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Gespräch mit Tillmann Steinbrecher, Mitgründer und CEO von Exocad, über noch ungelöste Aufgaben und die Philosophie hinter dem Gedanken offener CAD-Systeme

(c) Exocad/Akira Fotografie

Es war eine der wenigen Live-Veranstaltungen im Jahr 2020: Die „exocad Insights“ Ende September 2020 in Darmstadt. Aber für das Unternehmen Exocad gab es mehr als einen wichtigen Grund, diesen Event wenigstens als Hybrid-Veranstaltung – unter Einhaltung strikter Gesundheits- und Hygienerichtlinien – durchzuführen. Denn es sollte nicht nur die neueste Softwareversion „Galway“ präsentiert werden, die Darmstädter Software-Experten feierten auch ihr zehnjähriges Firmenjubiläum.

Mit viel Engagement des gesamten Teams konnten die vom März in den September verschobenem „Insights“ allen in Hessen geltenden Abstands- und Hygieneregeln entsprechend realisiert werden – mit vielen Partnern und (virtuellen) Teilnehmern aus aller Welt. Am Rande des Events nahm sich Tillmann Steinbrecher, CEO und Mitgründer des Unternehmens, Zeit für ein Interview mit Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin der Quintessence News.
 

Was ist das Besondere an der Exocad-Philosophie?

Tillmann Steinbrecher, CEO von Exocad
Tillmann Steinbrecher, CEO von Exocad
Foto: Exocad/Akira Fotografie
Tillmann Steinbrecher: Offenheit. Das beschreibt es am besten. Wir haben von Anfang an auf offene Systeme im Softwarebereich gesetzt. Das war 2010, bei der Gründung von Exocad, noch ein neuer Gedanke. Wir waren davon überzeugt und wollten zeigen, dass es im CAD/CAM-Bereich Systeme geben kann, die so funktionieren – abgestimmt, integriert und mit hoher Investitionssicherheit für Dentallabore und Zahnarztpraxen. Das war und ist nicht immer der einfachste Weg, aber der Erfolg gibt uns recht. Wir sehen die Zukunft ganz klar in den offenen Systemen.

Dazu kommt unbedingt Zuverlässigkeit. Die Software muss robust funktionieren. Wir stellen uns immer in den Dienst der Zahntechniker und Zahnärzte. Zuverlässigkeit ist uns wichtiger, als der erste auf dem Markt zu sein. Es geht uns nicht darum, möglichst viele Features in der Software zu haben. Unser Fokus liegt darauf, dass sie schnell und zuverlässig funktioniert.

Wir profitieren in unserer Arbeit ungemein vom engen Austausch mit unseren Anwendern und Partnern, und das war von Anfang an so. Am Ende geht es darum, einen Patienten mithilfe von CAD/CAM und digitalen Verfahren bestmöglich zu versorgen. Wir leisten einen wichtigen Beitrag dazu, und dafür müssen unsere Produkte sicher und zuverlässig sein.

Patienten zu erleben, denen mithilfe unserer Arbeit geholfen werden konnte, zu sehen, was Zahnärzte und Zahntechniker mit unserer Software für Menschen erreichen können, das ist immer eine große Freude und macht uns auch stolz. Und wir sehen gleichzeitig, wo wir unsere Produkte verbessern können, wo es Lücken im Workflow oder zu komplexe Arbeitsschritte gibt, was noch optimiert werden muss. Diese enge Verbindung zu unseren Kunden, in die Dentalwelt, ist für uns sehr wichtig.
 

„Eine große Herausforderung ist und bleibt die Totalprothetik“

Die Anwendungen werden immer komplexer, die Leistungsfähigkeit von Rechnern, Scannern und CAM nimmt zu – welche Lücken gibt es noch in den verschiedenen Anwendungsbereichen der Software?

Steinbrecher: Es kommen immer neue digitale Anwendungen in den Praxen und Laboren dazu – nicht nur Intraoralscanner, auch in der Bildgebung und bei der Fertigung, zum Beispiel im 3-D-Druck. Dazu neue Materialien und damit auch neue Einsatzgebiete. Und es ist immer unser Ziel, komplexe Workflows einfacher und zugleich sicherer zu machen. Unsere Software soll zudem modern und komfortabel zu bedienen sein – das war auch ein Ziel bei unserem neuen Release Galway, das wir bei den „exocad Insights“ vorgestellt haben.

Eine große Herausforderung ist und bleibt die Totalprothetik. Hier haben wir seit unserem Release Plovdiv das weiterentwickelte „FullDenture Modul“ integriert, das wir noch weiter verbessern werden. Totalprothetik ist sehr komplex und zugleich sehr wichtig, gerade dort, wo sich die Menschen teure Versorgungen nicht leisten können. Zu sehen, wie Menschen mit einer CAD/CAM-gefertigten Totalprothese wieder Lebensqualität gewinnen, das ist etwas Tolles, was mich persönlich auch sehr glücklich macht.

