0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1714 Aufrufe

Pharmaindustrie zieht sich aus Forschung zurück – Diskussion mit Experten und EU-Institutionen in Brüssel

(c) isak55/Shutterstock.com

„Wir brauchen einen New Deal für die Entwicklung neuartiger Antibiotika. In den vergangenen Jahren haben sich mehrere große Pharmaunternehmen aus der Entwicklung zurückgezogen. Dieser Trend muss dringend gestoppt werden, denn er stellt eine Gefahr für die Patientenversorgung dar.“ Das forderte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), anlässlich der Veranstaltung „Die schleichende Pandemie“ am 15. November 2022 in Brüssel.

Neue Anreizsysteme müssten dafür sorgen, dass Antibiotika für die Entwickler auch dann profitabel sind, wenn sie als Reserve für die Behandlung von schweren Erkrankungen bei Menschen vorgehalten werden. „So wäre es beispielsweise denkbar, das Verwendungsrecht für neuartige Antibiotika zu vergüten – unabhängig von der eingesetzten Menge“, erklärte Reinhardt.

Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

Auf der Veranstaltung diskutierten rund 180 Vertreterinnen und Vertreter von EU-Institutionen, Bund, Ländern, Unternehmen und Verbänden auf Einladung der Bundesärztekammer, der EU-Vertretung des Freistaates Bayern und der Bayerischen Landesärztekammer darüber, wie die Europäische Union den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen voranbringen könnte.

Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion verbessern

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sagte: „Ein New Deal für die Antibiotika-Entwicklung bedeutet auch, dass wir die Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion verbessern müssen. Dazu ist vorausschauende Strukturpolitik auf allen Ebenen gefordert – in Bayern, in Deutschland und auf EU-Ebene. Unser Ziel muss sein, die Produktion noch stärker an den Standort EU zu binden und damit auch Abhängigkeiten von Drittstaaten wie China oder Indien zu reduzieren. Neben der Strukturpolitik auf allen Ebenen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit unverzichtbar. Im Freistaat haben wir dazu einen Bayerischen Aktionsplan gegen Antibiotikaresistenzen aufgelegt, der die Kräfte aus allen Bereichen bündelt.“

Einsatz von Antibiotika im Agrarsektor weiter reduzieren

Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, erklärte: „Zur Lösung des Problems der zunehmenden Antibiotikaresistenzen braucht es einen umfassenden ‚One Health‘-Ansatz, der über einzelne Maßnahmen im Gesundheitsbereich hinausgeht. Denn die Gesundheit von Mensch, Tier und Ökosystem ist eng miteinander verknüpft. Konkret heißt dies etwa: Im Agrarsektor müssen wir den Einsatz von Antibiotika weiter reduzieren. Denn noch immer werden in einigen europäischen Ländern in der Landwirtschaft mehr Antibiotika eingesetzt als in der Humanmedizin.“

Im Sinne von „One Health“ dürfe auch nicht vergessen werden, dass schwindende Lebensräume für Wildtiere, verursacht durch den Klimawandel, eine wachsende Bevölkerung, zunehmende Mobilität und industrielle Landwirtschaft, generell eine stärkere Verbreitung von Zoonose-Erregern beförde, die zwischen Mensch und Tier übertragen werden können. Damit gehe fast automatisch ein steigender Einsatz von Antiinfektiva einher, so Quitterer. Eine global denkende, auf die Zukunft ausgerichtete Gesundheitspolitik müsse deshalb „der Bekämpfung des Klimawandels, der Erhaltung der natürlichen Habitate der Tierwelt sowie der Biodiversität höchste Priorität einräumen und eine Verbesserung der Haltungsbedingungen von Nutztieren anstreben.“

Wirksamkeit der CIA-HP nicht gefährden

BÄK-Präsident Reinhardt sprach sich außerdem für den rationalen und verantwortungsbewussten Einsatz von Antibiotika aus, um Selektionsprozesse und die Entwicklung von Resistenzen einzudämmen. Dies gelte besonders für die von der Weltgesundheitsorganisation für die Behandlung von Menschen essenziell eingestuften Antibiotika („critically important antimicrobials of highest priority“, CIA-HP). Gesundheitsversorgung für Mensch und Tier, Nutztierhaltung, Lebensmittelproduktion und Umweltschutz müssten ineinandergreifen und eine kohärente Reduktionsstrategie verfolgen. „Insbesondere muss der Verbrauch von CIA-HP in der Tiermedizin strenger reguliert und auf ein Minimum gerechtfertigter Fälle reduziert werden“, forderte Reinhardt.

Holetschek verwies auch auf das Problem der Antibiotikaresistenzen und die Risiken durch Antibiotika in den Abwässern hin, die die Resistenzbildung bei Bakterien beförderten. „Deswegen brauchen wir eine Produktion nach europäischen Sozial- und Umweltstandards. Ich rufe die EU auf, keine Importe mehr zuzulassen, wenn diese Standards bei der Produktion im Ausland nicht eingehalten werden, und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ein Programm aufzulegen, um die heimische Herstellung zu fördern“, so Holetschek.

 

Quelle: Quintessence News/BÄK Politik Interdisziplinär Nachrichten

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
14. Nov. 2024

Nicht davon abhalten lassen, in die Selbstständigkeit zu gehen

Gesundheitspolitik, Spielräume der Standespolitik und Angebote für den Nachwuchs: der KZVB-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges zu Gast bei „Dental Minds“
14. Nov. 2024

30 Jahre VDDS – ein Grund zum Feiern

Ein Rückblick auf drei Jahrzehnte Softwareentwicklung und Arbeit im Dienst der deutschen Zahnmedizin
11. Nov. 2024

Die Ampel scheitert im Gesundheitswesen am schlechten Management des Ministers

Noch stehen Sieger und Verlierer des Ampel-Endes nicht fest und auch Karl Lauterbach ist noch nicht für immer Geschichte – die Kolumne von Dr. Uwe Axel Richter
11. Nov. 2024

„Die Bilanz der Ampel-Koalition ist mehr als dürftig“

Ärzte- und Zahnärzteschaft schauen skeptisch auf Ampel-Bilanz im Gesundheitsbereich und erwarten Stillstand bei Gesetzgebungsverfahren
11. Nov. 2024

Jetzt erst recht die Versorgungsthemen in Öffentlichkeit und Politik tragen

Gesundheitsgesetze benötigen Versorgungsnähe und Augenmaß – KZBV-Vertreterversammlung sieht erhebliche Mängel bei aktuellen Gesetzgebungsverfahren
11. Nov. 2024

Kurz und knapp

Kurznachrichten und Informationen aus der (dentalen) Welt – November 2024
8. Nov. 2024

DANK fordert: Kindergesundheit endlich politisch ernstnehmen

Nach aktuellen Studien ist der Zuckerkonsum in den ersten 1.000 Tagen entscheidend für die Gesundheit im Erwachsenenalter
7. Nov. 2024

Specht-Riemenschneider: „Datenschutz von vornherein mitdenken“

Hauptversammlung des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte in Kassel befasst sich mit Datenschutz und beschließt einstimmig Resolution zur Reform des Gesundheitswesens