Nein, die Investoren und die von ihnen betriebenen Praxisketten oder Z-MVZ sind nicht die Lösung der Versorgungsprobleme und die alleinige Antwort auf die Wünsche des zahnärztlichen Nachwuchses hinsichtlich möglichst flexibler Arbeitsmöglichkeiten. Sie sind auch nicht der Retter aller schwer verkäuflichen Zahnarztpraxen, denn zumindest marktkundige Investoren suchen sich ihre Kaufobjekte gut aus. Die Auswahl haben sie ja angesichts der großen Zahl von Praxen, die in den kommenden Jahren zum Verkauf stehen, weil ihre Inhaber als Angehörige der Babyboomer-Generation das Rentenalter erreichen.
Angst ist kein guter Berater
Praxisberater und Anwälte berichten, dass die potenziellen Verkäufer immer jünger werden und viele unbedingt jetzt verkaufen wollen, weil sie befürchten, in wenigen Jahren für ihre Praxis keinen Käufer mehr zu finden, und hoffen, jetzt überdurchschnittliche Preise zu erzielen. Wie groß der Druck bei den potenziellen Praxisabgebern ist, zeigt die kleine Umfrage der ApoBank, nach der die Mehrheit der Befragten auch an einen nichtärztlichen Investor verkaufen würde.
Richtig ist, dass es Praxen gibt, für die aufgrund ihrer Größe, ihrer Ausrichtung und des von jungen Kollegen kaum zu stemmenden Kaufpreises der Verkauf an einen Investor die attraktivste Option sein dürfte. Eines gilt aber für alle: Ohne juristisches und betriebswirtschaftliches Know-how, eine klare Verhandlungsstrategie und einen Plan B sind Verhandlungen mit in diesem Bereich bestens aufgestellten Investoren ein Vabanque-Spiel.
Kritische Bewertung der Investoren
Ja, die ärztliche und zahnärztliche Standespolitik hat in vielen Punkten recht, wenn sie die Aktivitäten von Fremdinvestoren kritisch bewertet und fordert, ihren Bewegungsspielraum im Interesse der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte gesetzlich zu beschränken. Die Argumentationsketten haben sich zum Glück inzwischen deutlich verfeinert – die anfängliche pauschale Kritik an den Z-MVZ hat viele Zahnärzte verärgert, die sich auch aufgrund standespolitischer Beschränkungen für die Umwandlung ihrer Praxen in ein MVZ entschieden haben. Und manche Argumente bleiben schwierig nachzuvollziehen, so die Forderungen zur Kammerpflicht der Zahnärzte-GmbH.
Rein ordnungspolitische Überlegungen keine Hilfe
Ordnungspolitische Überlegungen sind dabei ein schönes Thema für politikwissenschaftliche Hauptseminare, als Grundlage für standespolitische Entscheidungen oder in der Argumentation mit Gesundheitspolitikern aber taugen sie nicht. Das zeigt schon die 2015 aufgrund solcher Überlegungen in der Vertreterversammlung der KZBV getroffene Entscheidung gegen die Ausweitung der pro Vertragszahnarzt möglichen Anzahl angestellter Zahnärzte. Die Politik hatte damals die arztgruppengleichen MVZ freigegeben – und das Festhalten der Standespolitik an der rigiden Angestelltenregelung hat einigen Anteil an der laut beklagten steigenden Zahl der Z-MVZ, weil Zahnärzten keine andere Möglichkeit blieb als ein MVZ zu gründen, wenn sie mehr Kollegen anstellen wollten.
Gesundheitspolitik agiert aktionistisch
Die reine ordnungspolitische Lehre greift aber auch deshalb nicht, weil die Politik seit mehr als 30 Jahren nur noch versucht, die jeweils am dringendsten erscheinenden Probleme im Gesundheitswesen durch mehr oder weniger aktionistische Maßnahmen zu lösen. Eine wirklich strukturierte Entwicklung findet kaum noch statt, und gibt es einmal neue Ansätze, werden diese schnell verwässert oder wieder rückgängig gemacht. Das real existierende deutsche Gesundheitswesen spiegelt in seiner Widersprüchlichkeit und seinem täglichen Wahnsinn die Folgen nicht zu Ende gedachter gesetzgeberischer Schnellschüsse und aktionistischer Maßnahmen. Und gerade der amtierende Bundesgesundheitsminister scheint diese Form der Gesundheitspolitik zu einer neuen Blüte treiben zu wollen.
