Schock und Multiorganversagen.
Risikofaktoren: offenen Wunden, Kathetern oder ein geschwächtes Immunsystem
Eine Sepsis kann sich sehr unterschiedlich bemerkbar machen. Besonders in Kombination mit Risikofaktoren wie offenen Wunden, Kathetern oder einem geschwächten Immunsystem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, eine Sepsis zu entwickeln.
Häufige Anzeichen sind:
- Fieber (kann auftreten, muss nicht)
- Verwirrtheit oder Desorientiertheit
- Wesensveränderung
- schneller Puls, Herzrasen
- Kurzatmigkeit, schnelle Atmung
- beschleunigte Atmung (ab 22 Atemzüge/Minute)
- feuchte, kalte oder fleckige Haut
- starkes Unwohlsein
- extremes, nie vorher gekanntes Krankheitsgefühl
Treffen zwei oder mehrere dieser Symptome auf, empfiehlt die DAK, den Notruf unter 112 zu kontaktieren und die Krankheitszeichen zu schildern. Hierbei soll direkt nachgefragt werden, ob es eine Sepsis sein könnte, und auf akute Infektionen und Risikofaktoren wie Katheter oder offene Wunden hingewiesen werden.
Systematisches Screenen ermöglicht eine schnellere Behandlung
Zur Sepsis hat die DAK auch PD Dr. med. habil. Matthias Gründling, SepsisDialog der Universitätsmedizin Greifswald, befragt:
Warum ist es selbst für medizinisch geschultes Personal schwierig, eine Sepsis zu erkennen?
PD Dr. med. habil. Matthias Gründling: Das liegt daran, dass die Symptome sehr unspezifisch sind und viele andere Krankheiten ähnliche Symptome haben. Ein Beispiel: Bewusstseinsstörungen, bei denen jemand schläfrig wird, durcheinander oder nicht mehr orientiert ist – das sind Anzeichen, die auch bei einem Schlaganfall oder bei einer Vergiftung auftreten. Hohes Fieber und schnelle Atmung treten auch bei der normalen Grippe auf.
Wie lässt sich eine Sepsis zweifelsfrei feststellen?
Gründling: Durch strukturiertes Vorgehen. Wir haben dafür eine Kitteltaschenkarte. Dort sind Kriterien aufgeführt wie schnellere Atmung, schneller Herzschlag, Bewusstseinsveränderungen, Fieber, Veränderungen an der Haut. Alle kritisch kranken Patientinnen und Patienten müssen auf diese Kriterien gescreent werden. Werden zwei erfüllt, wird weitergesucht: Gibt es zum Beispiel einen Infektionsherd? Hat die Lunge Probleme? Ist eine Kanüle entzündet? Dies können Hinweise auf eine Sepsis sein. Es ist wichtig, sehr systematisch vorzugehen, dann ist das Krankheitsbild gut zu erkennen. Daten belegen, dass das systematische Screenen Leben rettet, weil eine schnellere Behandlung möglich ist.
Tetanusimpfung verhindert keine eine Sepsis
Was wünschen Sie sich für die Sepsis-Früherkennung?
Gründling: Vor allem, dass die Bevölkerung über Sepsis Bescheid weiß, ähnlich wie beim Herzinfarkt. Alle sollten das Wort „Sepsis“ schon mal gehört haben und ungefähr wissen, was es für Anzeichen gibt. Niemand sollte mehr glauben, dass eine Tetanusimpfung eine Sepsis verhindern kann oder dass ein roter Strich in Richtung Herz auf eine Sepsis hindeutet. Außerdem muss das Screening-Instrument überall zum Standard werden. Wenn das gelingt, kann die Sepsis auch eher erkannt werden.
Die DAK erklärt auf ihrer Website in einem kurzen Video, wie es zu einer „Blutvergiftung“ kommt und was dann im Körper passiert.