Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union können für Rechtsanwaltskanzleien ein Fremdbesitzverbot für reine Kapitalgesellschaften per Gesetz regeln. Das hat der Europäische Gerichtshof im Dezember 2024 nach rechtlicher Prüfung entschieden. Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung sehen in dieser Entscheidung auch eine Vorlage für ein Verbot von Fremdinvestoren auch bei Zahnarztpraxen, hier mit Blick auf investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren.
„Ob Rechtsanwaltskanzlei, Arzt- oder Zahnarztpraxis – Finanzinvestoren haben Freiberuflerpraxen als Renditeobjekte ausgemacht. Dabei steht es außer Frage, dass das erklärte Ziel eines Finanzinvestors – die Gewinnmaximierung – Einfluss auf die Organisation und die Tätigkeit einer Freiberufler-Gesellschaft haben kann. Überzogene Renditeerwartungen führen oft dazu, dass die Interessen der Mandanten, Kunden oder gar Patienten hintenangestellt werden, um die Gewinne zu steigern“, so die gemeinsame Meldung von BZÄK und KZBV.
Aus diesem Grund hatte sich der deutsche Gesetzgeber entschlossen, Rechtsanwaltsgesellschaften einem Fremdbesitzverbot zu unterwerfen. Dieses untersagt es der Anwaltschaft, reine Kapitalinvestoren in ihre Kanzleien zu holen. Damit soll die anwaltliche Unabhängigkeit gestärkt und die anwaltliche Berufsausübung vor Einflussnahme von Investoren auf die Mandatsführung und -auswahl unter Rentabilitätsgesichtspunkten geschützt werden.
EuGH-Urteil zu Rechtsanwaltskanzleien
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Regelung nun einer kritischen Prüfung unterzogen. In seinem mit Spannung erwarteten Urteil vom 19. Dezember 2024 (Az.: C-295/23) hat das Gericht jetzt festgehalten: „Ein Mitgliedstaat darf die Beteiligung reiner Finanzinvestoren am Kapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft verbieten. Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs ist durch das Ziel gerechtfertigt, zu gewährleisten, dass Rechtsanwälte ihren Beruf unabhängig und unter Beachtung ihrer Berufs- und Standespflichten ausüben können“, so das Gericht.
In der Pressemeldung zur Entscheidung heißt es: „Diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs ist durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Ein Mitgliedstaat kann nämlich legitimerweise davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt nicht in der Lage wäre, seinen Beruf unabhängig und unter Beachtung seiner Berufs- und Standespflichten auszuüben, wenn er einer Gesellschaft angehörte, zu deren Gesellschaftern Personen zählen, die ausschließlich als reine Finanzinvestoren handeln, ohne den Rechtsanwaltsberuf oder einen anderen, vergleichbaren Regeln unterliegenden Beruf auszuüben. Eine solche Beschränkung geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.“
Damit stütze der EuGH laut Auffassung von BZÄK und KZBV die auch von der Zahnärzteschaft wiederholt erhobene Forderung, auch den Schutz der Patientinnen und Patienten vor der Einflussnahme durch Finanzinvestoren gesetzlich sicherzustellen. Dazu sagte der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Konstantin v. Laffert: „Es ist und bleibt ein nicht zu erklärender Widerspruch: Zur Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit hat der Gesetzgeber Regeln geschaffen, aber dort, wo es um unser höchstes Gut Gesundheit geht, lässt sich die Politik von der irrigen Hoffnung tragen, der Markt würde es schon richten.“
Einwand gegen Reglementierung vom Tisch
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Martin Hendges, sagte: „Der Einwand mancher Politiker und Investoren, eine Reglementierung der Investorenbeteiligung an Zahnarztpraxen sei verfassungs- oder europarechtswidrig, ist mit der Entscheidung des EuGH nun endgültig vom Tisch. Wir fordern die Parteien der zukünftigen Regierungskoalition erneut auf: Nehmen Sie endlich den Schutz der Patientinnen und Patienten in Ihre Programme auf und schützen Sie die zahnärztliche Unabhängigkeit durch Regulierung der Investoren in der Zahnheilkunde!“
Vorschläge auf dem Tisch
Die BZÄK und die KZBV haben dazu Vorschläge aus dem Bereich des SGB V und des Zahnheilkundegesetzes auf den Tisch gelegt. „Nun wird es Zeit, endlich zu handeln, um den Patientenschutz und die gewachsenen Strukturen eines der besten zahnmedizinischen Versorgungssysteme der Welt nicht weiter mit Füßen zu treten“, so der Appell. Aktuell gibt es etwas mehr als 460 sogenannte i-MVZ in Deutschland, die zum größten Teil zu Ketten einzelner Investoren gehören.