Die Fraunhofer-Gesellschaft (Fraunhofer), München, ein Bindeglied zwischen Grundlagenforschung und angewandter Wissenschaft, hat im Mai 2019 ihre renommierten Joseph-von-Fraunhofer-Forschungspreise verliehen. In der Kategorie „Technik für den Menschen“ gewannen Dr. Bernhard Durschang und Dr. Jörn Probst vom ISC (Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, Würzburg, www.isc.fraunhofer.de) mit dem prothetischen Werkstoff ZLS (zirkonoxidverstärktes Lithiumsilikat).
In der Kategorie „Technik für den Menschen“ prämierte die Fraunhofer-Gesellschaft zwei Forscher, die gemeinsam mit der Industrie einen neuen Werkstoff für prothetische Restaurationen entwickelt haben. Ausgezahlt hat sich dabei der hohe Aufwand, mit dem der Partner Dentsply Sirona seine Forschung und Entwicklung betreibt. Die entsprechenden Investitionen des Unternehmens denisbelaufen sich auf jährlich etwa 150 Millionen Dollar. Daraus resultiert eine Vielzahl von Innovationen im digitalen und analogen Bereich der Zahnheilkunde. Die hohe Zahl an ebenso kompetenten wie motivierten Mitarbeitern in den verschiedenen Forschungsabteilungen sichert dem Unternehmen seine führende Rolle und macht es zum natürlichen Partner von Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Instituten. „Das Projekt zur Entwicklung von ZLS ist ein herausragendes Beispiel für diese erfolgreichen Kooperationen“, so Dr. Markus Vollmann, Forschung & Entwicklung bei Dentsply Sirona Lab.
Die Forscher versuchten etwas physikalisch vermeintlich Unmögliches. Bis vor sechs Jahren galt Glaskeramik für die Verwendung in der Zahnheilkunde als ausgereizt. Man hatte sich mehr oder weniger damit abgefunden: Zirkonoxidkeramik für Konstruktionen mit hoher Festigkeit (zum Beispiel Seitenzahnbrücken) und Glaskeramik für eine hohe und schöne Transluzenz, aber mit deutlichen Limitierungen in der Indikation.
Geht man etwas weiter ins Detail, so fanden sich bis vor sechs Jahren am Markt zwei Typen von Glaskeramik: Die konventionelle Variante ließ sich direkt nach dem schleiftechnischen Verarbeiten eingliedern. Indessen überzeugten bei der hochfesten Lithiumdisilikat-Glaskeramik die höhere Festigkeit und die Möglichkeit zur (nicht-adhäsiven) Befestigung mit Glasionomerzement. Allerdings erforderte dieser Werkstoff nachgeschaltete Prozessschritte wie zum Beispiel einen Kristallisationsbrand.
Keramik zum Fräsen und Pressen
Eine Handvoll Forscher mochte nicht akzeptieren, dass dieser Status quo der Weisheit letzter Schluss sein sollte. So brachten die gemeinsamen Anstrengungen der Fraunhofer-Forscher und der beteiligten Industrieunternehmen (DeguDent, Vita Zahnfabrik) im Jahr 2013 CAD/CAM-Blöcke für alle Fälle hervor (zum Beispiel Celtra Duo), der die vorteilhaften Eigenschaften von Zirkonoxid und Lithiumdisilikat kombinierte. Nach Beschleifen ließ sich die (Einzelzahn-)Restauration sofort einsetzen (zum Beispiel für Inlays, Onlays oder Teilkronen) oder durch einen Glasurbrand auf die Festigkeit von Lithiumdisilikat bringen (zum Beispiel für Kronen), oder höher.
Inzwischen gibt es darüber hinaus pressfähiges ZLS (zum Beispiel Celtra Press, Dentsply Sirona Lab). Zahntechniker schätzen es sowohl für seine ästhetischen Möglichkeiten als auch für seine höhere Festigkeit. Es erlaubt selbst dreigliedrige Brücken im Frontzahnbereich bis zum 5er als endständigem Pfeiler. Eine wesentliche Voraussetzung: Im Zuge der Entwicklung gelang es, die Mikrostruktur und die Oberflächengüte von hochfester Glaskeramik wesentlich zu verbessern. Dabei gelangte man in Bereiche, die nicht jeder für möglich gehalten hätte.
Ganze Analyseverfahren eigens für ZLS-Forschung
Beim Industriepartner Dentsply Sirona Lab (respektive DeguDent) entwickelte das Werkstoffprüfungsteam unter anderem eigens für die Analyse der Kristallverteilungen und -dichten ein neues Verfahren. Es kommt ohne das übliche Ätzen der Probenkörper aus. Zur Anwendung gelangte außerdem die Differenz-Thermoanalyse (DTA). Mit ihrer Hilfe ließ sich klären, wie sich das Gefüge bei unterschiedlichen Temperaturen verhält, wo Phasenübergänge stattfinden und wie sie sich auf den Herstellungsprozess auswirken. Die Forschergruppe war selbst verblüfft, wie gut sich ihr ZLS letztlich im final kristallisierten (zahnfarbenen) Zustand in der Maschine schleifen ließ, beispielsweise in der inLab MC XL (Dentply Sirona Lab).
Zirkonoxidverstärktes Lithiumsilikat hat sich seither zu einem vollkeramischen Schlüssel-Werkstoff entwickelt, denn mit ihm erschließt sich der Zahntechniker kurze und sichere Wege zu Top-Restaurationen. So lassen sich Zahnärzte und Patienten überzeugen und begeistern. Das Ergebnis ist stets gut vorhersagbar, ebenso der dafür nötige Aufwand.