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Ersetzt man Wasserstoff durch Fluor, wird die Metabolisierung organischer Pharmazeutika im Körper verzögert

Die Entwicklung und Verbesserung von Pharmazeutika spielt eine zentrale Rolle im Kampf gegen Krankheiten. Ein ForscherInnenteam um Chemiker Nuno Maulide von der Universität Wien und Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien hat nun ein neues Werkzeug entdeckt. Die WissenschafterInnen konnten Wasserstoff in wichtigen Arzneimitteln mühelos durch Fluor ersetzen – dasselbe Fluor, das auch in Zahnpasta verwendet wird. Diese neue Entdeckung erlaubt die Feinabstimmung von bereits bekannten (sowie auch potenziell neuen) Pharmazeutika. Die Ergebnisse werden aktuell im Fachmagazin Nature Chemistry publiziert.

Schlüssel und Schloss

Die große Mehrheit der Pharmazeutika, die zur Behandlung menschlicher Erkrankungen angewandt werden, ist organischer Natur. Ihre aktive Komponente ist ein Molekül, das aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut ist. „Unsere Körper sind nichts anderes als eine Ansammlung von Milliarden Kohlenstoffverbindungen, oder in anderen Worten, organischen Molekülen“, erklärt Nuno Maulide, Österreichs Wissenschafter des Jahres 2018, von der Universität Wien. Durch diese Ähnlichkeit sind organische Pharmazeutika ideal, um mit dem menschlichen Körper zu interagieren.

Der Entwurf eines pharmakologischen Moleküls passend zu einer spezifischen Interaktion mit einem Rezeptor wird oft mit dem Schlüssel-Schloss Prinzip erklärt. „Der Rezeptor (oft ein Enzym) hat eine einzigartige Struktur (Schloss) und benötigt daher auch eine einzigartige Struktur (Schlüssel), mit der er interagieren kann. Der Schlüssel – Wortspiel beabsichtigt – zu einer vorteilhaften Bioaktivität ist die strukturelle Unversehrtheit der pharmazeutischen Verbindung, um die exakte Passform zu gewährleisten“, erklärt Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien und Koautor der Studie.

Verdaut, bevor sie wirken können

Allerdings werden Pharmazeutika, die in den Körper gelangen, von denselben Enzymen abgebaut, die auch Essensbestandteile verarbeiten. „Diese Art von Aufräummaschinerie ist für unseren Körper zwar essenziell um ihn zu schützen, unglücklicherweise ist sie oft nicht spezifisch und Pharmazeutika werden metabolisiert, sobald sie in den Körper gelangen“, stellt Christopher Teskey, Ko-Erstautor der Studie, fest. Dadurch können Medikamente ihre vorteilhaften Eigenschaften verlieren. „Ein Großteil dieses Abbaus erfolgt an der Bindungsstelle zwischen Kohlenstoff und Wasserstoffatomen. Diese C–H Bindungen könne leicht oxidiert werden“, erklärt Co-Erstautorin Pauline Adler.

Fluoratom bindet stärker

Einen vielversprechenden Ansatz, um dieses Problem zu lösen, haben ChemikerInnen vor einigen Jahren entdeckt: Den Tausch von besonders schwachen C–H Bindungen mit viel stärkeren C–F Bindungen. Obwohl sich Wasserstoff und Fluor in manchen Aspekten stark unterscheiden, sind deren Größen vergleichbar und man kann davon ausgehen, dass der Austausch nur einen minimalen Effekt auf die Struktur des Medikaments hat, wie Maulide erklärt: „Durch dessen unterschiedliche elektronische Eigenschaften kann ein strategisch platziertes Fluoratom zusätzliche Interaktionen mit dem Ziel erzeugen und dadurch den erwünschten Effekt verstärken.“ Zudem könne das Einführen von Fluor in ein Medikament dessen Eigenschaften so verändern, dass es leichter vom Körper aufgenommen werden könne, ergänzt Koautor Daniel Kaiser.

Fluorid ist erst der Anfang

Die Einführung von Fluor kann eine Vielzahl von vorteilhaften Effekten auf Pharmazeutika haben, jedoch ist die Platzierung auf organische Moleküle oft nicht einfach. „Die meisten Chemiker versuchten Fluor einzuführen, indem sie negativ polarisierte organische Moleküle mit einem F+-Reagenz reagieren ließen. Wir haben das Gegenteil gemacht: Wir wechselten die Polarität des organischen Moleküls, sodass wir dasselbe Fluorid verwenden konnten, das auch in Zahnpasta verwendet wird“. „Der neu entwickelte Ansatz verwendet günstiges Ausgangsmaterial und ist einfach zu handhaben“, freut sich Maulide. „Die Methode um Wasserstoff unter einfachen Bedingungen mit Fluor zu ersetzen, ist nur der Anfang. Wir können uns vorstellen, dies mit einer Reihe anderer Pharmazeutika zu machen und die Eigenschaften der neu erzeugten Analoga zu erforschen.“

Originalveröffentlichung:
 Pauline Adler, Christopher J. Teskey, Daniel Kaiser, Marion Holy, Harald H. Sitte, Nuno Maulide: α-Fluorination of carbonyls with nucleophilic fluorine. Nature Chemistry, 4. März 2019


Titelbild: Irina Shi/shutterstock.com
Quelle: IDW online Nachrichten Bunte Welt

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