Eine neue Studie sorgt derzeit für Aufsehen. Der Zuckeraustauschstoff Xylit wird darin mit einem erhöhten Risiko für Herzprobleme in Verbindung gebracht. Forschende der Cleveland Clinic im US-Bundesstaat Ohio, unter der Leitung von Marco Witkowski vom Deutschen Herzzentrum der Charité Berlin, konnten einen Zusammenhang zwischen hohen Xylitkonzentrationen im Blut und einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und thrombotische Ereignisse feststellen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift European Heart Journal veröffentlicht (mehr dazu auf Quintessence News: Neue Studie: Der Süßstoff Xylit ist mit erhöhtem Risiko für Herzprobleme verbunden).
Xylit findet sich nicht nur in kalorienreduzierten Lebensmitteln und Getränken, sondern auch in Zahnpasten, Mundspüllösungen und Zahnpflegekaugummis. Ist der Xylitgehalt in diesen Produkten gefährlich? Die Experten des Informationszentrums Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ BW) geben Entwarnung.
Kampf gegen Karies
Xylit ist ein beliebter Zuckeraustauschstoff mit ähnlicher Süßkraft wie Zucker. Diabetikerinnen und Diabetikern wird Xylit auch deshalb empfohlen, weil der Kaloriengehalt um 40 Prozent geringer ist als bei herkömmlichem Zucker und nahezu insulinunabhängig verstoffwechselt wird, was den Blutzuckerspiegel nur minimal ansteigen lässt.
Inzwischen gibt es zahlreiche kalorienreduzierte Erfrischungsgetränke, Backwaren und Schokolade auf dem Markt, die mit Xylit gesüßt sind. Aber auch in Zahnpasten, Mundspüllösungen und Zahnpflegekaugummis ist der Zuckeraustauschstoff enthalten, da Xylit effektiv Kariesbakterien bekämpft.
Aktuell erhält die oben genannte Untersuchung hohe Aufmerksamkeit, in der über mögliche neue Risiken bei der Verwendung von Xylit berichtet wird. Darin wird behauptet, dass Xylit das Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse um mehr als 50 Prozent erhöht. Das IZZ BW hat nachgefragt, ob das stimmt und wie sich in diesem Zusammenhang die Verwendung von Xylit in Zahnpflegeprodukten einordnen lässt.
Was bedeuten die Studienergebnisse?
Die Experten Prof. Dr. Elmar Hellwig (Freiburg) und Prof. Dr. Adrian Lussi (Bern und Innsbruck) haben die betreffende Studie eingehend analysiert. Der Kardiologe Marco Witkowski vom Deutschen Herzzentrum der Charité Berlin untersuchte mit seinem Team die Blutproben von 3.300 Patientinnen und Patienten, die für Herzuntersuchungen in die Klinik gekommen waren. „Mehr als 75 Prozent der Probanden wiesen bereits eine frühere koronare Herzerkrankung beziehungsweise eine koronare arterielle Erkrankung auf. Zudem hatten mehr als 40 Prozent bereits einen Myocardinfarkt erlitten“, erläutern die Experten. Die Patientinnen und Patienten wurden über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet. Bei denjenigen, bei denen eine hohe Xylit-Konzentration im Blut gemessen wurde, trat drei Jahre später häufiger ein Herzinfarkt oder einen Schlaganfall auf als bei Patientinnen und Patienten mit einem niedrigen Xylitgehalt im Blut. „Es wurde allerdings keine Ernährungsanamnese erhoben und keine gesunde Kontrollgruppe über die drei Jahre hinweg einbezogen“, betont Hellwig.
Langfristige Auswirkungen lassen sich nicht ableiten
In einer kleinen Folgeuntersuchung testeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Auswirkung von Xylit auf zehn gesunde Freiwillige. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekamen ein mit 30 g Xylit oder alternativ Glukose gesüßtes Getränk. Alle, die das Xylitgetränk konsumiert hatten, zeigten einen signifikanten Anstieg des Xylit-Spiegels im Blut. Zudem erhöhte sich die Reaktivität der Thrombozyten nach dem Xylitgenuss. Langfristige Auswirkungen lassen sich aus diesen Ergebnissen allerdings nicht ableiten. Weitere Untersuchungen an Mäusen und an Blutplättchen ergänzen die Forschung.
Folgeuntersuchungen notwendig
„Zusammenfassend kann man feststellen, dass es sich um eine nicht kontrollierte, klinische Beobachtungsstudie handelt, bei der in einer vulnerablen Patientengruppe eine Assoziation zwischen endogen gebildetem Xylit und schwerwiegenden kardialen Ereignissen gefunden wurde. Diese Patientengruppe sollte möglicherweise auf den Konsum von Xylit verzichten“, erläutert Lussi.
Die Studienautorinnen und Studienautoren betonen, dass die molekularen Mechanismen für diese physiologische Reaktion nicht bekannt sind und nicht klar ist, ob die Ergebnisse ihrer Untersuchungen verallgemeinert werden können, da die untersuchten Patientinnen und Patienten primär bereits eine hohe Prävalenz von kardiovaskulären Risikofaktoren aufwiesen. Weitere Studien sind erforderlich, um zu erkennen, ob und ab welcher Xylitdosis tatsächlich ein allgemeines gesundheitliches Risiko besteht.
Was ist mit Xylit in Zahnpasta?
Hellwig und Lussi geben hinsichtlich der Xylitdosis in Zahnpasten und Zahnpflegekaugummis Entwarnung. Der darin enthaltene Xylitgehalt ist so gering, dass das damit verbundene Gefährdungspotential bezüglich Herz-Kreislauferkrankungen keine Rolle spielt. Zudem werden Zahnpasten, Zahnpflegekaugummis und Mundspülungen nicht geschluckt, sodass sich der verbleibende Xylitgehalt im Mund nach dem Ausspucken nicht auf die Allgemeingesundheit auswirkt. Zahnpasta enthält beispielsweise 0,1 bis 0,16 g Xylit. Wer sich als Erwachsener drei Mal täglich die Zähne putzt, hat nach dem Ausspucken einen verbleibenden Xylitgehalt von 5 bis 8 mg im Mund. Bei kleineren Kindern kann der Wert variieren, wenn sie das Ausspucken noch nicht vollständig beherrschen.