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DG Paro, DGZMK, KZBV und BZÄK informieren gemeinsam zum Stand der Parodontitisbehandlung und zu den Perspektiven unter der Budgetierung

Im Webinar (von links): Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, DGZMK, Prof. Dr. Christoph Benz, BZÄK, Prof. Dr. Henrik Dommisch, DG Paro, Martin Hendges, KZBV, Christian Nobmann, KZBV.

(c) Screenshot: Quintessence News

Dr. Marion Marschall

Das Interesse war sehr groß – mehr als 1.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich nach Aussagen von Prof. Dr. Henrik Dommisch für das kostenfreie Webinar „Die PAR-Richtlinie in aller Munde – ein Fazit“ am Abend des 15. November 2023 angemeldet. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie und seine Gäste informierten fast zwei Stunden lang die im Schnitt anwesenden rund 1.000 Teilnehmenden umfassend über den aktuellen Stand und beantworteten Fragen.
 
Mit ihm in den Räumen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) saßen der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Martin Hendges, der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, und Christian Nobmann, Leiter der Abteilung G-BA der KZBV. Alle betonten, dass es gerade jetzt auf den Zusammenhalt der Zahnärzteschaft und den Schulterschluss, die enge Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Wissenschaft und Körperschaften ankomme, um in der Politik für die durch die Budgetierung bedrohte PAR-Therapie noch etwas zu erreichen.

Es geht um die Gesamtgesundheit

Wiltfang betonte, die PAR-Richtlinie sei ein sehr gutes Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Körperschaften und der Wissenschaft, um auch für gesetzlich Versicherte einen Zugang zu dieser präventionsorientierten Therapie auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Leitlinien zu schaffen. Es gehe dabei nicht nur um den Zahnerhalt, sondern eben für die ZahnMediziner auch um die Gesamtgesundheit, betonte Wiltfang die Bedeutung dieser Richtlinie.

Hintergründe und Entwicklung

Christian Nobmann legte noch einmal die Genese und die Ausgestaltung der PAR-Richtlinie dar. Es sei richtig, dass der Zugang zur PAR-Behandlung bewusst niedrigschwellig und ohne Vorleistungen der Patientinnen und Patienten gestaltet sei (das wurde in den F&A aus dem Auditorium durchaus kritisiert). Die Compliance hänge, so wissenschaftliche Studien, an anderen Faktoren. Laut Hendges liege sie in der neuen PAR-Strecke deutlich höher, als im internationalen Vergleich zu erwarten, bei mehr als 80 Prozent.

„Wir sind jetzt in dem Stadium, wo die ersten Patienten am Ende ihrer UPT angelangt sind und wir auch die ersten epidemiologischen Auswertungen fahren können hinsichtlich des Ablaufs und Erfolgs der Behandlung“, so Nobmann. Die neue Richtlinie sei ein großer Erfolg, 2022 seien 1,707 Millionen Versicherte mit PAR-Behandlungen verzeichnet worden.

PAR-Zug jetzt ausgebremst

Für die Anlaufphase der Behandlungen seien drei Jahre auch im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit den Krankenkassen konsentiert worden, in denen eine starke Zunahme der Behandlungsfälle erwartet wurde – auch abhängig von der Einarbeitung der Praxen in die neue Strecke und der Akzeptanz in der Bevölkerung. Danach war ein Verbleiben auf einem Niveau mit einen Ausgleich von abgeschlossenen und neuen Fällen erwartet worden. Doch dieser schwere Zug, der 2022 richtig Fahrt aufgenommen habe, sei nun durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz stark ausgebremst worden, fasste Nobmann es bildlich.

Hoher Bedarf in der – nicht budgetierten – verkürzten PAR-Strecke

Benz rekurrierte auf die schwierige Geschichte der Parodontitistherapie im Berufsstand. Jetzt habe man endlich eine wissenschaftlich fundierte Therapie erreicht, die PAR sei gerade im Aufstieg gewesen und das gemeinsame Ziel habe gelautet, die Kollegenschaft noch mehr für PAR zu motivieren. Nun zögen sich viele in Frust zurück.

Benz verwies als eine Chance für die Praxen auf den hohen Parodontitis-Behandlungsbedarf bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Handicap, wo die Leistungen der verkürzten PAR-Strecke nicht unter die Budgetierung falle. Es gebe 4,96 Millionen Pflegebedürftige, davon seien geschätzt 1,88 Millionen wegen Parodontitis behandlungsbedürftig, es würden aktuell aber nur 0,62 Prozent tatsächlich behandelt – „in der Pflege ist noch viel zu erreichen“, so Benz.

