Photoinitiatoren sorgen dafür, dass flüssiger Kunststoff – etwa für Zahnfüllungen – mittels Licht schnell aushärtet. Dank einer neuen Synthesemethode der TU Graz lassen sich diese Initiatoren günstig herstellen, was der Technologie weitere Türen öffnet.
Wer schon einmal mit einem Loch im Zahn am Zahnarztstuhl gelegen ist, kennt das Prozedere womöglich: Nach dem Ausbohren des Zahns folgt eine Füllung aus flüssigem Kunststoff, die im Mund modelliert und durch UV-Licht zur fixen Plombe ausgehärtet wird. Möglich machen das sogenannte Photoinitiatoren. Das sind chemische Verbindungen, die der Füllpaste beigemengt werden. Sie zerfallen unter Lichteinwirkung und bilden Radikale, durch die diese Paste aushärtet.
Seit einigen Jahren werden dafür germaniumbasierte Photoinitiatoren eingesetzt. Ihr Plus: Sie absorbieren längerwelliges Licht und benötigen für die Aushärtung somit kein gesundheitlich bedenkliches UV-Licht. Im Dentalbereich hat sich dieser nicht toxische Photoinitiator bereits etabliert, obwohl seine Herstellung kostspielig ist: Die Produktionskosten von einem Kilogramm dieses Initiators liegen derzeit in der Größenordnung eines neuen Kleinwagens. „Angesichts der geringen Mengen, die für Zahnfüllungen benötigt werden, fällt der Preis des Photoinitiators in der Dentalbranche kaum ins Gewicht. Für andere Anwendungen war die teure Produktion aber ein Hemmschuh – bis jetzt“, erklärt der Chemiker Michael Haas von der TU Graz.
Neue, simple Synthesemethode
Gemeinsam mit seinem Team am Institut für Anorganische Chemie entwickelte Haas eine völlig neue Synthesemethode für germaniumbasierte Photoinitiatoren. Diese Herstellungsmethode kommt im Gegensatz zur konventionellen Synthese nicht nur ohne Schwefel aus („ein Geruch, den man nicht unbedingt im Mund wahrnehmen möchte“), sondern ist deutlich einfacher, effizienter und kostengünstiger. „Es ist uns gelungen, einen alternativen Zugang zu dieser Verbindungsklasse zu etablieren, der einstufig ist und die Isolierung des Produkts geradezu simpel macht“, erklärt Haas. Dabei werden simultan mehrere siliziumbasierte Schutzgruppen abgespalten. Die gewünschte Verbindung wird anschließend durch simples Auskristallisieren isoliert. Damit eröffnen sich für diese Klasse von Photoinitiatoren weitere biomedizinische Anwendungen, etwa in der Herstellung von Kontaktlinsen, Prothesen, neuartigen Implantaten oder künstlichem menschlichen Gewebe.
Originalbeitrag:
Isolable Geminal Bisgermenolates: A New Synthon in Organometallic Chemistry Drusgala M, Frühwirt P, GLotz G, Hogrefe K, Torvisco A, Fischer R, wilkenig HMR et al. Angewandte Chemie, open access 31.08.2021: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202111636
Projektpartner Ivoclar Vivadent
Diesen alternativen Zugang haben die Forschenden nun mit dem Projektpartner Ivoclar Vivadent AG in die Anwendung übersetzt. Das Dentalunternehmen hatte schon bisher einen toxikologisch unbedenklichen Photoinitiator (Ivocerin) auf Germaniumbasis in seinem Produktportfolio. Dieser birgt aber mehrere Nachteile in der Herstellung, wie Haas erklärt: „Bei Ivocerin ist die Synthese aufwendig und mehrstufig, außerdem ist die Entfernung der Reaktionspartner teuer und führt zu hohen Ausbeuteverlusten“. Durch die absehbare Markteinführung des neuen Initiators werden Zahnfüllungen künftig signifikant günstiger sein.
Geeignet für Kontaktlinsen und Co.
Michael Haas sieht auch Potenzial für weitere biomedizinische Anwendungen wie etwa Kontaktlinsen: Für die meisten dieser Anwendungen werden bislang phosphorbasierte und damit toxikologisch bedenkliche Photoinitatoren eingesetzt. Die gesundheitlich unbedenklichen Initiatoren auf Germaniumbasis waren für diese Anwendungen bislang zu teuer. Auch die Herstellung von neuartigen Implantaten, von Prothesen oder künstlichem menschlichen Gewebe sind mögliche Einsatzgebiete des neuartig synthetisierten Initiators. „Interessant wird es überall dort, wo die Verwendung von nicht toxischen Materialien von zentraler Bedeutung ist“, erklärt Haas. Die Forschung an Photoinitiatoren ist mit rund zwölf Jahren ein relativ junges Gebiet. Michael Haas und seine Forschungsgruppe haben zu germaniumbasierten Photoinitiatoren in den vergangenen vier Jahren bereits zwei voneinander unabhängige Patente erfolgreich eingereicht. „Da radikalische Photoinitiatoren in vielen industriellen Prozessen eine Anwendung finden, ist die Relevanz unserer Ergebnisse noch nicht abschätzbar“, meint Haas.