In diesem Jahr entschied sich die Fachjury beim Forschungspreis und bei den Videopreisen der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik) für Arbeiten zu innovativen Therapiekonzepten. Verliehen wurden die Preise beim Symposium der AG Keramik auf dem DGI-Kongress Ende November 2019 in Hamburg.
Den Forschungspreis der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde wurde zum 19. Mal ausgeschrieben. Die Jury entschied sich für die „5-Jahresuntersuchung von Teilkronen mit verschiedenen Wandstärken aus ZLS-Keramik“, eingereicht vom Autorenteam Priv.-Doz. Dr. Sven Rinke M.Sc., Universitätsmedizin Göttingen, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Praxisklinik für Zahnmedizin, Hanau; Dr. Tim Hausdörfer, Poliklinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie, Universität Göttingen; Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universität Leipzig (Abb. 1).
Schichtstärke von einem Millimeter klinisch erfolgreich
Die prämierte, prospektive Studie über fünf Jahre beobachtete 45 Patienten und untersuchte die klinische Leistungsfähigkeit von 61 Teilkronen, chairside im CAD/CAM-Verfahren aus zirkonoxid-verstärktem Lithiumsilikat (ZLS) gefertigt. Die Autoren evaluierten die Risiken, in dem die herstellerempfohlenen Wandstärken unterschritten und verschiedene Befestigungskonzepte genutzt wurden. Okklusale Wandstärken mit 0,5 bis 0,74 Millimetern erzielten eine Überlebensrate von 83 Prozent und zeigten damit ein 11-fach höheres Frakturrisiko als die Gruppe mit 0,75 bis 1,0 Millimetern Wandstärke, die zu 100 Prozent frakturfrei blieb.
Die Lage im Kiefer (Molar vs. Prämolar) hatte keinen Einfluss. Retentionsverluste traten eher mit selbstadhäsivem Befestigungszement auf im Vergleich zur Gruppe, die mit Total-Etch-Technik und dualhärtendem Komposit befestigt wurden. Mit dieser Studie konnte erstmalig klinisch belegt werden, dass mit hochfesten glaskeramischen Werkstoffen okklusale Schichtstärken auf 1,0 Millimeter reduziert werden können (Abb. 2-3).
Funktion und Ästhetik – digital behandelt im Videoclip
Der zum 5. Mal ausgeschriebene Videopreis der AG Keramik hat erneut Videofilmer in Praxis und zahntechnischem Labor mobilisiert, besonders interessante Vorgehensweisen bei vollkeramischen Restaurationen in den Fokus zu nehmen. Die drei Teams, für deren Videos sich die Jury entschied, haben die digital gestützte Rekonstruktion eines Abrasionsgebisses, das schonende Trepanieren einer implantatgetragenen Keramikkrone zur Behebung einer Schraubenlockerung, und die Konstruktion einer Zwei-Flügel-Krone für den Lückenschluss regio 46 ideenreich, geschickt und wirkungsvoll in Bild und Ton umgesetzt.
Die Jury vergab den 1. Videopreis an das Team aus Zahnärztin Lisa Türp und Oberarzt Dr. M.S. Chaar, Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Kiel, für das Video „Vollkeramische Rekonstruktion eines Abrasionsgebisses – mit Tipps zum adhäsiven Befestigen“.
Mit dem 2. Preis für das Video „Keramik schonend trepanieren“ wurde Dr. Wojtek Libecki, Fachzahnarzt für Oralchirurgie aus Hamburg, ausgezeichnet. Den 3. Videopreis erhielt ZT Reinhard Busch, Laborleiter in der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Kiel, für den Kurzfilm „Doppel hält besser“ (Abb. 4).
Alle Videos auf der Website der AG Keramik
Alle Gewinner des Forschungs- und des Videopreises wurden auf dem 19. Keramiksymposium vorgestellt, das im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) in Hamburg stattfindet. Laudator war Dr. Bernd Reiss, Vorsitzender der AG Keramik sowie der DGCZ und Vorstandsmitglied der DGZMK. Die Videos sind auch auf der Website der AG Keramik (www.ag-keramik.de) zu sehen.