„Keine Paro ist keine Option“

Wie eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gezeigt habe, habe das Ministerium keine Folgekostenrechnung für ausgefallene PAR-Behandlungen, so Benz. Aber ein Paro-Euro spare 76 Gesundheitseuro, rechnete er auf der Grundlage internationaler Studien vor. „Keine Paro ist keine Option“, so Benz in Richtung Politik.

Erstmals großer Zusammenhalt unter den niedergelassenen Heilberuflern

Ermutigend sei dabei der große Zusammenhalt auch unter den niedergelassenen Heilberuflern, so Martin Hendges: Apotheker, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Zahnärztinnen und Zahnärztinnen demonstrierten seit Monaten gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegen die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers und die Missachtung der Leistungen in der ambulanten Versorgung der Menschen in Deutschland.

Ab 2024 wird Budgetierung alle treffen

Aktuell ist die Situation in den einzelnen KZV-Bereichen aufgrund der unterschiedlichen Verfahren der Budgetverhandlungen und -verteilungen in Deutschland noch uneinheitlich. Nicht überall wirkt sich das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz bereits auf die Vergütung der PAR-Behandlung aus. Aber ab 2024 wird es sich überall bemerkbar machen, so Hendges. Und die jetzigen Budgetierungen würden sich über 2024 hinaus auf die Vergütungen auswirken. Deshalb müsse die Politik jetzt noch aktiv werden. Nach jetzigem Stand werde sonst das Budget 2024 nicht einmal für die Fortsetzung der bereits begonnen Behandlungen reichen, für neue Fälle wäre kein Geld mehr da.

 

Prognose des Volumens (aus dem Vortrag von Martin Hendges)
Prognose des Volumens (aus dem Vortrag von Martin Hendges)
Screenshot Quintessence News

 

Ethikfalle – Begründung des BMG als Anregung nutzen

Was aber tun, wenn die Budgetierung für die PAR-Leistungen nicht aufgehoben wird und erbrachte Leistungen aus bereits begonnenen Behandlungen nicht mehr oder nicht mehr vollständig vergütet werden? Wie umgehen mit erforderlichen Neubehandlungen? Wie die Ethikfalle – doch behandeln, auch wenn es nicht bezahlt wird – vermeiden? Hendges lenkte den Blick auf die Begründung, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in seinem Evaluierungsbericht für die stark rückläufige Zahl der Neubehandlungen im Jahr 2023 seit Inkrafttreten des GKV-FinStG (natürlich rein politisch und gegen die Realität) angeführt hat: Die Praxen könnten „aufgrund begrenzter Behandlungskapazitäten“ die Aufnahme von PAR-Behandlungen wegen der erheblichen Ausweitung der Leistungen und der längeren Behandlungsstrecke „nicht beliebig ausdehnen“. Dann könnten die Praxen ja gegebenenfalls auch so agieren, wie das BMG das behaupte.

Versicherte haben Behandlungsanspruch

Ein Ausweichen auf private Vereinbarungen, zum Beispiel für die UPT oder gar die gesamte PAR-Strecke, sei bei gesetzlich versicherten Patienten für Vertragszahnärzte nicht zulässig. Die Versicherten hätten bei Vorliegen eines Befundes und gar begonnener Therapie einen Leistungsanspruch, so Nobmann. Auch wenn es, wie Benz betonte, gelungen sei, mit den Privaten Krankenversicherungen die Behandlungsstrecke einer modernen PAR-Behandlung nach den neuen Leitlinien auf Grundlage der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) aufzusetzen.

Patientinnen und Patienten in den Praxen aufklären

Es gelte daher gerade jetzt, die Patientinnen und Patienten über die Folgen der Gesetzgebung aufzuklären, appellierten alle Referenten an die Teilnehmenden. Die Wünsche aus dem virtuellen Auditorium nach verständlichem Informationsmaterial für die Praxen, mit dem diese dann arbeiten können, habe man als Auftrag wahrgenommen und werde man angehen, so Dommisch. Hendges verwies auf die Kampagne „Zähne zeigen“, die bereits über die vielen Schreiben der Praxen und Patienten an Politiker Wirkung in der Politik erzeuge. Die Kampagne soll fortgeführt und in ihren Aussagen noch geschärft werden, kündigte er an.

