„Die aktuelle Lage der deutschen Dentalindustrie ist durch schwierige Rahmenbedingungen geprägt. Die Pandemiefolgen und die weltwirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch den Russland-Ukraine-Krieg stellen eine schwere Hypothek für die Weltwirtschaft dar. Zusätzlich zu den makroökonomischen Verwerfungen ist der rapide anwachsende Bürokratismus eine immer schwerer werdende Dauerlast für unsere Wirtschaft.“ Das sagte der VDDI-Vorstandsvorsitzende Mark Stephen Pace in seiner Rede zur Mitgliederversammlung des VDDI am 29. Juni 2022 in Köln.
Zur aktuellen Lage der Deutschen Dental-Industrie führte er weiter aus: „Den negativen Faktoren stehen durchaus positive Entwicklungen gegenüber. International hat das Thema Gesundheit und Lebensqualität einen hohen Stellenwert bekommen. Die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen auch der Mund- und Zahngesundheit nimmt zu. Als deutsche Medizintechnikhersteller stellen wir eine steigende internationale Nachfrage nach Produkten des ‚german engineering‘ und des ‚made in Germany‘ fest. Wir konnten zwar deutliche Umsatzzuwächse verzeichnen, die aber auf statistischen Sondereffekten beruhten. Der globale Wettbewerb ist für uns tägliche Realität, die Märkte sind hoch kompetitiv.“
Schwierige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft
Die Herausforderungen seien immer noch hoch, so Pace weiter. Die weltumspannenden Belastungen durch die Pandemie hätten immer noch erhebliche Auswirkungen auf Betriebs- und Geschäftsverläufe. Die Impf- sowie Hygienemaßnahmen hätten die schlimmsten Verläufe der Covid-19-Pandemie deutlich gemildert. Dennoch seien die internationalen Lieferketten, die globalen Warenströme und das öffentliche Leben in wechselnden Weltregionen immer noch stark belastet.
Die sich abzeichnende Erholung der Weltwirtschaft habe der der Angriff Russlands auf die Ukraine zunichte gemacht. „Erhebliches menschliches Leid und die sinnlosen Zerstörungen erschüttern uns“, so Pace.
Die Folgen von Pandemie und Kriegsgeschehen auf die weltweiten makroökonomischen Rahmenbedingungen bezeichnete Pace als desaströs. Steigende Rohstoffpreise und die Verteuerung von Vorprodukten stellten neben explodierenden Transportkosten enorme Herausforderungen für die Industrie dar. „Hohe Inflationsraten im Bereich von acht Prozent sind ein internationaler Risikofaktor für die Volkswirtschaften insgesamt.“
Zur wirtschaftlichen Lage der Dental-Industrie in Deutschland
Die Ergebnisse der jährlichen Treuhandumfrage des VDDI von Januar bis März 2022 ließen überraschend gute Geschäftsentwicklungen erkennen. Pace erläutert die Umfrageergebnisse:
- „Der Gesamtumsatz der Deutschen Dental-Industrie legte im Jahr 2021, nicht zuletzt aufgrund des statistischen Basiseffekts, auf 6,2 Milliarden Euro (+28,6 Prozent gegenüber 2020) zu.
- Einen deutlichen Beitrag leisteten dabei die Exportmärkte mit insgesamt 4,1 Milliarden Euro (+39,5 Prozent).
- Der Inlandsumsatz konnte wieder um knapp 12 Prozent auf rund 2,1 Milliarden Euro zulegen.
Die überwiegend sehr positiven Erwartungen aller Mitgliedsunternehmen über alle Teilbereiche hinweg, auf das laufende Geschäftsjahr 2022 bezogen, seien aber jäh vom russischen Angriff auf die Ukraine zunichte gemacht worden. Das andauernde Kriegsgeschehen und dessen gesamt- und weltwirtschaftliche Folgen seien nicht absehbar, so Pace weiter. „Insgesamt können wir stabile Geschäftsverläufe und eine optimistische Grundstimmung in der Mitgliederschaft beobachten.“
Überwiegend positive Erwartungen an das laufende Geschäftsjahr bestätigt auch die Konjunkturumfrage vom Mai 2022. Der Vergleich des 1. Halbjahres 2022 mit dem Vorjahreszeitraum zeigt positive Erwartungen bei der deutlich überwiegenden Anzahl der Mitglieder.
