Bei Blitzeis und Schneefällen verzeichnen Deutschlands Notaufnahmen jedes Jahr einen Anstieg an Knochen- und Gelenkverletzungen – Orthopäden und Unfallchirurgen haben bei Glatteis-Stürzen alle Hände voll zu tun. Kliniken passen unter großem Aufwand ihre OP-Tages- und Notfallprogramme an und öffnen zusätzliche OP-Säle, damit die Notfallteams den erhöhten Anfall an akuten Verletzungen versorgen können.
Kritische Körperteile wie den Kopf zu schützen
„An Glatteis-Tagen operieren wir rund um die Uhr. Bei Brüchen an Armen und Beinen können wir schnell und gut helfen. Bei Stürzen auf Kopf, Becken und Hüfte können Verletzungen auch lebensbedrohlich werden“, sagt Prof. Dr. Ulrich Stöckle, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Daher rät die Fachgesellschaft, mit der richtigen Sturztechnik kritische Körperteile wie den Kopf zu schützen. Dabei soll die Sturzenergie teilweise auf Körperteile wie die Hände umgeleitet werden. Einer der Tipps heißt daher: Bei Glatteis Hände aus den Taschen.
Worauf es beim Stürzen ankommt
DGOU-Präventionsexperte Dr. Christopher Spering erklärt: „Wir vermeiden den Aufprall auf den Hinterkopf, wenn wir bei Glatteis langsam gehen und den Körperschwerpunkt leicht nach vor verschieben – rutschen wir aus und kommt es zum Sturz, fallen wir eher nach vorne. Hier können wir uns entweder mit den Händen abfangen oder seitlich abrollen. Beim Sturz auf Glatteis ist es entscheidend, den Körper bewusst zu entspannen, die Energie des Aufpralls über eine größere Fläche zu verteilen und kritische Bereiche wie den Kopf zu schützen. Das muss eigentlich von Kindheit an trainiert werden, damit im Notfall die Reflexe richtig einsetzen. Daher rate ich Eltern, schon mit ihren Kindern über Sturzrisiken zu sprechen und die Technik zu trainieren. Man muss sich das vorstellen wie bei einem Fußballspieler: Sie lernen, wie sie sich seitlich oder über die Schulter abrollen können, um die Aufprallenergie zu verteilen. Kinder und Erwachsene können das beispielsweise auf einem Trampolin üben. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen.“
Stürze für ältere Menschen oder bei Einnahme von Blutverdünnern besonders gefährlich
Ein Sturz auf den Kopf oder die Hüfte kann gerade für ältere Menschen oder bei Einnahme von Blutverdünnern sehr gefährlich werden – es drohen schwere Verletzungen wie Blutungen im Gehirn, ein Schädel-Hirn-Trauma oder ein Oberschenkelbruch. Daten aus dem „TraumaRegister DGU“ zeigen, dass die Zahl der Schwerverletzten durch Stürze bei den über 70-Jährigen in den Wintermonaten stark steigt. Experten sehen hierbei einen unmittelbaren Zusammenhang zu den jährlichen Glatteisunfällen. Spering, Leiter der DGOU-Sektion Prävention, erklärt: „Ältere Menschen sind aufgrund ihrer geschwächten Knochensubstanz viel gefährdeter. Bei einem Sturz kommt es daher schnell zu einem Bruch von großen und sonst stabilen Knochen wie der Hüfte. Eine Hüftprothese ist dann nötig, um die Mobilität zu erhalten. Durch die Operation werden die älteren Menschen jedoch in erheblichem Umfang belastet.“
So sind Fußgänger sicher unterwegs
Damit Fußgänger auf spiegelglattem Untergrund sicherer unterwegs sind, geben Orthopäden und Unfallchirurgen weitere Tipps:
- Vorbeugend langsam zu gehen – der Pinguin macht es vor. Beim Pinguin-Gang wird der Körperschwerpunkt über dem vorderen, also dem auftretenden Bein ausgerichtet. Man bewegt sich äußerst langsam und schiebt sich mit kleinen Schritten auf ganzer Sohle über den Boden. Die leicht nach vorn geneigte Körperhaltung sorgt so für mehr Stabilität. Damit sinkt die Gefahr, auf spiegelglattem Untergrund das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Sollte es doch zu einem Sturz kommen, kann durch die leicht nach vorn gebeugte Haltung reflexartiger nach vorne gefallen und abgerollt werden.
- Halt suchen, zum Beispiel mit einer Person eingehakt gehen oder sich an der Häuserwand oder einem Geländer entlang tasten.
- Im Winter sollte man nur Schuhe mit Profil tragen. Wer im Arbeitsleben elegante Schuhe tragen muss, sollte auf diese erst im Büro wechseln.
- Durch die Nutzung von Schuh-Spikes lässt sich auch normales Schuhwerk wintertauglich machen. Die Spikes, auch als Anti-Rutsch-Sohle bezeichnet, lassen sich schnell und unkompliziert am Schuh befestigen und schützen so vor dem Ausrutschen.
- Eis-Pickel für Krücken und Gehstöcke sind leicht montierbar und können bei Nichtgebrauch hochgeklappt werden.
- Das Fahrrad sollte im Winter keine Saison haben. Da das Rad keine Winterreifen besitzt, rutschen die Räder beim Bremsen auf Schnee und bei Glätte schnell zur Seite weg – eine hohe Unfallgefahr.
- Für gangunsichere ältere Menschen: Keine unnötigen Gefahren eingehen und bei Glätte möglichst zu Hause bleiben.