Als ein „starkes Signal des Bundesrates zur Eindämmung von iMVZ“ bezeichnet die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung die am 16. Juni 2023 im Bundesrat mit deutlicher Mehrheit verabschiedete Entschließung „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“. Sie fordert zusätzlich eine fachliche Gründungsbeschränkung von sogenannten Investoren-MVZ im Bereich Zahnmedizin.
Die Gesundheitsminister der Länder hatten schon 2022 die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, den Spielraum von Fremdinvestoren in der ambulanten Versorgung stärker einzuschränken, und eine eigene Initiative angekündigt. Die Länder Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein sowie Hamburg hatten dazu im Mai einen Entschließungsantrag „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ eingebracht, den der Bundesrat nun beschlossen hat. Die Entschließung enthält einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Eindämmung von investorengetragenen MVZ (iMVZ) und beruht auf einem breit getragenen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom Frühjahr.
Räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis
„Das klare Votum des Bundesrates ist ein starkes Signal an den Bundesgesetzgeber, die Versorgung endlich wirksam vor den Gefahren durch iMVZ zu schützen. Dafür kämpft die KZBV schon seit vielen Jahren. Deshalb begrüßen wir die Entschließung der Länderkammer außerordentlich. Insbesondere die räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis, die MVZ-Schilderpflicht und die Einführung eines MVZ-Registers sind wichtige Elemente, um der Vergewerblichung der Versorgung Einhalt zu gebieten“, so Martin Hendges, neu gewählter Vorsitzender des Vorstandes der KZBV.
Fachliche Gründungsbeschränkung „ganz entscheidend“
Aus Sicht der KZBV sollte darüber hinaus für den Bereich der zahnärztlichen Versorgung noch ein zentraler Baustein ergänzt werden, um den Gefahren von iMVZ für die Patientenversorgung speziell in diesem Versorgungsbereich tatsächlich wirksam zu begegnen: „Ganz entscheidend ist, dass neben der räumlichen zwingend auch eine fachliche iMVZ-Gründungsbeschränkung gesetzlich verankert wird“, führt Hendges weiter aus. „Hierzu sollte der bereits 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz für den zahnärztlichen Bereich beschrittene Sonderweg konsequent weiterverfolgt werden. Zahnärztliche MVZ sollten nur von Krankenhäusern mit einer zahnmedizinischen Fachabteilung beziehungsweise einem zahnmedizinischen Versorgungsauftrag gegründet werden dürfen.“
Ball liegt bei Lauterbach
Der Ball liegt nun im Spielfeld von Minister Lauterbach und seinem Haus: „Es ist höchste Zeit, dass der Bundesgesundheitsminister nun endlich seinen eigenen klaren Worten auch Taten folgen lässt. Im Sinne des Patientenwohls ist eine wirksame Regulierung des Investorentreibens überfällig, das unterstreicht der breit und parteienübergreifend getragene Beschluss der Länder sehr deutlich. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der die Forderungen des Bundesrates ergänzt und eine fachliche Gründungsbeschränkung für zahnärztliche MVZ aufgreift, sollte jetzt so schnell wie möglich vorgelegt werden – am besten noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Versorgungsgesetz I“, appelliert Hendges.
„Dramatik der investorgesteuerten Bohrfabriken erkannt“
Auch die Bundeszahnärztekammer reagierte positiv auf die Entschließung des Bundesrats. BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz sagte dazu: „Wir sind sehr erleichtert, dass die Länder die Dramatik der ungebremsten Ausbreitung der investorgesteuerten Bohrfabriken erkannt haben und endlich den in diesen Strukturen unter starkem Umsatzdruck arbeitenden jungen Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern zur Seite springen. Nun ist es an Minister Lauterbach und der Bundesregierung, die Vorschläge des Bundesrates umzusetzen oder noch zu erweitern. Besonders die räumliche Begrenzung ist ein geeignetes Instrument, um die völlige Vergewerblichung der Zahnmedizin zu stoppen.“
Auch Benz fordert den fachlichen Bezug der MVZ: „Wir halten darüber hinaus auch die Einführung eines fachlichen Bezuges des gründungsberechtigten Krankenhauses als auch Änderungen im Zahnheilkundegesetz zur Verhinderung der Übernahme der Zahnmedizin durch rein renditeorientierte Investoren für dringend erforderlich.“
Ausverkauf Freier Berufe stoppen
Konstantin von Laffert, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer: „Die Investorenpraxen tragen weder etwas Relevantes zur Versorgung in unterversorgten Gebieten noch zur Behandlung vulnerabler Gruppen bei, sondern sind in ihrem Streben nach maximaler Rendite gefangen. Nach dem Ausverkauf großer Teile unserer Industrie, wie der Stahl-, Computer- und Pharmabranche nach China beziehungsweise Indien, darf es nicht sein, dass wir auch die Freien Berufe meistbietend an Investoren aus den USA, arabischen Staaten und Schweden verkaufen, ohne die verlässliche und indikationsgerechte zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung im Auge zu haben.“
Inhalte der Entschließung
Die Bundesratsentschließung sieht unter anderem die Schaffung eines bundesweiten MVZ-Registers und eine Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber auf dem Praxisschild vor, da die realen Eigentumsverhältnisse meist nicht ersichtlich seien, vor allem nicht für die Patienten vor Ort.
Darüber hinaus sollen Krankenhäuser künftig nur in einem Umkreis bis zu 50 Kilometer von ihrem Sitz ein MVZ gründen können. Auch wird die Einführung von Höchstversorgungsanteilen für Haus- und Fachärzte – sowohl bezogen auf die arztgruppenbezogenen Planungsbereiche als auch auf den gesamten Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen – vorgesehen.
Zudem enthält die Entschließung Regelungsvorschläge, um die Unabhängigkeit der ärztlichen Berufsausübung im MVZ vor dem Einfluss von Kapitalinteressen zu schützen, beispielsweise durch einen besonderen Abberufungs- und Kündigungsschutz für die ärztliche Leitung und Vorgaben zu deren Mindesttätigkeitsumfang.