Symptomcheck per Handy-App – das bietet die Techniker Krankenkasse (TK) seit 28. November 2018 an. Vorgestellt wurde das neue Angebot auf einer Pressekonferenz in Berlin. Zum Einsatz kommt dabei künstliche Intelligenz (KI). Das Konzept: Der Nutzer beantwortet Fragen zu seinen Symptomen, die App informiert ihn über die möglichen Ursachen und was er tun sollte, zum Beispiel einen Arzt kontaktieren.
Nutzer der App „Ada“, die TK-versichert sind, können diesen auf KI beruhenden Symptomcheck nutzen. Sie geben dort ihre Beschwerden ein, erhalten eine persönliche Analyse „und werden auf Wunsch über passende digitale Versorgungsangebote der TK informiert“, so die TK. In der zweiten Ausbaustufe, die voraussichtlich Anfang 2019 startet, sollen TK-Versicherte den Symptomcheck direkt über die neue "TK-Doc"-App nutzen können, ohne dass ein gesonderter Log-in bei Ada notwendig ist. „Nach der Bewertung mittels Künstlicher Intelligenz können sie auf Wunsch das Ergebnis über die App unmittelbar telefonisch, per Mail, per Text- oder Video-Chat mit einem Arzt besprechen“, heißt es zum neuen Angebot.
Kassen als Innovationstreiber – Politik gefordert
Hinter der App steckt eine Kooperation der TK mit dem Berliner Unternehmen „Ada Health“, das die gleichnamige KI-Technologie „Ada“ entwickelt hat. „Mit dem digitalen Symptomcheck und anschließendem Arzt-Chat geben wir bereits heute einen Ausblick darauf, wie Versorgung in der Zukunft aussehen kann“, erklärte Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „In allen anderen Lebensbereichen haben wir bereits umfassende digitale Angebote und erledigen vieles online – unabhängig von Öffnungszeiten und von überall aus. Wir brauchen auch für unsere Gesundheit praktische digitale Tools, die es erlauben, sich von überall aus mit dem Arzt zu verbinden. Dass wir als Kasse Innovationen vorantreiben ist das eine – hier ist aber auch die Politik gefordert, innovative Lösungen schneller ins Gesundheitswesen zu bringen. Das Gesundheitsministerium bringt schon ordentlich Schwung in das Thema – hier müssen wir in Deutschland aber noch deutlich besser werden. Wir erwarten deshalb die angekündigten Gesetzesvorhaben mit Spannung.“
Patientensouveränität fördern
Aus Sicht der TK können Angebote wie der Symptomcheck mit Künstlicher Intelligenz kranken Menschen den Alltag spürbar erleichtern und sie dabei unterstützen, beim Thema Gesundheit kompetenter zu werden. Solche digitalen Angebote sind deshalb auch ein wichtiger Beitrag, um die Patientensouveränität zu fördern, heißt es vonseiten der Kasse. Im ersten Kooperationsschritt erhalten registrierte Ada-Nutzer, die bei der TK versichert sind, zu ihrem Symptomcheck passende digitale Versorgungsangebote der TK, wie beispielsweise die Allergie-App „Husteblume“.
Symptomcheck ohne Termin
„Ada funktioniert im Prinzip wie ein Chat. Der Nutzer beantwortet Fragen zu seinen Symptomen bis genügend Informationen für eine qualifizierte Einschätzung vorliegen. Ada informiert die Nutzer direkt über mögliche Ursachen ihrer Beschwerden und zeigt ihnen mögliche nächste Schritte auf - zum Beispiel, ob sie einen Arzt konsultieren sollten", erklärt Dr. Martin Hirsch, Mitgründer und Chief Scientific Officer von Ada Health.
Mediziner des TK-Ärzte-Zentrums als Ansprechpartner
In der nächsten Ausbaustufe, die für Anfang 2019 vorgesehen ist, soll der Symptomcheck direkt in die neue „TK-Doc“-App integriert werden. TK-Versicherte können dann auch über eine App ihrer Krankenkasse auf den Symptomcheck zugreifen und auf Wunsch direkt mit einem Arzt sprechen. Die Gespräche führen Mediziner des TK-Ärzte-Zentrums. "Das Team unseres Ärzte-Zentrums steht den TK-Versicherten seit 14 Jahren rund um die Uhr für Informationen zur Verfügung. Es ist naheliegend, dass wir den bisher telefonischen Service nun mit TK-Doc auf das nächste Level heben, um via Smartphone von Angesicht zu Angesicht mit einem Arzt zu sprechen", erläutert Baas.
KI wertet tausende von Fällen und Literatur aus und lernt weiter
Sieben Jahre Forschung stecken in der Künstlichen Intelligenz von Ada. Mehr als hundert Ärzte haben tausende medizinische Fälle in die Datenbank eingepflegt, zudem lieferten Studien und Fachliteratur weitere Informationen. „Mittlerweile kennt Ada mehrere tausend Krankheiten und Symptome. Täglich kommen durch die Nutzer der Ada-App rund 30.000 neue Fälle hinzu“, heißt es.