Funktionstherapeutische Bisserhöhung
Das dreiminütige Video von Türp und Chaar zeigt die komplexe Rehabilitation eines starken Abrasiongebisses (Abb. 5). Die Rekonstruktion erfolgte mit 28 Restaurationen in Form von Frontzahn-Kronen, Veneer-Kronen, Teilkronen und keramischen Kauflächen aus Lithiumdisilikat (Abb. 6). Die Frontzahn-Kronen wurden im Cut-Back-Verfahren verblendet. Nach Herstellen eines Wax-up an in zentrischer Relation einartikulierten Modellen wurde dies als Mock-up am Patienten visualisiert. Zum Austesten der neuen vertikalen Dimension sowie der Ästhetik wurden Polycarbonatschienen analog zum Wax-up gefertigt und als Provisorium getestet.
Die Präparation erfolgte defektorientiert und minimal-invasiv – in der Unterkieferfront schmelzbegrenzt für die Veneer-Kronen. Nach Abformung und wechselseitiger Registrierung wurden die Restaurationen digital konstruiert auf Basis der provisorischen Versorgung und ausgeschliffen (Abb. 7).
Vor der adhäsiven Eingliederung wurde Zahnseide approximal auf die Schleimhaut gelegt und mit Gewebekleber fixiert, um nach kurzzeitigem Polymerisieren des Komposits die gelartigen Überschüsse entfernen zu können. Die Reihenfolge der Eingliederung wurde systematisch vorausgeplant. So wurden zuerst die Veneer-Kronen in der Front eingesetzt, dann folgte die Eingliederung im Seitenzahnbereich, abgestützt durch die befestigten Frontzahn-Restaurationen. Ein Positionierungsschlüssel unterstützte die schaukelfreie Eingliederung und kontrollierte die Passung in der Befestigungsphase. Eine nachts zu tragende Schutzschiene schloss die Behandlung ab. Das Video zeigt, dass trotz weitreichender Zahnhartsubstanzdefekte eine minimal-invasive Versorgung funktionell und ästhetisch perfekt umgesetzt wurde (Abb. 8).
Zementierte Implantatkrone schonend trepaniert
Das Video von Libecki zeigt die schonende Trepanation einer zementierten, implantatgetragenen Keramikkrone, um an eine gelockerte Befestigungsschraube im Abutment zu gelangen. Um eine extensive Beschädigung der prothetischen Suprastruktur während des invasiven Suchens nach dem Schraubenkanal zu vermeiden, hatte er vorsorglich bei der Herstellung des Zahnersatzes einen Trepanationsschlüssel gefertigt (Abb. 9). Dieser ermöglicht, im Falle einer Schraubenlockerung substanzschonend und exakt in den Schraubenkanal zu gelangen und die gelockerte Abutmentschraube gegen eine neue auszutauschen.
Zweiteilige Zwei-Flügel-Adhäsivbrücke
Das klinisch sehr zuverlässige Verfahren der Adhäsivbrücke nutzte Busch für das Video „Doppelt hält besser“. In regio 46 soll ein Lückenschluss mit einer Krone aus Zirkonoxid erfolgen. Da das Brückenglied als einseitiger Anhänger zu breit wäre, wurde die Restauration geteilt. Mit einem Zementierungsschlüssel wurden von Zahnärztin Freda Ostermann beide Brücken nacheinander eingegliedert. Mit diesem neuen Verfahren wurde erstmalig ein Patient im Seitenzahnbereich mit zwei Adhäsivbrücken und „halbierten“ Molaren-Gliedern versorgt (Abb. 10).
Manfred Kern, Dr. Caroline Gommel, AG Keramik
Kontakt unter info@ag-keramik.de