Hier kommt eine fast gute Nachricht – mit einem Aber: Forscherinnen der Universität Bonn haben die Zuckerzufuhr von Kindern und Jugendlichen im Rahmen einer Langzeitstudie ausgewertet. Das Ergebnis: Die Zuckerzufuhr sinkt seit 2010 kontinuierlich, liegt aber immer noch über der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Menge. Die Studie wird im European Journal of Nutrition veröffentlicht; sie ist bereits vorab online zugänglich.
Seit 2010 kontinuierliche Tendenz nach unten
„Unsere Analyse konzentriert sich auf die Aufnahme von freiem Zucker“, sagt Dr. Ines Perrar, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften (IEL) der Universität Bonn und Erstautorin der Studie. „Es wird diskutiert, ob Zucker, ebenso wie Salz und Fette, mit der Entstehung von chronischen Erkrankungen in Verbindung steht.“ Als freien Zucker definiert die WHO jeglichen Zucker einschließlich Honig, Sirup und Fruchtsaftkonzentraten, der vom Hersteller oder bei der Zubereitung von Speisen oder Getränken im Haushalt zugesetzt wird. Auch Zucker, der von Natur aus in Säften enthalten ist, zählt dazu.
Daten der DONALD-Studie ausgewertet
Für ihre Analyse nutzten die Forscherinnen des IEL die Daten der „Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed“ Kohortenstudie (DONALD). Seit 1985 sammelt diese Studie detaillierte Informationen zu Ernährung, Stoffwechsel, Entwicklung und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. „Die Teilnehmenden wiegen und dokumentieren einmal jährlich an drei aufeinanderfolgenden Tagen alles, was sie essen und trinken“, erklärt Prof. Dr. Ute Nöthlings, Inhaberin der Professur für Ernährungsepidemiologie am IEL. „Mithilfe unserer institutseigenen Nährstoffdatenbank können wir daraus die Zufuhr bestimmter Nährstoffe, unter anderem freien Zucker, schätzen.“
Besonders Jugendliche konsumieren zu viel Zucker
Die Autorinnen werteten nun 4.218 dieser Drei-Tage-Wiegeprotokolle von 751 Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 18 Jahren aus, die zwischen 2010 und 2023 erfasst worden waren. „Wir konnten feststellen, dass die Zufuhr an freiem Zucker weiterhin rückläufig ist“, sagt Ines Perrar. „Dennoch liegt die tägliche Aufnahme im Schnitt noch immer über der Empfehlung der WHO und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die maximal zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr pro Tag empfehlen.“
Bereits 2019 hatte eine Auswertung der DONALD-Daten gezeigt, dass die Zufuhr an freiem Zucker seit 2005 abnimmt und 2016 im Median bei rund 16 Prozent der Tagesenergieaufnahme lag. Dieser Wert hat sich nun nochmals auf 11,7 Prozent verringert. Als möglichen Grund für diesen Trend vermuten die Forscherinnen ein gestiegenes Bewusstsein für die gesundheitlichen Folgen des Verzehrs einer zu großen Menge bestimmter zuckerhaltiger Lebensmittel, etwa mit Zucker gesüßter Getränke.
Ohne Zweifel ein Erfolg, doch die Forscherinnen verweisen auf Unterschiede in den Altersgruppen: „Wir sehen im Beobachtungszeitraum insbesondere bei Jugendlichen im Alter von sechs bis 14 Jahren eine relativ hohe Aufnahme von freiem Zucker um 15 Prozent. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zufuhr dann deutlich ab“, sagt Ute Nöthlings, die nicht nur Leiterin der DONALD Studie, sondern auch Sprecherin des Transdisziplinären Forschungsbereichs (TRA) „Sustainable Futures“ sowie Mitglied im TRA „Life and Health“ der Universität Bonn ist.
Tatsächliche Zuckeraufnahme wahrscheinlich noch höher
Die Ergebnisse stützen die aktuelle Initiative der Bundespolitik, bis 2025 den Zuckergehalt von Frühstückszerealien, gesüßten Milchprodukten, Erfrischungsgetränken und Fruchtgetränken um mindestens 15 Prozent zu reduzieren. Die Forscherinnen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Zuckerkonsum wahrscheinlich höher ist, als die Daten der Studie nahelegen. Zum einen besteht die Gefahr einer Untererfassung aufgrund des Selbstberichts der Ernährung durch die Probandinnen und Probanden. Zum anderen ist die Studie nicht repräsentativ, da aufgrund des umfangreichen Studiendesigns eher Familien mit höherem sozio-ökonomischem Status teilnehmen und hier ein tendenziell stärkeres Bewusstsein für Ernährungs- und Gesundheitsfragen zu erwarten ist.