Viele Apotheken werden am Mittwoch, 27. September 2023, nachmittags von 13 bis 16 Uhr für drei Stunden schließen. Die Aktion findet parallel zum Deutschen Apothekertag vom 27. bis 29. September 2023 in Düsseldorf statt. Die Apotheken sollen schließen, um den Auftritt von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zu verfolgen, so der Aufruf der Apothekervereinigung ABDA. Sie erwartet von ihm Antworten auf einen Fragenkatalog.
Lieferengpass-Krise, Personalmangel, Honorar-Rückgang – die Lage in Deutschlands Apotheken ist weiterhin angespannt. Die Apothekerschaft werde den diesjährigen Deutschen Apothekertagdaher dazu nutzen, ihre Forderungen zu untermauern, so der ABDA. Schon im Vorfeld des Apothekertags hatte die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sechs Fragen übergeben, auf die die Apothekerschaft vom Minister in seiner Rede auf dem Deutschen Apothekertag zukunftsweisende Antworten erwartet, heißt es in der Meldung des ABDA.
Wirtschaftliche Krise der Apotheken verschärft
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening: „Wir sehen die wohnortnahe Arzneimittelversorgung unserer Patientinnen und Patienten über die Apotheken vor Ort in Gefahr – immer mehr Apotheken schließen aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, die Apothekenzahl befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihrer Verantwortung für die sichere Gesundheits-Versorgung der Menschen in diesem Land gerecht wird und gemäß ihrem Koalitionsvertrag die Apotheken vor Ort stabilisiert. Bislang ist leider das Gegenteil der Fall: Durch eine Honorar-Kürzung hat die Ampel-Koalition die wirtschaftliche Krise der rund 17.800 Apotheken noch verstärkt und die Zukunft der rund 160.000 Apotheken-Beschäftigten auf unsichere Beine gestellt. Die Apotheken sichern die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln und sind vor Ort der niedrigschwellige Zugang zum Gesundheitswesen. Diesen Versorgungszweig wieder solide zu finanzieren, ist für die Bundesregierung das unbedingte Gebot der Stunde.“
Honorare automatisch an die Kostenentwicklung koppeln
Das sogenannte Fixhonorar der Apotheken wurde letztmalig 2013 angepasst. Seitdem sind die Einnahmen der Krankenkassen, die Inflationsrate und die Personalkosten um ein Vielfaches gestiegen. Die sechs Fragen an den Minister drehen sich daher unter anderem um eine überfällige, sofortige Honorar-Anpassung und um eine automatisierte Kopplung des Honorars an die Kostenentwicklung.
Seismograph der Arzneimittelversorgung
Overwiening weiter: „Die Apotheken sind der Seismograph der Arzneimittelversorgung – wir Apothekerinnen und Apotheker wissen, wann etwas schiefläuft in der Versorgung. Neben der Vergütungsfrage geht es in unserem Fragenkatalog um weitere wichtige Punkte: Beispielsweise wollen wir von der Bundesregierung wissen, warum sie den Krankenkassen Einblick in sensible Verordnungsdaten der Patientinnen und Patienten geben will.“
Noch kein Dialog mit Lauterbach möglich
Die ABDA-Präsidentin kritisiert Minister Lauterbach dafür, dass ein Dialog zu diesen wichtigen Punkten bislang nicht möglich war. Gleichzeitig kündigt sie neue Protestmaßnahmen an. „An unserem Protesttag, dem 14. Juni dieses Jahres, haben wir der Politik ein beeindruckendes Signal der Geschlossenheit gesendet. Doch die beiden zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Gesundheit ignorieren unseren Hilferuf ebenso wie unsere Mahnungen. Wertschätzung und Kooperation sehen anders aus! Die Landesapothekerverbände haben die Apothekenteams daher dazu aufgerufen, am Nachmittag des 27. September ihre Türen zu schließen, damit sie die für sie so wichtige Rede des Ministers live im Internet verfolgen können. In dieser Zeit werden die Notdienst-Apotheken die Versorgung aufrechterhalten. Wenn wir auf unsere Fragen zur Zukunft der Arzneimittelversorgung weiterhin keine tragfähigen Antworten erhalten, wird es noch in diesem Herbst eine erneute, groß angelegte Protestwelle der Apotheken geben.“
Allerdings sind nicht alle Apotheken vom erneuten Protestaufruf begeistert. Der Branchendienst „Apotheke adhoc“ berichtet von kritischen Stimmen und Apothekern, die nicht schließen wollen. Solche kurzfristigen Aktionen brächten nichts. Befürwortet werden eher Demonstrationen wie am 14. Juni 2023 beim bundesweiten Apothekenprotest.
Pessimismus bei den Apothekern
Der Pessimismus in den Apotheken in Bezug auf die eigene wirtschaftliche Lage und den anhaltenden Nachwuchs- und Personalmangel nimmt zu. Zugleich werden die Forderungen an die Politik nach stabilen Rahmenbedingungen und einer spürbaren Honorarhöhung immer deutlicher. Rund zwei Drittel (63,6 Prozent) aller Inhaberinnen und Inhaber befürchten, dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer eigenen Apotheke in den nächsten zwei bis drei Jahren verschlechtert. Wenn eine Stelle für einen Apotheker oder eine Apothekerin ausgeschrieben wird, antworten 40,4 Prozent der Befragten, dass sie mit keiner einzigen Bewerbung rechnen.
Neun von zehn wünschen sich bessere Rahmenbedingungen
Das sind Ergebnisse aus dem Apothekenklima-Index 2023, einer repräsentativen Meinungsumfrage von IQVIA im Auftrag der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, der am 26. September 2023 zum Auftakt des Deutschen Apothekertages in Düsseldorf vorgestellt wurde. Wie groß der wirtschaftliche Druck ist, der auf den Apotheken lastet, zeigt sich in den Fragen nach dem Apothekenhonorar: Neun von zehn Apothekerinnen und Apothekern (90,4 Prozent) wünschen sich, dass bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen in den nächsten zwei bis drei Jahren auf der politischen Tagesordnung stehen. Vier von fünf Befragten sagen, dass die Erhöhung des Festzuschlags pro rezeptpflichtigem Arzneimittel von derzeit 8,35 Euro (80,0 Prozent) sowie dessen Dynamisierung (84,2 Prozent) für sie oberste Priorität haben.