Auch 2020 geht es in der Gesundheitspolitik mit hoher Intensität weiter – und das nicht nur wegen neuer Gesetzentwürfe aus dem Haus des Bundesgesundheitsministers. Welche Themen die Zahnärzteschaft umtreiben und die Politik schon zum Jahresbeginn beschäftigen, zeigten die Statements auf dem Neujahrsempfang am 28. Januar 2020 in Berlin.
Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, warb um Unterstützung der anwesenden Abgeordneten vor allem bei den Themen, die die Patientenversorgung unmittelbar beeinträchtigten. Das deutsche Berufsrecht werde sich durch geplante EU-Regelungen zur sogenannten Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Schlechteren verändern: „Wenn wir nicht hart gegensteuern und alle an einem Strang ziehen, entsteht hier ein gigantisches Bürokratiemonster, das die Selbstverwaltung knebelt“, so Engel.
MZV-GmbH auch unter Berufsordnung stellen
Weiterer Kritikpunkt ist die fortschreitende Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung: „Hier geht es im Kern um einen Zielkonflikt zwischen unserer ärztlichen Berufsethik sowie Berufsordnung und den Rendite-Vorgaben, mit denen Private Equity Gesellschaften Investments im Gesundheitswesen suchen.“ An die MdBs appellierte er, für eine gesetzliche Regelung zu sorgen, die verhindert, dass berufsfremde Investoren Einfluss auf die Behandlung der Patienten nehmen könnten. Zudem müsse erreicht werden, dass auch „juristische Personen des Privatrechts“, also Z-MVZ als GmbH, an die Berufsordnung gebunden seien.
Zahnärzte beim Präventionsgesetz als Vorbild
Statt des sonst üblichen Reigens der gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen übernahm es diesmal Erwin Rüddel, MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit, für seine Bundestagskollegen zu sprechen, und erinnerte an den Gesetzesmarathon mit 21 Gesundheits- und Pflegegesetzen in 21 Monaten. Er sei zuversichtlich, dass sich Lösungen zu den angesprochenen Problemen finden ließen. Gesundheitspolitik sei ein dynamischer Prozess, viel stünde dieses Jahr noch an. Für ihn sei unter anderem die Reform der Notfallversorgung ein sehr wichtiges Vorhaben. An die Zahnärzteschaft gerichtet, sagte er: „Wir brauchen Sie. Sie sind ein wichtiges Element für das Gesundheitssystem“. So bleibe die Behandlung Pflegebedürftiger und Menschen mit Behinderung weiterhin eine Herausforderung, der Behandlungsbedarf würde zukünftig weiter steigen. Hier seien noch mehr niedrigschwellige Leistungen ambulant und stationär nötig.
In der Digitalisierung habe man zehn Jahre verloren. Er sei aber zuversichtlich, „dass wir in Deutschland in zwei bis drei Jahren aufgeholt haben werden zu Ländern, die momentan als Vorbild gelten“. Der Bundestag werde sich auch mit der Novelle des Präventionsgesetzes befassen. Dafür seien die Zahnärzte ein wichtiges Vorbild für die gesamte Medizin. Der Paradigmenwechsel „Vorsorgen statt Versorgen“ in der Zahnmedizin habe sich ausgezahlt, sie gelte damit als Orientierungshilfe und Vorbild.
Was die privaten Investoren in der Zahnmedizin angehe, werde man beobachten, wie sich die gesetzlichen Regelungen auswirkten. Zudem werde das vom BMG beauftragte Gutachten Klarheit darüber bringen, ob weitere Schritte nötig sein werden.
Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung tragende Pfeiler
An diesem Punkt knüpfte Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), in seinem Statement an. Er betonte Bedeutung von Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung für das Gesundheitssystem in Deutschland betont. Diese Werte seien tragende Pfeiler der flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Versorgung. Sie zu stärken und zu verteidigen sei eine der wichtigsten Aufgaben von Politik und Vertragszahnärzteschaft.
„Es darf uns nicht gleichgültig sein, wer die zahnärztliche und ärztliche Versorgung leistet“, sagte Eßer mit Blick auf die weiter fortschreitende Kommerzialisierung eines eigentlich gemeinwohlorientierten Gesundheitssystems, etwa durch rein zahnärztliche Medizinische Versorgungszentren unter Kontrolle von Fremdinvestoren (I-MVZ). Er griff damit die Redebeiträge von Unionsabgeordneten, unter anderem Rüddel, aus der Debatte über einen Antrag der Fraktion Die Linke im November 2019 auf. Deren Tenor war, dass es egal sei, wem ein MVZ oder eine Einrichtung gehöre, solange die Versorgung gewährleistet und die Patienten zufrieden seien.
Vertrauen spielt eine zentrale Rolle
„Im Gesundheitswesen spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und freiberuflich tätigen, weisungsunabhängigen Zahnärzten ist daher einer der Erfolgsgaranten dieses Systems.“ Gehe dieses Vertrauen durch Renditevorgaben verloren, dann wären die Auswirkungen auf die freiberufliche Berufsausübung und die am Patientenwohl orientierte Versorgung unabsehbar. „Deshalb werbe ich dafür, dass wir zur Sicherstellung und Gestaltung der Versorgung mit der Politik im Dialog bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, unser freiberufliches und selbstverwaltetes Gesundheitssystem zu verteidigen, zu stärken und für Patienten und bewährte Praxisformen zukunftsfest zu machen.“
Papierloses Antragswesen auf dem Weg
Zum Thema Digitalisierung berichtete Eßer, dass in einigen KZVen mehr als 95 Prozent der Zahnarztpraxen an die Telematikinfrastruktur angeschlossen seien. Mit Hochdruck werde zudem an der Realisierung nutzenstiftender Anwendungen für die zahnärztliche Versorgung gearbeitet. So sei kürzlich mit dem GKV-Spitzenverband der Vertrag zum papierlosen Antrags- und Genehmigungsverfahren unterschrieben worden. „Das elektronische Verfahren für antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen – Stichwort Zahnersatz – ist zentraler Baustein unserer Digitalisierungsstrategie. Damit verbundene Verbesserungen werden eine deutliche Bürokratiereduktion für Praxen und mehr Transparenz für Versicherte mit sich bringen“, kündigte Eßer an. Ebenso habe die Finanzierung zur Einführung eines sicheren Kommunikationsnetzes (KOM-LE) mit den Kassen vereinbart werden können.
Klare Regelungen zur Haftung bei Datenschutz und Datensicherheit
Mit Blick auf das Digitale Versorgung-Gesetz 2, das jetzt in Vorbereitung ist, appellierte der KZBV-Vorstandsvorsitzende erneut eindringlich an den Gesetzgeber, klare Regelungen zur Haftung der Zahnärzte in Bezug auf Datensicherheit und Datenschutz zu schaffen: „So eindeutig wie unsere Verantwortung für diese wichtigen Aspekte der Digitalisierung in der Praxis ist, so klar muss geregelt werden, dass diese Verantwortung nur bis zum Konnektor für die TI gelten kann – und nicht darüber hinaus.“ (MM)
(Quellen: Klartext der BZÄK/Pressemeldung der KZBV/QN)