Lange hat es gedauert, bis die Vertreter des zahnärztlichen Hilfswerks HDZ wieder zu einer Projektreise aufbrechen konnten. In den Corona-Jahren waren ferne Ziele wie die Insel Madagaskar fast von der Außenwelt abgeschnitten. Trotz allem gingen die Hilfen weiter. Nun war es endlich wieder soweit: Der stellv. HDZ-Vorsitzende Dr. Klaus Winter startete im März zusammen mit seinem langjährigen HDZ-Wegbegleiter Dr. Jürgen Kiehne aus Göttingen, zu einer 10-tägigen Reise nach Ostafrika. Alle Aktivitäten waren zuvor mit Maria Damer vom Arbeitskreis „Eine Welt“ e.V., Mettingen abgestimmt worden. Maria lebt und arbeitet seit 2005 mit dem Entwicklungshelfer Norbert Determann auf Madagaskar. Seit 2014 wird sie dabei vom HDZ unterstützt. Insgesamt hat die Stiftung bereits rund 230.000 Euro in humanitäre Projekte auf der Insel investiert – Grund genug, um die Nachhaltigkeit der Maßnahmen wieder einmal im Rahmen einer Projektreise zu dokumentieren.
Start in Fort Dauphin
Startpunkt der Reise war die im Süden liegende Stadt Fort Dauphin, heute Tolagnaro, wo die Gäste aus Deutschland schnell feststellten: „Auch nach Jahren der Abwesenheit hat sich das Straßenbild nicht verändert“. Auf den roten Sandstraßen herrschte ein farbenfrohes Treiben; Autos, „Tuc-Tucs“, Mopeds und Ochsenkarren manövrierten teils halsbrecherisch neben Fahrradfahrern und LKWs durch das Chaos. Auf den Bürgersteigen verkauften fliegende Händler Vanille, Pfeffer und Silberschmuck.
„Von außen betrachtet scheint es Forte Dauphin gut zu gehen“, schildert Winter seine Eindrücke. „Französische, chinesische und englische Firmen haben ihre Niederlassungen wieder in Betrieb genommen, in großen Minen wird Ilmenit abgebaut, ein Rohstoff für die Titanherstellung. Immer mehr Familien aus armen Regionen versuchen hier Arbeit zu finden und haben sich daher im Umfeld der Minen angesiedelt.“
Acht von zehn Madagassinnen und Madagassen leben unterhalb des Existenzminimums
Doch das Bild ist trügerisch. In Madagaskar leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unterhalb des Existenzminimums. Und so ist das Stadtbild auch geprägt von Armut und dem täglichen Überlebenskampf vieler Menschen. „Obwohl es nach den verheerenden Dürrejahren endlich wieder regelmäßig regnet, so dass neu angepflanzt und ausgesät werden kann, ist die Bedürftigkeit nicht zu übersehen“, berichten die HDZ-Vertreter. „Die breite Armut ist auch an den Schlangen vor den Ausgabestellen der Kirchen und privaten Organisationen zu erkennen, wo Menschen ihre Wochenration an Lebensmitteln erhalten. Ohne die Unterstützung von kirchlichen und humanitären Organisationen könnten viele Schulkantinen keine Mahlzeiten an die Kinder ausgeben und sich viele Menschen keine medizinische Behandlung leisten“, ergänzt Dr. Winter.
Mit diesen ersten Eindrücken im Gepäck macht sich das HDZ-Team zusammen mit Maria Damer auf den Weg nach Marillac in das HDZ-Dispensaire „Sahan'i Maria“, um dort das neue medizinische Labor und das Tuberkulose-Zentrum St. Rock zu besichtigen. Dort können Tuberkulose-Kranke dank der Unterstützung des HDZ jetzt noch erfolgreicher diagnostiziert und behandelt werden. „Die beiden Einrichtungen sind unverzichtbar für die Insel und eine echte Bereicherung“, so Winter.
