Mitte Juli 2024 wurde über das Hamburger Abendblatt bekannt, dass sich eine Praxis, die unsichtbare Zahnspangen anbietet, plötzlich aus der Versorgung zurückgezogen hat. Patienten, die teilweise ohne direkten Zahnarztkontakt – also körperliche Untersuchung – Zahnschienen zur Stellungskorrektur bekommen sollten, blieben ohne Versorgung zurück. Bezahlt hatten sie die durchsichtigen Zahnschienen, mit denen sie ihre Zähne begradigen wollten, allerdings schon.
„Patienten das Geld aus der Tasche gezogen“
Zahnärztekammern und Kieferorthopäden mahnen bereits seit einigen Jahren zur Vorsicht bei „Billig-Zahnbegradigungen“ ohne den medizinischen Standards entsprechende fachliche Begleitung. „In dem vom Hamburger Abendblatt publik gemachten Fall zeigt sich, dass ein nicht nur verantwortungsloses Versprechen für gerade Zähne gegeben wurde, sondern Patienten das Geld aus der Tasche gezogen wird und sie dann unversorgt zurückbleiben“, kommentiert der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) Dr. Christian Öttl das Geschehen.
„Pop-up-Praxis“ – ein generelles Problem
„Ein solcher Fall unverantwortlichen Vorgehens bringt den ganzen zahnärztlichen Berufsstand in Verruf“, kritisiert Öttl. Patientinnen und Patienten würden mit falschen Versprechungen von geraden Zähnen geködert. „Wenn dann der Anbieter auch noch mitten in der Behandlung einfach von der Bildfläche verschwindet, dann müssen sich viele Menschen ad hoc einen neuen Zahnarzt suchen, der die Fehler wieder ausbügelt“, sagt Öttl. „Das kann mitunter Monate bis Jahre dauern.“ Das, was in einer solchen „Pop-up-Praxis“ passiert – schnelles Investment, schnelle Rendite und die Versorgung verlassen – sieht der FVDZ-Bundesvorsitzende als generelles Problem, seitdem die Politik die Möglichkeit von Investoren-MVZ eröffnet hat.
„Gesundheitsbereich ist Daseinsvorsorge“
„Es besteht die Gefahr, dass sich ein Investor relativ schnell aus der Patientenversorgung verabschiedet, wenn es anderswo ein lohnenswerteres Geschäft gibt“, gibt Öttl zu bedenken. Verantwortung und Ethik stünden bei Investoren seiner Meinung nach nicht an erster Stelle. „Der Gesundheitssektor ist kein Geschäftsfeld“, betont Öttl. „Der Gesundheitsbereich ist Daseinsvorsorge.“
Der FVDZ-Bundesvorsitzende plädiert deshalb dafür, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach endlich seine Ankündigung einhält und eine Regulierung für Investoren-MVZ schafft. „Es gibt noch die Chance, diese an das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz anzuhängen, das über die Sommerpause im Parlament schlummert“, sagt Öttl. „Es wird Zeit für einen Weckruf.“