Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute erneut in Sachen Arztbewertungsportale entschieden (Urteil vom 20. Februar 2018, Az.: VI ZR 30/17). Damit wurde im speziellen Fall einer Ärztin aus Köln das Löschen ihrer Daten aus dem Portal Jameda.de bestätigt. Nach Paragraf 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) seien personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig sei. Dies sei hier der Fall gewesen, so die Richter.
Der Senat habe mit Urteil vom 23. September 2014 (Az.: VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242) für Jameda bereits im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist. Der vorliegende Fall unterscheide sich vom damaligen aber in einem entscheidenden Punkt, so die Richter.
Der aktuelle Streitpunkt
Auf Jameda werden die "Basisdaten" eines Arztes angeboten. Zu ihnen gehören – soweit dem Portal bekannt – akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch von Freitextkommentaren, abgegeben haben. Jameda bietet aber Ärzten auch kostenpflichtige aufgewertete Profile an – mit Foto und zusätzlichen Informationen. Bislang wurde beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als "Anzeige" gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet. Bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein "Premium-Paket" gebucht haben, wurden jedoch keine Konkurrenten auf deren Profil eingeblendet.
Die Sicht der Richter
Dies hielten die Richter jetzt für unzulässig: „Mit der vorbeschriebenen, mit dem Bewertungsportal verbundenen Praxis verlässt die Beklagte ihre Stellung als ‚neutraler‘ Informationsmittler. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die ‚Basisdaten‘ nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens ‚Anzeige‘ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt sie auf dem Profil ihres ‚Premium‘-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu.
Nimmt sich die Beklagte aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als ‚neutraler‚ Informationsmittler zurück, dann kann sie ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, so dass ihr ein ‚schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung‘ ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist.“
Jameda reagiert sofort mit Änderung des Anzeigemodus
Das beklagte Portal reagierte – offensichtlich in Erwartung eines Urteils in diese Richtung – sofort nach dessen Mitteilung und änderte den kritisierten Anzeigemodus. „Wir begrüßen, dass die Bundesrichter nochmals bestätigten, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten grundsätzlich zulässig ist und dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit damit ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Aus demselben Grund setzt sich Jameda für vollständige Arztlisten ein und hat die Anzeigen auf Arztprofilen, die Grund für das Urteil waren, nach Vorgaben der Bundesrichter mit sofortiger Wirkung entfernt. Patienten finden somit auf Jameda auch weiterhin alle niedergelassenen Ärzte Deutschlands. Ärzte können sich nach wie vor nicht aus Jameda löschen lassen“, so Jameda-Geschäftsführer Dr. Florian Weiß.
Zugleich teilte man mit, dass die klagende Ärztin ohnehin nicht mehr gelistet gewesen sei, da sie ihre Praxis bereits aufgegeben habe.
Reaktionen aus der Ärzte- und Zahnärzteschaft
Vonseiten der Ärzte- und Zahnärzteschaft wurde die BGH-Entscheidung begrüßt, zugleich wurde ein kritscher Umgang mit solchen Portalen angemahnt. Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, erklärte, die Portalbetreiber sollten nach dem Urteil ihre Geschäftsmodelle überdenken. Er forderte aber auch die Ärzte auf, damit sorgfältiger umzugehen und verwies auf die Empfehlungen, die vonseiten der Ärzte dazu erarbeitet worden sind.
Leitfaden für Bewertungsportale: Die KZBV hat gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) einen Leitfaden mit Qualitätsstandards für Bewertungsportale veröffentlicht. Dieser richtet sich sowohl an Nutzer als auch an Anbieter solcher Anwendungen. Nutzer können anhand der Kriterien die Qualität eines Angebotes prüfen. Für Entwickler und Anbieter kann der Katalog dazu dienen, das jeweilige Portal zu optimieren. Die Kriterien beziehen sich unter anderem auf (datenschutz)rechtliche, inhaltliche und technische Aspekte. Wichtig sind zudem Verständlichkeit, Transparenz und Pflichten des Herausgebers. Der Leitfaden "Gute Praxis Bewertungsportale“ steht unter anderem unter www.kzbv.de zum Download bereit.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, sagte: „Nur der gut informierte Patient kann sein Recht auf freie Zahnarztwahl gezielt und verantwortungsvoll ausüben. Neben Informationen der Praxen können dafür auch Online-Bewertungsportale eine Hilfestellung sein. Jedoch müssen die Grenzen solcher Plattformen klar benannt werden: Sie können niemals verlässlich die Behandlungsqualität im klinischen Sinne messen und abbilden. Insbesondere aber ersetzen sie nicht den Aufbau einer persönlichen Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Zahnarzt, die für eine gute Versorgung unerlässlich ist. Entscheidend ist auch, dass Bewertungen fair und sachlich erfolgen. Auch vor diesem Hintergrund begrüßen wir das heutige Urteil, da es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stärkt.“
Patienten sollten sich nicht auf Internet verlassen
Der Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer, ZA Christian Berger, empfahl Patienten, sich bei der Entscheidung für einen Zahnarzt oder einen Fachzahnarzt nicht alleine von den häufig sehr subjektiven Bewertungen anderer Patienten im Internet lenken zu lassen: „Persönliche Erfahrungen von Bekannten und Freunden mit der Behandlung durch meine Kolleginnen und Kollegen in der Praxis sind da sehr viel verlässlicher.“ Den Patienten empfiehlt Berger, bei Beschwerden oder Fragen zur Behandlung das direkte Gespräch mit dem Behandler zu suchen. „Sich im Internet abzureagieren, nutzt niemandem und trägt nicht zur Lösung von Konflikten bei, die gelegentlich auftreten können“, so Berger.
Titelbild: Bundesgerichtshof – Erbgroßherzogliches Palais mit Brunnen (Foto: Joe Miletzki)