Treffen mit Gesundheitspolitikern am 16. November in Berlin

Parallel arbeite man intensiv auf politischer Ebene, wie Dommisch berichtete. Schon am Donnerstag, 16. November 2023, treffe man sich mit den Gesundheitspolitischen Sprechern und Gesundheitspolitikern aller im Bundestag vertretenen Parteien, um die Dringlichkeit des Problems zu vermitteln und Fakten zu präsentieren (bis auf die Linke, die aktuell wegen der Auflösung der Fraktion Probleme habe, hätten alle zugesagt, so Dommisch).

Im Gesundheitsausschuss zum BMG-Bericht Stellung genommen

Natürlich habe man auch im Gesundheitsausschuss in dieser Woche Stellung genommen, so Hendges. Dort sei der Evaluierungsbericht des BMG, der die Daten so umdeute, dass es aus Sicht des Ministeriums nicht zu Rückgängen gekommen sei (eine ausgeweitete Punktmenge wegen einer veränderten Leistungsstrecke sei kein Zuwachs bei real durchgeführten Behandlungen, konterte Hendges die Behauptungen des BMG), bereits diskutiert worden. Weil man erwartet habe, dass das BMG offiziell in seiner Auslegung keinen Rückgang bei den Leistungen sehen wolle (intern seien die vorgelegten Zahlen der KZBV anders kommentiert worden), hat die KZBV gemeinsam mit der DG Paro eine eigene Evaluierung erstellt und bereits Ende September 2023 vorgestellt. Danach ist die Zahl der Neubehandlungen nach der neuen PAR-Richtlinie nach einer kurzen Anlaufphase ab Juli 2021 deutlich gestiegen und nach Inkrafttreten der Budgetierung seit Beginn 2023 drastisch wieder abgefallen, noch unter die niedrigen Zahlen vom Juni 2021 vor Inkrafttreten der neuen Richtlinie (alle Zahlen und der Evaluierungsbericht der KZBV sind auf der Homepage der KZBV abzurufen, ebenso die Kommentierung der KZBV zum – mit Anschreiben nur gut 7 Seiten langen – Bericht des BMG).

„Zahnmedizin raus aus der GKV“ keine Lösung

Der aus dem Auditorium mehrfach geforderte „Ausstieg der Zahnmedizin aus der Kasse“ sei in Deutschland für die Praxen kein sinnvoller Weg, so Benz und Hendges. „Wir können nicht akzeptieren, dass es die Kassenzahnheilkunde nicht mehr gibt. Dann hätten wir amerikanische Verhältnisse. Dann gäbe es Zahnmedizin nur noch für die, die es sich leisten können“, so Benz.

Keine Partner für eine neue Gesundheitspolitik

Hendges verwies auf die extrem hohe Leistungsinanspruchnahme in Deutschland: „68 Prozent aller GKV-Versicherten kommen in unsere Praxis.“ Das wäre in einem anderen System sicherlich anders, da kämen deutlich weniger. Für einen solchen Systemwechsel bräuchte man zudem auch politische Partner, die das wollten. Die seien aber nicht in Sicht. „Die, die jetzt an der Regierung sind, da geht das eher in die ganz andere Richtung, in Richtung Bürgerversicherung“, so Hendges. Es brauche einen politischen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik und dafür eine anders ausgerichtete Regierung. Und dafür seien alle in ihrer Eigenschaft als Wählerinnen und Wähler mit verantwortlich.

„Kämpfen mit allen Möglichkeiten“

Das Ziel sei das Ende jeglicher Budgetierung. „Wir kämpfen mit allen Möglichkeiten und sprechen auch mit allen Leuten“, so Hendges. Man sei auf dem Weg der Selbstzerstörung in diesem Land in fast allen Bereichen. Aber „wir lassen nicht die Köpfe hängen. Wir müssen sehen, wie wir mit dieser Situation umgehen“, so Hendges.

Die vielen Hintergrundinformationen und ehrlichen Einschätzungen stießen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern insgesamt auf ein sehr positives Echo. Das sei sehr informativ gewesen und man wünsche sich mehr davon, hieß es in vielen Kommentaren.

Lauterbach am 17. November bei der BZÄK

Nächster Aufschlag, um die Kritik des Berufsstands an der – im Nachhinein gar nicht in diesem Umfang erforderlichen – Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers anzubringen, ist die Bundesversammlung der BZÄK am 17. und 18. November 2023 in Berlin. Da hat der Minister höchstselbst ein Grußwort für den Freitag angekündigt. Prof. Dr. Karl Lauterbach darf sich auf Gegenwind einstellen.

Dr. Marion Marschall, Berlin

Quelle: Quintessence News Politik Praxisführung Patientenkommunikation Parodontologie

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