Pace: „Hier gibt es insgesamt sehr positive Signale sowohl im Inland als auch im Ausland über alle Bereiche. Insbesondere erkennen wir eine steigende Nachfrage nach hochwertigen Versorgungen, nach ‚high-end-dentistry‘. Offenbar hat die ständige Beschäftigung mit Gesundheitsfragen vielen Menschen den Wert der persönlichen Gesundheit und Lebensqualität erneut bewusst gemacht.“
MDR-Bürokratie legt kleinen und mittleren Unternehmen große Lasten auf
Trotz positiver Aussichten sieht sich nach Einschätzung Paces die Medizintechnikindustrie in ihren Entwicklungsmöglichkeiten stark eingeschränkt: „Die stetig steigende Staatsverschuldung ist besorgniserregend. Statt großzügig Milliarden Steuergelder für ein Feuerwerk an Subventionen mit zweifelhaftem Wert für die Volkswirtschaft einzusetzen, gäbe es für die Politik viel leichtere und dennoch sehr wirksame Möglichkeiten, die KMU in Deutschland spürbar zu entlasten. Unsere Industrie kämpft vor allem mit unnötiger Bürokratie, sie macht uns erheblich zu schaffen.
Unzählige Gesetze, Vorschriften und Verordnungen sind bereits von allen Firmen und Betrieben zu beachten. Es ist fast alles geregelt, aber eine zunehmende Flut an neuen Richtlinien, Gesetzen, Verordnungen, Vorgaben und eine damit einhergehende grassierende Bürokratie behindern vor allem kleine und mittelständische Unternehmen aller Branchen, kosten Zeit, viel Geld, hemmen Innovationen und kosten letztendlich Arbeitsplätze“, warnte der VDDI-Vorsitzende.
Für kleinere und mittlere Unternehmen könnten die erheblichen Kosten und der unglaubliche Aufwand, der in ungeahnter Weise Personalkapazitäten binde, existenzbedrohend werden. Für die Bewältigung der Aufgaben würden zusätzliche personelle Ressourcen benötigt. Diese Stellen seien jedoch schwer zu besetzen und seien mittlerweile kaum noch bezahlbar. Die überbordende Dokumentation falle, gerade in kleineren Unternehmen, meist auf den Eigner oder Geschäftsführer zurück.
MDR ist Zeit- und Ressourcenvernichter
Pace: „Für Medizinprodukteunternehmen aller Art, auch der Dentalbranche, entwickelt sich die MDR (Medical Device Regulation) zu einem Zeit- und Ressourcenvernichter. Produkte, die seit Jahrzehnten auf dem Markt sind und sich in Praxis und Labor zigtausendfach bewährt haben, müssen sich nun mit aktuellen klinischen Bewertungen oder -prüfungen neu zertifizieren lassen. Da der enorme Dokumentations- und Zertifizierungsaufwand in keinem vernünftigen und wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Stückzahl eines Spezialitätenproduktes mehr steht, entscheiden sich Unternehmen, sich von solch unrentabel gewordenen Produkten zu trennen. Das führt dazu, dass Schritt für Schritt bewährte und von Anwendern gewünschte Produkte vom Markt verschwinden und die Auswahl für die Therapievielfalt immer kleiner wird.“
Bürokratiekosten erschweren Wettbewerbsfähigkeit
Bürokratiekosten erschwerren die internationale Wettbewerbsfähigkeit der sehr stark nachgefragten Medizintechnik-Industrie und ihrer Produkte „made in Germany“. Letztlich koste die Bürokratie Arbeitsplätze auch in Deutschland. „Hier kann die Bundesregierung die Industrie und namentlich die KMU, die überproportional durch überbordende Bürokratie belastet sind, erheblich entlasten. Gerade in Krisenzeiten wie den jetzigen wäre es dringend geboten, die Unternehmen nicht weiter zu belasten, sondern unverzüglich und spürbar zu entlasten“, mahnte der VDDI-Vorsitzende
Chancen sehen: Online-Plattform IDS online am Start
Ein moderner Industrieverband muss in der Lage sein, neue Möglichkeiten zu entdecken, zu entwickeln und zu gestalten. Die von der Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr beschlossene Einrichtung der Online-Plattform „IDS online“ nimmt konkrete Form an, hieß es in Köln. „Wir freuen uns auf die operative Umsetzung des Projektes, welches uns sicher nun intensiv und kontinuierlich beschäftigen wird. Wir sehen hier große Chancen für die deutsche Dentalindustrie und uns alle, sich weltweit noch stärker und sichtbarer zu positionieren“, sagte Pace.