Qualitätssicherungen würden von Adas Ärzte-Team sowie externen Spezialisten laufend durchgeführt. „Dank Künstlicher Intelligenz wird Ada täglich schlauer, denn jeder einzelne Symptomcheck sichert die Datengrundlage und ist damit die Basis der Analyse für den Einzelnen“, so Hirsch. „So schaffen wir den Eintritt in eine hochgradig personalisierte Gesundheitsversorgung in Deutschland.“
Seriöse und verlässliche Alternative zu Google und Co.
Die neue App soll auch eine seriöse und verlässliche Alternative zur Suche im Internet sein. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der TK habe ergeben, dass sich die Mehrheit der Menschen vor einem Arztbesuch im Internet Informationen holt. 95 Prozent der Befragten nutzten dafür Suchmaschinen wie Google und Co., nur wenige steuern gezielt Gesundheitsportale oder staatliche Angebote an. Die Informationen aus der Suchmaschine orientierten sich aber weniger am Informationsbedürfnis der Menschen als an wechselnden Algorithmen, deren Beeinflussung einen eigenständigen Berufszweig hervorgebracht hat.
„Wir wissen aus unserer Studie auch, dass viele Menschen Gesundheitsinformationen aus dem Netz misstrauen. Oft fällt es schwer, seriöse von unseriösen Quellen zu unterscheiden. Unser Angebot holt diejenigen ab, die qualitätsgesicherte, verständliche Gesundheitsinformationen suchen, die auf ihre individuellen Beschwerden zugeschnitten sind", so TK-Chef Baas.
Assistenzsysteme für Mediziner
Die Zielrichtung solcher KI-Anwendungen geht auch klar in Richtung Ärzte, sogenannte Assistenzsysteme sollen ihnen künftig „den Überblick über die ständig wachsenden medizinischen Datenmengen und Forschungsergebnisse erleichtern, um diese in Diagnostik und Therapie einzusetzen“, so die TK.
„Besonders die Diagnose von extrem komplexen Krankheitsbildern macht es notwendig, große, unstrukturierte Datenmengen zu durchdringen“, erklärte Prof. Dr. Jürgen Schäfer, Leiter des Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE) am Universitätsklinikum Marburg, auf der Pressekonferenz. Er setze große Hoffnungen in lernende Systeme wie Ada. Schäfer und sein Team gehören zu den Experten, die Ada validieren und die Inhalte im Rahmen von wissenschaftlichen Studien auf Herz und Nieren prüfen werden. Dazu gehört auch, einzuschätzen, ob die KI-Bewertungen mit ärztlichen Diagnosen übereinstimmen.
Damit das Wissen beim Arzt und beim Patienten ankommt
„Es gibt mehr als 10.000 Diagnosen, allein 7.000 seltene Erkrankungen. Das sind Dimensionen, die ein einzelner Arzt gar nicht mehr verarbeiten kann“, so Schäfer. „Hinzu kommt, dass wir den Zugewinn an Wissen in der Medizin ohne technische Unterstützung nicht mehr optimal nutzen können. So geht man derzeit davon aus, dass sich im Jahre 2020 unser medizinisches Wissen innerhalb von nur drei Monaten verdoppeln wird. Nur zum Vergleich: Im Jahre 1950 hat dies noch 50 Jahre gedauert. Ohne innovative Nutzungsstrategien wird dieses Wissen aber nicht bei unseren Patienten ankommen."
Gegen die Scharlatane im Netz
Er habe nichts dagegen, wenn sich seine Patienten vor dem Arztbesuch im Internet schlau machen: „Natürlich ist mir ein informierter Patient lieber, denn er kennt seine Beschwerden am besten und kann auch besser zum Heilungsprozess beitragen. Das setzt jedoch voraus, dass der Patient die richtigen, wissenschaftlich soliden Informationen erhält - und leider treiben gerade im Netz viele Scharlatane und skrupellose Heilsversprecher ihr Unwesen, denen man nicht in die Fänge geraten sollte.“
Arzt zwischen finaler Entscheidung und Kunstfehler
Keiner der drei Experten, die die App vorstellten, glaubt, dass Künstliche Intelligenz Ärzte ersetzen wird. TK-Chef Baas vergleicht KI-Assistenzsysteme vielmehr mit Bordcomputern, die den Piloten nicht ersetzen, aber entscheidend unterstützen können: „Wir werden immer Menschen brauchen, die die Daten deuten und die Empathie besitzen, daraus die richtige Therapie für den einzelnen Patienten abzuleiten. Patienten werden selbstverständlich auch weiterhin ihren Arzt oder Apotheker fragen. Ich bin überzeugt, dass es in zehn Jahren als Kunstfehler gelten wird, Diagnosen zu stellen, ohne ein digitales Expertensystem zu nutzen.“