Der aktuelle Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Stabilisierung der Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird von der Zahnärzteschaft entschieden abgelehnt. Um nachhaltigen Schaden für die vertragszahnärztliche Versorgung der Bevölkerung im Land abzuwenden, haben allein aus Sachsen-Anhalt mehr als 600 Zahnärztinnen und Zahnärzte ein Protestschreiben an den Bundesgesundheitsminister gerichtet.
Die Corona-Pandemie und eine großzügige Gesetzgebung der letzten Bundesregierungen zur besseren Versorgung der Patienten mit mehr Leistungen haben die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung erheblich unter Druck gesetzt. Um das erwartete Defizit von 17 Milliarden Euro auszugleichen, hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach ein Spargesetz vorgelegt, das auch die für die zahnärztliche Versorgung der Patienten zur Verfügung stehenden Gelder kürzen soll. Für 2023 und 2024 sollen die Gesamtvergütung und die Punktwerte unterhalb des Zuwachses, wie er nach der Grundlohnsummenentwicklung möglich wäre, gekappt werden.
Die Zahnärzteschaft befürchtet daraus eine massive Verschlechterung der Patientenversorgung, sollte der Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes das weitere Gesetzgebungsverfahren unverändert passieren. Vor diesem Hintergrund haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen deutschlandweit ihre Mitglieder aufgerufen, einen Offenen Brief an Gesundheitsminister Lauterbach zu unterzeichnen. Allein in Sachsen-Anhalt haben sich 644 Zahnärztinnen und Zahnärzte an dieser Protestaktion beteiligt.
Nachwuchs- und Personalsituation wird schwieriger
In dem Offenen Brief bewerten die Unterzeichner das Gesetzesvorhaben als unverantwortlich. Sie verweisen auf das seit Jahren größer werdende Problem des Nachwuchs- und Personalmangels in den Zahnarztpraxen. Durch die vom Bundesgesundheitsminister geplante unbegründete Wiedereinführung der strikten Budgetierung werde es noch schwieriger, gut ausgebildetes und qualifiziertes Personal zu finden, so die Kritik. Die Qualität der Versorgung in Zahnarztpraxen sei somit massiv gefährdet.
Sachsen-Anhalt besonders unter Druck
Der Vorsitzende der KZV Sachsen-Anhalt und Zahnarzt aus Dessau-Roßlau, Dr. Jochen Schmidt, stellt die besonderen Rahmenbedingungen seines Berufsstandes in Sachsen-Anhalt heraus. „Sachsen-Anhalt ist wie kaum ein anderes Bundesland bereits heute mit einer prekären Versorgungssituation konfrontiert. Wir sind das erste Bundesland, in dem eine drohende kieferorthopädische und zahnärztliche Unterversorgung in bestimmten Landkreisen festgestellt wurde; und in Teilen des Landes ist eine Unterversorgung bereits heute gegeben“, betont Schmidt.
Gesetz torpediert positive Ansätze im Land
Aufgrund der Tatsache, dass nur noch etwa die Hälfte der ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen für ihre Praxen eine Nachfolge fänden, seien in Sachsen-Anhalt in den vergangenen sieben Jahren fast 300 Praxissitze verloren gegangen. Die wichtigen positiven Anstöße zur Nachwuchsgewinnung und Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung, die die Zahnärzteschaft in Sachsen-Anhalt – bislang ohne nennenswerte Unterstützung der Landespolitik – selbst umsetzt, würden durch das aktuelle Gesetzesvorhaben torpediert.
De facto Leistungskürzungen für die Patienten
„Die Kostendämpfungsmaßnahmen, die Karl Lauterbach im zahnärztlichen Bereich umsetzen möchte, führen de facto zu massiven Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten“, sagt Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt und Zahnarzt aus Magdeburg. So werde etwa die Einführung wichtiger neuer Leistungen, zum Beispiel bei der Behandlung der Volkskrankheit Parodontitis, ausgebremst. Im Ergebnis führe dies zu einer erheblichen Verschlechterung der Mundgesundheit vieler Menschen.
Keine finanzielle Planungssicherheit für die Praxen
Auch der Vorsitzende des Freien Verbandes der Zahnärzte Sachsen-Anhalt, Zahnarzt Mathias Tamm, bewertet die Pläne des Bundesgesundheitsministers kritisch: „Sollte der Staat derart in die Belange der Selbstverwaltung eingreifen, wie im Gesetzesentwurf angedacht, wird die Niederlassungsbereitschaft junger Zahnärztinnen und Zahnärzte deutlich nachlassen. Schließlich würde der finanziellen Planungssicherheit dadurch vollständig der Boden entzogen. Das gilt im gleichen Maße für ältere Zahnärztinnen und Zahnärzte, die seit Jahren immer wieder ihren Ruhestand aufschieben.“