Erster Prototyp zur IDS 2023
Der im Mai 2022 berufene Geschäftsführer der IDS online GmbH, Michael Mollath, stellte der Mitgliederversammlung den bisherigen Weg des Projektes von der Beschlussfassung während der Mitgliederversammlung 2021 bis zur Gründung der IDS online GmbH am 25. April 2022 dar. Mollath skizzierte die weiteren Schritte auf dem Weg sowie den ersten großen Meilenstein mit der IDS 2023. Dann ist geplant, einen ersten Prototypen vorzustellen.
Es folgte eine rege Diskussion zu Einzelfragen der künftigen Plattform. Geschäftsführer Mollath sowie der ihn begleitende Beirat für IDS online, bestehend aus Sebastian Voss (Vorsitzender), Mark Stephen Pace (stellv. Vorsitzender) und Dr. Martin Rickert, beantworteten viele Fragen.
40. IDS 2023 – 100 Jahre IDS
In seinem Ausblick auf die Weltleitmesse vom 14. bis zum 18.03.2023 führte Pace aus: „Die internationale Dentalbranche hat große Erwartungen an die Weltleitmesse. Der Wunsch nach persönlichen Begegnungen ist sehr stark. Die 40. Veranstaltung wird wieder das umfassende Spektrum der dentalen Welt repräsentieren – vom zahnärztlichen und zahntechnischen Bereich, Infektionsschutz und Wartung, bis hin zu Dienstleistungen, Informations-, Kommunikations- und Organisationssystemen sowie Organisationsmitteln. Bis heute haben bereits mehr als 900 Unternehmen aus 50 Ländern ihre Teilnahme bestätigt, darunter zahlreiche internationale Marktführer. Und täglich kommen neuen Anmeldungen dazu.“
Zur IDS wird die GFDI, das Wirtschaftsunternehmen des VDDI, wieder erfolgreich Kooperationen mit swn Partnerverbänden, der BZÄK sowie dem VDZI, eingehen. Damit trete die Dentalbranche in Deutschland wieder einmal zusammen auf. „Es muss in unser aller Interesse liegen, die Dentalbranche als ein sehr innovatives, technikaffines und auch menschlich-emotional hoch attraktives Arbeitsfeld zu präsentieren, das sehr gute Entfaltungsmöglichkeiten für Talente aller Art bietet. Wir sind ohne Zweifel eine zukunftsorientierte Branche. Für die Dentalbranche wie für die industrielle Gesundheitswirtschaft bestehen sehr gute Zukunftsaussichten“, so Pace. „Ich bin zuversichtlich, dass die IDS, die im kommenden Jahr seit 100 Jahren besteht, auch in Zukunft ihrer herausragenden Bedeutung als Treffpunkt und Marktplatz der globalen Dentalbranche gerecht werden wird.“