Aktuell sind ca. 60 Prozent der Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte in Sachsen-Anhalt über 55 Jahre alt. Das bedeutet konkret: Bis 2026 werden fast 450 niedergelassene Kolleginnen und Kollegen das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen.
In den vergangene vier Jahren hat allerdings nur die Hälfte der Praxisabgeber tatsächlich eine Nachfolge gefunden. Die Konsequenz: Es wurden und werden zahlreiche Zahnarztsitze nicht nachbesetzt. Gleichzeitig geht der Trend beim zahnmedizinischen Nachwuchs zur Anstellung. Zahnarztpraxen konzentrierten sich immer stärker vor allem in Ballungsräumen, die wohnortnahe Versorgung auf dem Land dünne aus, berichtete der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Sachsen-Anhalt, Dr. Jochen Schmidt, beim Pressegespräch der Heilberufe in Sachsen-Anhalt am 13. Januar 2021.
Gemeinsam mit dem Präsidenten der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, Dr. Carsten Hünecke, informierte er über aktuelle Probleme, Herausforderungen und Perspektiven für die Zahnärzteschaft im Land und über die Aktivitäten von Kammer und KZV. Die zweite Welle der Pandemie halte Sachsen-Anhalt fest im Griff. Die Zahnärzte könnten jedoch trotz dieser Belastung vollumfänglich die ambulante gesundheitliche Versorgung in Sachsen-Anhalt absichern, betonte Hünecke.
Schmidt wies ebenfalls darauf hin, dass das vertragszahnärztliche Versorgungssystem trotz der hohen Belastungen für das Gesundheitswesen in der Corona-Pandemie seine Verlässlichkeit und Belastbarkeit unter Beweis gestellt habe. Garant dafür sei das flächendeckende Netz von Einzel- und Gemeinschaftspraxen im Land. Doch dies könnte auch wegen der Altersentwicklung in der Kollegenschaft schon in wenigen Jahren deutliche Lücken aufweisen. Um das zu verhindern und die zahnärztliche Versorgung zu sichern, gehe die KZV im Land daher neue Wege.
„Wir müssen handeln und drohende Unterversorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten proaktiv und zielgerichtet bekämpfen“, erklärte Schmidt. Die KZV habe bereits Projekte und Maßnahmen in die Wege geleitet, die völlig neue Impulse in der Sicherstellung der zahnmedizinischen Versorgung in Sachsen-Anhalt setzen würden. Das im Oktober 2020 eröffnete Zahnforum Halle, das bei den Studierenden vor Ort auf rege Zustimmung stieß, sei beispielsweise ein völlig neuer Ansatz für die Gewinnung und Förderung von zahnmedizinischen Nachwuchskräften.
Neue digitale Plattform, neue Abteilung in der KZV
Derzeit werde zudem mit Hochdruck an einer neuen digitalen Plattform gearbeitet, die Praxisbörse, Serviceleistungen und Stellenportal vereint. Um die Thematik effektiv anzugehen, wurde innerhalb der KZV-Verwaltung eine neue Abteilung „Strategie und Zukunftssicherung“ ins Leben gerufen. Diese suche den Kontakt mit Kommunen und plane Treffen und Workshops mit Wirtschaftsförderung und Kommunalpolitik, um über Rahmenbedingungen für Niederlassungswillige zu beraten und gemeinsame Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Gesetzliche Voraussetzungen für eigenen Strukturfonds geschaffen
Darüber hinaus habe die KZV aufgrund neuer gesetzlicher Bestimmungen nunmehr die Möglichkeit, einen eigenen Strukturfonds zur Förderung der Sicherstellung – unter finanziell gleichwertiger Beteiligung der Krankenkassen – aufzulegen, um daraus unter anderem Sicherstellungszuschläge an Praxen zu vergeben, Stipendien zu finanzieren oder bei Gründungen Zuschüsse zu leisten.
Mehr Studienplätze in Halle
„Die KZV wird nicht nachlassen, auf die drohenden Risiken für den Erhalt der zahnärztlichen Versorgungsstrukturen hinzuweisen und gezielt Maßnahmen zur Sicherstellung der zahnmedizinischen Versorgung und zur Nachwuchsgewinnung auf den Weg zu bringen“, so Dr. Schmidt. „Wir brauchen eine Landzahnarztquote, wie sie bereits im humanmedizinischen Sektor existiert, und mehr Studienplätze in der Zahnmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“, so der KZV-Vorsitzende.
Dafür sei aber auch die Unterstützung der Politik notwendig. Land und Kommunen seien auch gefragt, attraktive Rahmenbedingungen für die Ansiedelung im Bundesland und insbesondere den ländlichen Regionen zu schaffen – Stichworte: (auch digitale) Infrastruktur und gleichwertige Lebensbedingungen.
Hohe Hygienestandards in den Praxen
Kammerpräsident Dr. Carsten Hünecke, selbst Zahnarzt in Magdeburg, wies im Pressegespräch darauf hin, wie wichtig Zahnarztbesuche gerade jetzt seien und dass der Zahnarztbesuch sicher ist. „Um langfristigen Folgen für die eigene Gesundheit vorzubeugen und die Praxen nach dem Ende der Pandemie nicht zu überlasten, ist es wichtig, anstehende Behandlungs- und Vorsorgetermine nicht zu verschieben oder abzusagen“, so Hünecke. Zahnarztpraxen unterliegen in Deutschland generell strengen Hygienevorschriften, diese Hygienestandards fallen seit Beginn der Pandemie mit zusätzlichen Maßnahmen wie Abstandsregelungen und Einzelbestellungen noch rigoroser aus und gewährleisteten einen optimalen Infektionsschutz für Patienten, Zahnärzte und Praxisteams, erklärte er. Bislang habe es deshalb in der Zahnmedizin nur sehr wenige Ansteckungsfälle gegeben, in der Regel durch private Kontakte. Das belegten auch Zahlen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.
Keine Unterstützung bei Schutzausrüstung trotz erhöhter Aufwendungen
Angesichts der Tatsache, dass die Schutzausrüstung zur Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen weiter Mangelware ist und bleibt, ist es aus Sicht der Zahnärzte und ihrer Teams jedoch bedauerlich und unverständlich, dass der Berufsstand im Gegensatz zu den ambulant tätigen Ärzten bis heute keine Hilfe seitens der staatlichen Stellen bzw. der gesetzlichen Krankenkassen bei der Beschaffung bzw. Finanzierung von Schutzausrüstung erhalten hat. Eine Ausnahme bildeten die Schwerpunktpraxen im Land beziehungsweise wurden von einzelnen Landkreisen Schutzmasken gegen Erstattung der Kosten verteilt.
Die Zahnärztekammer fordert außerdem eine dem Risiko entsprechende Berücksichtigung der Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihres Personals bei der Priorisierung bei den kommenden Covid-19-Impfungen und eine Berücksichtigung der Zahnmedizin bei staatlichen Hilfen. Besonders junge Praxen seien akut existenzgefährdet, so Hünecke.
Quellen: Pressemeldungen der KZV Sachsen-Anhalt und der ZÄK Sachsen-Anhalt.