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16. Europatag der Bundeszahnärztekammer diskutierte über Forderungen nach einer europäische Gesundheitsunion

(c) BZÄK/Nürnberger

Welche Rolle spielt die Gesundheitspolitik der Europäischen Union? Welche Aufgaben und Probleme sollten auf europäischer Ebene geregelt werden? Darauf hat die Corona-Pandemie ein verändertes Licht geworfen und Handlungsbedarf sichtbar gemacht. Derzeit häufen sich daher die politischen Forderungen nach mehr gemeinsamer europäischer Gesundheitspolitik.

Der als Zoom-Konferenz durchgeführte 16. Europatag der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) Mitte April 2021 befasste sich unter dem Titel „Schaffung einer Gesundheitsunion – Wunsch und Wirklichkeit“ mit den Forderungen, ihrer Umsetzbarkeit und den Folgen. Gemeinsam mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, Vertretern der Europäischen Kommission, der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU sowie Experten wurde über die Frage diskutiert, ob die Europäische Union künftig mehr Kompetenzen im Gesundheitsbereich benötigt oder ob das bestehende Instrumentarium der EU-Verträge den Anforderungen genügt.

Gesundheitssysteme grundsätzlich Sache der Mitgliedsstaaten

„Eigentlich“ gestalten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) ihre Gesundheitssysteme eigenverantwortlich, auch wenn Gesundheitsschutz und Gesundheitsvorsorge auf der europäischen Ebene diskutiert und gemeinsame Maßnahmen und Absichten beschlossen werden, so zuletzt im Vertrag von Lissabon. Auch Regulierungen in anderen Bereichen – so bei Freizügigkeit, Dienstleistungen, Berufsausbildung und Anerkennungen, Medizinprodukten etc. – berühren die nationalen Gesundheitssysteme.

BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel
Screenshot: Quintessence News
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel begrüßte, dass die EU ihre Reaktionsfähigkeit in Krisenzeiten stärken will. „Wir müssen die notwendigen Lehren aus der Pandemie ziehen“, so Engel. „Die Erfahrungen der Pandemie haben gezeigt, dass hier Nachholbedarf besteht.“

Vertiefte Diskussion notwendig

Allerdings warnte der BZÄK-Präsident angesichts höchst unterschiedlicher Gesundheitssysteme davor, voreilig mehr gesundheitspolitische Kompetenzen auf die europäische Ebene übertragen zu wollen. Engel rief die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, hierüber eine vertiefte Diskussion zu führen. „Nicht alles, was auf den ersten Blick wünschenswert erscheint, ist machbar“, so Engel.

Resolution des Parlaments, Initiativen der Kommission

In Reaktion auf die COVID-19-Pandemie verabschiedete das Europäische Parlament im Juli 2020 eine Entschließung zur „europäischen Gesundheitspolitik nach der Corona-Pandemie“. Ende 2020 hat die Europäische Kommission mehrere Gesetzesinitiativen unter der Überschrift „Schaffung einer europäischen Gesundheitsunion“ auf den Weg gebracht, mit denen vor allem die Krisenreaktionsfähigkeit der EU verbessert werden soll.
Weitgehende Übereinstimmung herrschte in der Frage, dass die Handlungsfähigkeit der EU für besondere Situationen wie Pandemien und das Monitoring potenzieller Pandemiegefahren und übergreifender Gesundheitsrisiken verbessert werden müsse. Pandemien lassen sich in einer modernen, vernetzten Welt nicht auf nationaler Ebene beherrschen.

Europäische Dimension im Bundestag erst jetzt im Fokus

Deutlich wurde in der Diskussion auch, dass auf nationaler Ebene im Deutschen Bundestag trotz des eigenen Unterausschusses Europa im Gesundheitsausschuss die europäische Dimension der Gesundheitspolitik bis zur Corona-Pandemie eine eher untergeordnete Rolle spielte. Erst jetzt werden die Abgeordneten intensiv über die Vorgänge, Pläne und Vorhaben auf europäischer Ebene informiert, berichtete der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels.

Lehren aus der Pandemie ziehen

Arno Metzler moderierte die Diskussion
Arno Metzler moderierte die Diskussion
Screenshot: Quintessence News
Moderiert von Arno Metzler, Vorsitzender der Gruppe Vielfalt Europa im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, waren sich alle Teilnehmer in der Diskussion einig, dass Lehren aus den Problemen und Fehlern auf europäischer und nationaler Ebene in der Corona-Pandemie gezogen werden müssten. Es sei sinnvoll, die übergreifende Expertise und die zugehörigen Einrichtungen auf europäischer Ebene, wie das ECDC und die EMA, zu stärken. Ob aus dem Wunsch, auf europäischer Ebene auch im Gesundheitsbereich enger zusammenzuarbeiten und schlagkräftiger im Kampf gegen Krankheiten zu werden, weitergehende, in die Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten eingreifende Regelungen abgeleitet werden sollten, wurde kritischer bewertet.

Best-Practice-Modelle und Bottom-up

Es werde nur eine abgespeckte Version der jetzt so oft genannten Gesundheitsunion geben, eine echte Union sei hier gar nicht möglich, so ein Diskussionsbeitrag. Wünschenswert seien vielmehr Best Practice-Modelle, das Lernen an der Basis, ein Bottom-up-Modell, wie es in einigen grenznahen Regionen und in Modellprojekten auch schon praktiziert werde.

Echter Mehrwert für den Patienten entscheidend

Dr. Michael Frank, Präsident der LZK Hessen und der ERO
Dr. Michael Frank, Präsident der LZK Hessen und der ERO
Foto: BZÄK/Nürnberger
Dr. Michael Frank, Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen und Präsident der europäischen Zahnärztevereinigung ERO, fasste in seinem Schlusswort die Forderungen der deutschen und europäischen Zahnärzteschaft an eine künftig intensivere Gesundheitspolitik auf europäischer Ebene zusammen. Man müsse die Themen offen und auch kritisch diskutieren. Entscheidend müsse sein, ob Harmonisierungen einen echten Mehrwert für die Patienten bringen, so Frank.

„Wir stehen noch ganz am Anfang der Diskussion“

Die gewachsenen und bewährten Strukturen in den einzelnen Ländern könne und dürfe man nicht einfach über Bord werfen. Es müsse für die Bürger nachvollziehbar sein, wenn sich etwas ändere, sonst ginge Vertrauen in das Gesundheitssystem verloren. Ob die angekündigten europäischen Pläne gleich in einer Gesundheitsunion münden müsse, auch ob dieser Begriff sinnvoll sei, müsse diskutiert werden, so Frank: „Wir stehen noch ganz am Anfang der Diskussion“. (MM)

Die Video-Aufzeichnung des 16. Europatags steht auf der Internetseite der BZÄK zum Abruf zur Verfügung.

Titelbild: Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, begrüßte die Teilnehmer des Europatags.
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