Erfahrungsaustausch und Netzwerken von Politik, Wissenschaft, Industrie und Zahntechnik – das zeichnet den Unternehmertag des Arbeitgeberverbands Zahntechnik e. V. (AVZ) aus. Erneut diskutierten Experten aus allen Bereichen mit den Teilnehmern über Zukunftsperspektiven des Zahntechnikerhandwerks und des gewerblichen Dentallabors.
Fortbildungsveranstaltungen für Zahntechniker gebe es viele, der Unternehmertag des Arbeitgeberverbands Zahntechnik e. V. (AVZ), Berlin, bleibe etwas Besonderes, heißt es im Bericht. Unter dem Titel „Querdenker Zukunft, Ethik – Ökonomie – Technik. Eine kritische Drei-Säulen-Betrachtung" beschäftigten sich die Referenten mit anspruchsvollen Themen, an denen verantwortungsbewusste und zukunftsorientierte Laborinhaber heute nicht mehr vorbeikommen. Mehr als 50 Teilnehmer aus ganz Deutschland folgten der Einladung und reisten am 6. und 7. September 2019 ins rheinhessische Köngernheim.
Politik und Recht
Die Unternehmer trafen dort auf den SPD-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Edgar Franke, der maßgeblich den Straftatbestand des Paragrafen 299a Strafgesetzbuch – Bestechlichkeit im Gesundheitswesen – auf den Weg gebracht hat. „Dieser schützt den fairen Wettbewerb und die Integrität heilberuflicher Entscheidungen, die gerade auch für Zahntechniker von besonderer Bedeutung sind“, so Franke. Und sie hörten von Staatsanwalt Christian Hartwig, Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt (Main), wie der Paragraf 299a umgesetzt und angewendet wird. Dabei setzen die Strafverfolgungsbehörden besonders auch auf die präventive Wirkung des Gesetzes durch Aufklärungsarbeit im Vorfeld.
Johann-Beckmann-Preis für Franke
Franke wurde für eine immer gewährte Unterstützung, Rat und einem stets fairen Austausch mit dem Berufsstand des Zahntechnikers vom AVZ zudem der „Johann-Beckmann-Preis" verliehen. Beckmann (1739–1811) gilt als Begründer der technologischen Wissenschaft. Als Ökonomieprofessor an der Universität Göttingen entwickelte er Forschungstheorien mit ganzheitlichem Ansatz. Hierzu untersuchte er systematisch handwerkliche Tätigkeiten nach technischen Prinzipien, um die Herstellung durch den Einsatz von geeigneten Verfahren und Werkzeugen effizienter zu gestalten. Sein Anliegen war es, Akzeptanz für neue Wissenstheorien zu schaffen und Strukturen, die den Fortschritt behinderten, zu überwinden. Die Idee vom Überwinden fester, nicht mehr zeitgemäßen oder unsozialen Strukturen ist der Ansatz eines kämpferischen und zukunftsorientierten Wirkens von politischen Entscheidungen. Der AVZ verbindet den Preis mit Dank und Anerkennung für Franke im Geist des Namensgebers Johann Beckmann.
Starkes Plädoyer für das Meisterlabor
Dr. Peter M. Finke ist Zahnarzt und Zahntechnikermeister. Seiner Meinung nach gehört die Zahnersatzherstellung kompromisslos in die Hand der zahntechnischen Meisterlabore. Entschieden sprach er sich gegen chairside, womöglich von Hilfspersonal gefertigte Versorgungen aus und forderte ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden und der Politik, um Patienten vor insuffizientem Zahnersatz zu schützen.
Digitalisierung und Aufwertung des Berufs
Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Sell, Campus Remagen, eröffnete das Panel Ökonomie mit einem Perspektivenwechsel auf das Thema Digitalisierung. Nach Zahlen habe die Digitalisierung und Technisierung keine Arbeitsplätze gekostet. Am Ende zähle die Bilanz, Berufsbilder verändern sich, aber Arbeitskräfte werden weiterhin gebraucht. Sell wünschte sich eine Aufwertung des Zahntechnikerberufs– weg vom Zulieferer hin zum Partner des Zahnarztes auf Augenhöhe.
Gesundheitshandwerk in Abhängigkeiten
„Der Zahntechniker zwischen den Mahlsteinen der gemischt administrierten und freien Märkte“ – Dipl. Volkswirt Guido Braun, Würzburg, skizzierte das schwer lösbare Dilemma des Zahntechnikerhandwerks. Auf der einen Seite reglementierten Höchstpreislisten die Kalkulation und Rechnungsstellung, auf der anderen Seite liege es im Interesse des Zahnarztes, die Zahnersatzkosten, weil reiner Kostenfaktor, zu senken. Kein anderer (Heil-)Beruf befinde sich in solchen Abhängigkeiten, kritisierte Braun.
Neue Partner, neue Organisationsstrukturen
Wie kann es trotz widriger Rahmenbedingungen gelingen, erfolgreich im Markt zu bestehen? Letztlich spielt wohl die Persönlichkeit des Laborinhabers und Unternehmers eine nicht unerhebliche Rolle. Zahntechnikermeister Benjamin Leclaire konnte glaubhaft versichern, dass ihn weder Probleme bei der Kunden- noch Mitarbeitersuche plagen. Um weiter wachsen zu können, setzt er auf eigene Stärken, aber auch auf Kooperationen mit Partnerlaboren in neuen Organisationsstrukturen.
Zahntechnik hat Zukunft, wenn die Weichen jetzt richtig gestellt werden. Dies beweise nicht zuletzt das Interesse großer Weltkonzerne, die sich hier im Materialsektor neue Geschäftsfelder erschließen möchten. Beispielhaft für den Kunststoff PEEK zeigte dies der Vortrag von Claus Frank, Senior Business Manager der Evonik Industries AG.
Zum Unternehmertag gehören die Vorträge ebenso wie die anschließenden intensiven Diskussionsrunden, bei denen die Referenten Rede und Antwort standen. Ein gemeinsames Abendessen am Vorabend diente Vortragenden und Teilnehmern als Aufwärmrunde und zum Erfahrungsaustausch und Netzwerken von Politik, Wissenschaft, Industrie und Zahntechnik. „Der AVZ hat einmal mehr bewiesen, dass er mit seinen Themen an den Stellschrauben für den Unternehmenserfolg der gewerblichen Dentallabore dreht“, heißt es.