Politik hat die Investoren bewusst geholt
Die Politik hat die Investoren bewusst ins Gesundheitssystem geholt, in der Hoffnung, damit die Probleme mit den Kliniken lösen zu können. Das ist nur zum Teil gelungen. Dafür haben wir neue Probleme mit Klinik- und Investorenpleiten, Einnahmen- und Gewinnsteuerung durch rigide Sparmaßnahmen zulasten von Personal und Patienten und Zielvorgaben für medizinische Behandlungen, die sich weit über die investorengeführten Kliniken verbreitet haben. „In den Unikliniken haben heute die kaufmännischen Direktoren über Zielvorgaben für die Ärzte mehr Einfluss auf die durchgeführten Behandlungen als die ärztlichen Direktoren“, brachte es ein Uni-Professor in einem Gespräch auf den Punkt.
Rendite zulasten des Solidarsystems
Und genau hier liegt eines der Hauptargumente gegen das ungehinderte Agieren von Investoren im ambulanten Bereich. Eine Rendite zu erwirtschaften, ist ja per se nichts Schlechtes. Auch Zahnärzte sollen und müssen unternehmerisch denken und handeln und nicht nur Umsatz, sondern Gewinn machen – schließlich sind Rücklagen für Investitionen in Ausstattung und Personal zu bilden und der eigene Unterhalt und Vorsorge für die Familie zu finanzieren.
Wie im Klinikbereich, werden Investoren im ambulanten Bereich ebenfalls umsatz- und gewinnorientiert ansetzen (siehe oben). Je nach Art des Investments stehen dann hohe Renditen oder (davon abhängig) Gewinnmitnahme durch Weiterverkauf im Fokus. Das Ganze erfolgt aber nicht in einem freien Markt mit freier Preisgestaltung, sondern in einem stark regulierten System mit vorgegebenen Preisen und Budgets, da die Mittel ganz überwiegend aus der solidarisch finanzierten Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommen.
Griff in denselben Honorartopf
Zahnarztpraxen generieren mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen aus der vertragszahnärztlichen Versorgung – und dies gilt für Investorenpraxen grundsätzlich ebenso. Sie greifen dabei in denselben begrenzten Honorartopf wie alle anderen Praxen. Ein Weg der Umsatzoptimierung geht über die maximale Ausnutzung der GKV-Spielräume, der zweite über die Selbstzahlerleistungen. Das existierende Kontrollsystem der Selbstverwaltung mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen etc. wird bei solchen Strukturen vermutlich an seine Grenzen stoßen.
Bestandsschutz für bestehende Investitionen
Ohne Investoren geht es im Gesundheitssystem nicht mehr. Die Politik hat sie gerufen, und sie hat nur wenig Möglichkeiten (und vielleicht auch gar nicht die Absicht), ihre Ausweitung in den ambulanten Sektor der Arzt- und Zahnarztpraxen komplett zu unterbinden. Zumindest für die bereits bestehenden Investments wird es Bestandsschutz geben. Zahnärzte, Zahntechniker, Patienten und Standespolitik werden also mit von Fremdinvestoren betriebenen Einrichtungen in der ambulanten zahnmedizinischen Versorgung leben müssen.
Standespolitik muss Spielräume für freie Praxen schaffen
Wie gut das für die niedergelassenen Zahnärzte gelingt, wird auch davon abhängen, welche Spielräume die Standespolitik ihnen im Wettbewerb schaffen kann. Das gilt insbesondere für die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte, für die in der größeren Zahl die eigene (Einzel-)Praxis immer noch ein erstrebenswertes Ziel ist. Damit ist sie in einigen Bereichen schon spät dran. Genossenschaftsmodelle wären eine Option, aber sie müssen schnell kommen.
Konzentrationsprozesse mit negativen Folgen
Wer von den jetzt mit großen Versprechungen zur Versorgung, zu Arbeitsbedingungen und Vorteilen für die Patienten werbenden Investoren und Ketten am Ende überleben wird und was aus den Versprechungen wird, wenn es nicht so läuft, wird die Zeit zeigen. Die Einschätzung eines Experten, dass sich auch hier rasch die Spreu von Weizen trennen wird und wir Konzentrationsprozesse mit Pleiten, Verkäufen etc. erleben werden, scheint realistisch. Dies wird nicht ohne negative Folgen für Zahnärzte, Mitarbeiter und Patienten ablaufen. Die entscheidende Frage ist am Ende auch nicht, wie viele Praxen zu einer Kette gehören und wie viele Ketten es gibt, sondern welchen Anteil am Umsatz aller Zahnarztpraxen sie haben werden.
Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News