Schulische Bildung in Tsihombè
Nach der Übernachtung auf einer Sisalfarm führte die Reise weiter zu den Ordensschwestern der Communauté des Filles de la Charité in Tsihombè – sieben Autostunden entfernt. Hier kümmern sich sechs Schwestern um Arme, Kranke und Kinder. Vor allem die schulische Bildung liegt ihnen dabei am Herzen. Im Jahr 2014 gelang es ihnen, das Vertrauen der Dorfbewohner zu gewinnen und ihnen zu vermitteln, dass ihre Kinder nur dann eine Chance auf ein besseres Leben haben, wenn sie lesen, schreiben und rechnen lernen. Und so wurden zu Anfang in zwei einfachen Klassenräumen ca. 70 Kinder von zwei Lehrern unterrichtet. Die Kosten übernahm der Orden und dann auch das HDZ. Die Dorfbewohner halfen bei dem Ausbau des Projekts kräftig mit. Im Laufe der Zeit entstanden so die Regenbogenschule „Arc en Ciel“ mit 5 Klassenräumen, ein Mehrzweck-Gebäude, ein Sportplatz, eine Zisterne und Toiletten. „Es ist ein Pilotprojekt für alle umliegenden Dörfer, das sich nicht nur an die Kinder, sondern auch an erwachsene Dorfbewohner richtet“, erläutert der stellvertretende HDZ-Vorsteher. „Die Erwachsenen haben ebenfalls die Möglichkeit, sich weiterzubilden, indem sie an Gruppen für Alphabetisierung, Aufklärung und Gesundheitsfragen teilnehmen.“
Diese Arbeit trage Früchte berichten die Reiseteilnehmer: „Die Dorfbewohner haben das Provisorium selbst gebaut und auch beim Neubau der Schule viel in Eigenleistung erbracht – damit ist unser Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten“ aufgegangen“, so Winter.
Nächster Stop auf der Reiseroute des HDZ-Teams war das wieder mehrere Fahrtstunden entfernte Antanimora. Dort stand die Einweihung eines HDZ-Kindergartens und einer HDZ-Schule auf dem Plan, die mit Spendenmitteln gebaut werden konnten. Die neugierigen Dorfkinder freuten sich riesig über die Mitbringsel der deutschen Gäste, darunter hunderte Zahnbürsten, Fußbälle, Malstifte, Luftballons und andere Spielsachen. Die Aufklärung und das Üben der Zahnpflege gehörten natürlich auch zum Programm.
Hilfe für Leprakranke
Höhepunkte der Inspektionsreise war jedoch der Besuch des Leprazentrums in Ampasy und des mit HDZ-Unterstützung entstandenen Zentrums für ehemalige Leprakranke. „Verstümmelt, verachtet und verstoßen hoffen hier die Leprakranken auf Hilfe und das zurecht, denn Lepra ist heilbar“, erklärt Winter. Die Ordensschwestern versuchen diese Hoffnungen zu erfüllen, indem sie die Betroffenen mit Medikamenten versorgen und ihre Wunden behandeln. Die finanziellen Zuwendungen des HDZ leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Schwestern diese Arbeit auch weiterhin machen können und die Lepra-Kranken eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben.
Zum Abschluss ihrer Projektreise besuchten die HDZ-Vertreter dann noch die Zahnarzt-Praxis von Dr. Tolotra in Forte Dauphin, die ebenfalls mit Spendenmitteln aus Deutschland finanziert werden konnte. Sie bietet auch armen Inselbewohnern die Möglichkeit, sich zahnmedizinisch versorgen zu lassen.
Als Fazit der Reise nahm das Team viele positive Eindrücke über die Nachhaltigkeit der humanitären Projekte mit nach Hause, aber auch die Erkenntnis, dass bei so vielschichtigen Problemen wie sie auf Madagaskar existieren, die Hilfe weitergehen muss.