Schon im November 2020 hat der Verband medizinischer Fachberufe einen 10-Punkte-Plan mit Blick auf die besonderen Bedingungen und Anforderungen an Fachkräfte in den Arzt- und Zahnarztpraxen in der Pandemie erstellt und an die Politik geschickt. Die Resonanz sei jedoch nur sehr gering gewesen. Grund für den Verband, vor dem Hintergrund der Pandemie-Entwicklung die Forderungen noch einmal deutlich zu machen.
Die mehr als 600.000 Medizinischen Fachangestellten (MFA) und Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) waren und sind in den Arzt- und Zahnarztpraxen die ersten Kontaktpersonen für Patientinnen und Patienten, so der Verband. „Beim Assistieren während der Untersuchung und Behandlung oder beim Erbringen von delegierbaren Leistungen wie Injektionen geben, Blutabnahme oder professioneller Zahnreinigung arbeiten sie zudem direkt mit und an den Patientinnen und Patienten. Seit Beginn der Pandemie ist die Arbeit dieser Berufsangehörigen mit einer besonderen zusätzlichen Verantwortung und Belastung verbunden.“
Häufig Krankschreibungen wegen Covid-19
Das werde unter anderem auch durch die neuesten Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK über die Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 bestätigt: Für den Zeitraum März bis Oktober 2020 liegen MFA auf Platz 2 der am stärksten betroffenen Berufsgruppe und damit deutlich vor den Beschäftigten in der Alten- und Gesundheitspflege, die im Frühjahr die Liste anführten und nun auf Platz 7 und 8 rangieren. ZFA werden an 6. Stelle genannt (im Frühjahr 2020 Platz 10).
Mit Blick auf diese vorhersehbare Entwicklung und die weiteren Probleme, die sich am Anfang der Pandemie abzeichneten, hat der Verband medizinischer Fachberufe e.V. einen 10-Punkte-Plan erarbeitet und im November an die Gesundheitspolitiker auf Bundes- und Landesebene geschickt. „Wir haben im vergangenen Jahr auf verschiedenen Wegen und Kanälen auf die Situation unserer Berufsangehörigen aufmerksam gemacht“, erklärt dazu Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V.
Politik schaut auf Kliniken und Pflegeeinrichtungen
„Leider war die Resonanz nur gering. Die Politik schaut hauptsächlich auf die Berufe im stationären Bereich und die Pflegeeinrichtungen. Wir wissen, dass die Kolleginnen und Kollegen in diesen Gesundheitsberufen sehr wertvolle Leistung erbringen und besonders belastet sind. Aber es ist auch wichtig, an diejenigen zu denken, die das ambulante Gesundheitswesen, in dem 80 bis 100 Prozent aller Covid-19-Patientinnen und Patienten versorgt werden, am Laufen halten. Dies haben uns inzwischen auch mehrere Rückmeldungen aus verschiedenen Parteien und Bundesländern bestätigt. Deshalb müssen unsere Forderungen zügig in die aktuelle Arbeit der Behörden und in die Gesetzgebung einfließen.“
Noch bis zum 20. Januar 2021 läuft eine aktuelle Umfrage zum Stand des Arbeitsschutzes in den Praxen. Weitere Informationen auf der Internetseite des Verbands.
Der 10-Punkte-Plan umfasst folgende Forderungen:
- Rolle von MFA und ZFA in der Patientensteuerung stärken: MFA und ZFA übernehmen in der digitalen und telefonischen Patientensteuerung im ambulanten Gesundheitswesen eine stetig wachsende Rolle. Um diese zu erfüllen in es unter anderem notwendig, MFA und ZFA in der Nutzung digitaler Anwendungsmöglichkeiten (Video-Sprechstunden, telemedizinische Anwendungen, elektronische Patientenakte und deren Anwendungen, Tele-VERAH-Rucksack etc.) zu qualifizieren und die digitalen Anwendungen entsprechend zu honorieren – bei gleichzeitiger Reduzierung der Bürokratie.
- Bereitstellung freiwilliger Tests und Priorisierung von MFA und ZFA in der Impfstrategie.
- Sicherstellung ausreichender Schutzausrüstung und Erstattung der tatsächlichen Kosten für den Mehraufwand bei den Hygienemaßnahmen für alle Patientinnen und Patienten.
- Von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sind Corona- Arbeitsschutzstandards in praxisnaher Form zu erstellen, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer diese unter der besonderen Belastung schnell nachvollziehen können.
- Die Fürsorgepflicht muss von den ärztlichen und zahnärztlichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ernst genommen und gewahrt werden. Dazu gehört die Anpassung der Hygienekonzepte. Sie sind im Team zu erstellen und müssen die räumlichen Gegebenheiten berücksichtigen.
- Bei Verletzungen der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten von Arbeitgeberseite muss der Schutz der Mitarbeitenden in Kleinbetrieben besonders berücksichtigt werden. Wenn sich MFA und ZFA vertrauensvoll an die zuständigen regionalen Stellen wenden, so sind ihre Sorgen ernst zu nehmen und Betriebe im Verdachtsfall zu überprüfen.
- Die Auszubildenden in den Arzt- und Zahnarztpraxen sind besonders zu schützen. Überforderung ist zu vermeiden. Die Ausbildung im dualen System (Betrieb und Berufsschule) muss auch in der Pandemie gewährleistet werden.
- Zusätzlich muss eine verstärkte Überzeugungsarbeit geleistet werden, um das Präventionsbewusstsein bei medizinischem Personal im niedergelassenen Bereich zu verbessern und beispielsweise die Durchimpfungsrate bei Grippe, Pertussis und Pneumokokken zu erhöhen. Das gilt auch für die Corona-Impfung.
- Die Notbetreuung in Kindertageseinrichtungen und Schulen muss aufgrund der Systemrelevanz der MFA und ZFA gesichert sein. Sofern die Notbetreuung bei Schließung der jeweiligen Einrichtung nicht oder nicht ausreichend gewährleistet werden kann, muss ein Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer bestehen.
- Die Gehaltssituation der Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten muss verbessert werden.
Der vollständige 10-Punkte-Plan kann hier abgerufen werden.
Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen verbessern
Dazu erklärt Hannelore König: „Sowohl den Arbeitsschutz als auch die Arbeitsbedingungen gilt es zu verbessern. 2019 hatten wir bei MFA und ZFA eine Lohndifferenz von mehr als 30 Prozent zum Median des monatlichen Bruttoentgelts. Wir kommen nur dann aus dieser Lücke, wenn die ausgehandelten Tarifsteigerungen bei den aktuellen Honorarverhandlungen prozentual voll berücksichtigt werden und eine Gegenfinanzierung analog dem stationären Bereich erfolgt.“