Eine weitere Aufgabe ist es, Zahnärzte und Zahntechniker in der Kommunikation untereinander und mit ihren Patienten zu unterstützen. Hier kann Software heute viel leisten. Wir haben entsprechende Tools schon verfügbar. Das Thema digitale Kommunikationsmittel für die Beratung und Aufklärung der Patienten steht zwar noch am Anfang, aber das wird sich schnell in den Praxen etablieren.
 

„Labore haben beim Thema KfO hohen Bedarf an sicherer Lösung“

Wie geht es denn im Bereich Kieferorthopädie weiter?

Tillmann Steinbrecher im Gespräch
Tillmann Steinbrecher im Gespräch
Foto: Exocad/Akira Fotografie
Steinbrecher: Für uns ist besonders die Kombination der Kieferorthopädie mit den anderen Bereichen wie Prothetik und Implantologie sehr spannend und eine Herausforderung. Viele Patientenfälle lassen sich besser und minimal-invasiver in der Kombination verschiedener Therapieverfahren lösen – das macht allerdings die Planung und die einzelnen Behandlungsschritte für CAD/CAM deutlich anspruchsvoller.

Die neuen digitalen Tools wie Intraoralscanner, Software und CAM-Verfahren wie der 3-D-Druck können diese komplexen Therapien handhabbarer machen. Unser Ziel ist es auch hier, zuverlässige Workflows zu entwickeln. Und auch hier müssen diese Workflows für den Alltag so einfach und zugleich so sicher wie möglich sein. Das ist immer unser Anspruch.

Und nicht zuletzt ist die Kieferorthopädie für die Dentallabore ein extrem wichtiges Thema. Die Labore sind ja unsere Hauptkunden – auch wenn bei den „exocad Insights“ in Darmstadt viele Zahnärzte unter den Teilnehmern waren. Die Labore haben beim Thema KfO ganz klar einen hohen Bedarf an einer sicheren Lösung.
 

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei Exocad? Welches Potenzial liegt darin für weitere Anwendungen?

Steinbrecher: Das, was wir heute als künstliche Intelligenz kennen, sind ja vor allem Tools, die in großer Geschwindigkeit große Datenmengen analysieren und verarbeiten können. Sie können zum Beispiel Muster erkennen und verarbeiten. So etwas steckt im Kleinen schon in vielen Anwendungen. Aber in vielen Themenbereichen braucht es Zeit, bis solche KI-Anwendungen robust funktionieren. Kreatives Denken kann KI nicht ersetzen, da ist der Mensch überlegen.
 

„Wir fokussieren uns klar auf den Dentalbereich“

Welche weiteren Bereiche der Zahnmedizin – und vielleicht auch außerhalb der Zahnmedizin – wollen Sie noch erschließen?

Steinbrecher: Die Kieferorthopädie hatte ich ja schon genannt, hier arbeiten wir an der Integration mit der restaurativen Zahnmedizin. Es gibt noch viele weitere Bereiche, in denen sich Softwareanwendungen sinnvoll nutzen lassen. Und es gibt, wie schon gesagt, immer noch viel zu optimieren, zu verbessern, zu vereinfachen. Wir verstehen uns als Dentalunternehmen und fokussieren uns klar auf den Dentalbereich. Da sind wir zuhause, und da gibt es auch noch viel Potenzial.
 

Mit der weiteren Digitalisierung in den zahntechnischen Laboren und den Zahnarztpraxen verändert sich auch der Kreis und die Spezialisierung der Anwender – fokussiert sich exocad mit seinen Produkten auf die Spezialisten und Experten oder fächert sich das Angebot auf in „Alltagssoftware“ und Experten-Versionen?

Steinbrecher: Wir trennen unser Angebot nicht auf in „einfachere“ und Expertenversionen. Wir wollen grundsätzlich den gesamten Markt ansprechen, weltweit. Ein Einsteiger soll sich sofort zurechtfinden, ein Experte in Details „austoben“ können. Unsere Softwareplattform ist gut konfigurierbar für jeden Anspruch – mit sicheren, möglichst einfachen Workflows und ebenso der Möglichkeit, sie für besondere Aufgaben und Anforderungen anzupassen. Uns geht es, wie schon gesagt, um die für die tägliche Arbeit sinnvolle Vereinfachung der komplexen Workflows.

Über unsere Online-Kollaborationsplattform dentalshare bieten wir zudem die Möglichkeit zum Austausch und zur Zusammenarbeit. So kann jeder Anwender Aufgaben outsourcen und sich so die Bereiche erschließen, die er selbst nicht besetzen kann und will.

Nicht zuletzt ist das ja auch eine Frage der Zusammenarbeit mit unseren Partnern in aller Welt und für die unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Märkte. Unsere Softwareprodukte sollen überall mit den Systemen unserer Partner sicher und zuverlässig funktionieren. Das ist für uns eine ständige Herausforderung, aber wir profitieren auch von diesem intensiven Austausch – und am Ende profitieren davon die Anwender.

Titelbild: Tillmann Steinbrecher im Gespräch mit  Quintessence-News-Chefredakteurin Dr. Marion Marschall
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