„Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lässt die Bevölkerung bluten“, so die Zahnärztekammer Nordrhein. Denn die Kürzung der Behandlung von Parodontitis – die sich unter anderem durch Zahnfleischbluten äußert – gefährde die Mundgesundheit von rund 35 Millionen Betroffenen. „Das Handeln des Ministers ist unverantwortlich und schadet unseren Patientinnen und Patienten“, sagt Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein.
Erst 2021 war die Parodontitisbehandlung nach modernstem, wissenschaftlichem Standard in den Versorgungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden, um der Volkskrankheit Parodontitis Einhalt zu gebieten, so die Kammer. Die häufig unterschätzte Krankheit, die sich unter anderem durch Zahnfleischbluten äußert, kann unbehandelt zum Zahnverlust führen. Darüber begünstigt sie – wissenschaftlichen Studien folgend – zahlreiche weitere Erkrankungen, beispielsweise Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Alzheimer.
Kürzungen nicht nachvollziehbar
Dass der Bundesgesundheitsminister ausgerechnet hier den Rotstift ansetzt, ist nicht nachzuvollziehen. „Jeder investierte Euro in die Parodontitisbehandlung bewirkt langfristig eine Ersparnis von 76 Euro durch die Vermeidung von anderen Erkrankungen“, erklärt Hausweiler. Die Folgekosten einer unbehandelten Parodontitis beliefen sich auf einen Zeitraum von zehn Jahren je nach Quelle auf 35 bis 60 Milliarden Euro. „Lauterbachs Rechnung geht auch gesundheitsökonomisch nicht auf. „Es ist Irrsinn, an dieser Stelle zu sparen!“
Gesundheitspolitik gefährdet ambulante zahnärztliche Versorgung
Verbunden mit zahlreichen weiteren Fehlentwicklungen wie der Bürokratiebelastung, die –auf Kosten der Behandlungszeit für die Patienten – immer mehr Kapazitäten in den Praxen bindet, ist die ambulante zahnärztliche Versorgung in Gefahr. Eine Studie im Auftrag der Apobank habe ergeben, dass die Bürokratie rund 73 Prozent der befragten jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte von einer Praxisgründung abhalte. Niedergelassenen Zahnärzten falle es daher zunehmend schwerer, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für ihre Praxen zu finden.
„Brauchen Politikwechsel“
Wenn Lauterbach seinen Kurs nicht unmittelbar korrigiert, drohen Terminengpässe und langfristig ein Praxissterben. „Wir brauchen einen Politikwechsel, denn dieser Gesundheitsminister gefährdet die ambulante Versorgung“, so Dr. Hausweiler.
Die Sparmaßnahmen hinderten die Bekämpfung der Krankheit: Infolge der Sparpolitik seien die Neubehandlungsfälle in den Praxen 2023 zwischenzeitlich auf rund 92.000 pro Monat gesunken, 2022 lag die Zahl der Neubehandlungsfälle noch bei durchschnittlich 120.000 pro Monat.
Hohe Folgekosten bei unbehandelter Parodontitis
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung beziffert die Folgekosten durch die Einsparung bei der Parodontitisbehandlung auf 200 Millionen Euro im zahnärztlichen Bereich. Langfristig verantworte das Bundesgesundheitsministerium durch die Sparmaßnahmen aus Sicht der Zahnärzteschaft 35 Milliarden Euro indirekter Krankheitskosten, dazu zählen neben dem Zahnverlust auch wirtschaftliche Folgen durch den Ausfall am Arbeitsplatz. Die European Federation of Periodontology beziffere diese Mehrkosten sogar auf 60 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren, so die Meldung der ZÄK Nordrhein.