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Stiftung Kindergesundheit klärt weit verbreitete Irrtümer über das Zahnen auf

Wenn Kinder ihre ersten Zähne bekommen, leiden sie auch häufig unter Fieber, Durchfall, Ohrenschmerzen oder Erkältungen. Da liegt die Vermutung nahe, dass sie durch das Zahnen krank geworden sind. Doch wie stark ein zahnendes Kind auch quengelt: Der Durchbruch der Zähne ist keine Krankheit, sondern ein normaler, natürlicher Vorgang, der zu Kindheit gehört wie Wachsen und Laufenlernen, betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme.

Zahndurchbruch oft zeitgleich mit ausklingendem Nestschutz

„Dass das Zahnen die Kinder krank macht, ist ein Aberglaube, der sich seit Jahrhunderten hartnäckig hält. Früher wurden fast alle Krankheiten bei Babys entweder auf das Zahnen oder auf Würmer zurückgeführt“, erläutert Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Auch heute wird das Zahnen oft noch für eine Krankheit gehalten, vor allem von Eltern, die diese kritische Zeit zum ersten Mal beobachten. Tatsache ist: Die ‚Zahnkrämpfe’, die früher häufig als Todesursache bei Säuglingen angesehen wurden, waren meist auf Infektionskrankheiten zurückzuführen. Zwischen dem sechsten und achten Monat, genau dann, wenn das Baby zu Zahnen beginnt, lassen die von der Mutter mitgegebenen Abwehrkräfte – der so genannte Nestschutz – nach. Das Kind wird anfälliger für Infektionen. Auch die Umstellung von Muttermilch auf Flaschenmilch oder festere Nahrung, die meistens in diese Zeit fällt, kann den Organismus des Babys belasten. Das kann auch schon mal die Körpertemperatur ansteigen lassen.“

Manchmal kommt ein Zahn auch allein

Es vergehen von der Geburt an gerechnet durchschnittlich sieben Monate und drei Tage, bis ein Baby seinen Eltern zum ersten Mal die Zähne zeigt: in aller Regel beginnend mit den unteren Schneidezähnen. Und es dauert dann oft noch einen weiteren Monat, bis das Kind einen weiteren Zahn zulegt.

Danach geht es aber Zahn auf Zahn: Nachdem auch die oberen Schneidezähne erschienen sind, kommen (mit etwa zwölf Monaten) die ersten Milchbackenzähne dazu, mit 16 bis 20 Monaten die Eckzähne und mit 20 bis 24 Monaten die zweiten Backenzähne: Die zart schimmernde Perlenkette der 20 Milchzähne ist damit komplett.

Erhöhte Temperatur hilft beim Zahndurchbruch

Normalerweise wachsen die mit Spannung erwarteten Milchzähne ohne Verletzung der Schleimhaut und unblutig durch das Zahnfleisch. Der Zahndurchbruch kann aber auch mit Begleiterscheinungen verbunden sein, die für eine Menge Stress in der Familie sorgen: Das Baby wird unruhig, gereizt, weinerlich und misslaunig. Die Schleimhaut im Mund kann sich röten oder bläulich verfärben. Gelegentlich sieht man über einem durchtretenden Zahn auch einen flüssigkeitsgefüllten Raum. Die Spannung im Zahnfleisch ist mitunter schmerzhaft. Die Kinder sabbern mehr und reiben am gereizten Zahnfleisch. Die Temperatur geht leicht in die Höhe. Erhöhte Temperatur beschleunigt aber die Stoffwechselvorgänge im Körper – und löst so das Durchbrechen der Zähne oft erst aus. Das erweckt den Anschein, als sei das Zahnen die Ursache für das Fieber. Es ist jedoch eher umgekehrt.

Eine groß angelegte Metaanalyse von insgesamt 1.179 Publikationen zum Zahnen [Massignan C. et al (2016): „Signs and symptoms of primary tooth eruption: a meta-analysis“, Pediatrics 137:e20153501] ergab tatsächlich eine Reihe von Beschwerden: 70,5 Prozent aller Babys zeigten beim ersten Zahndurchbruch Symptome oder Auffälligkeiten. Am häufigsten waren Rötungen des Zahnfleisches, Unruhe und vermehrter Speichelfluss. Als ebenfalls häufige Begleitsymptome waren Durchfall, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Schnupfen, vereinzelt auch Veränderungen der Haut im Gesicht sowie Erbrechen. Wenn mehrere Zähne gleichzeitig durchbrachen, wurden mehr Beschwerden berichtet. Die Kernfrage nach dem vermeintlichen „Zahnfieber“ und seinen Folgen zeigte ein beruhigendes Ergebnis: Der Zahndurchbruch führte zwar tatsächlich häufiger zu einer leichten Temperaturerhöhung, jedoch nur selten zu Fieber über 38 Grad Celsius (im Po gemessen).

Koletzko: „Das stimmt mit den Erfahrungen der meisten Kinder- und Jugendärzte überein: Zähnekriegen ist keine Krankheit und verursacht auch keine Krankheiten. Wenn Kinder beim Zahnen höheres Fieber, schwerwiegendere Befunde oder Beschwerden haben, sollte man nicht vorschnell das Zahnen dafür verantwortlich machen, sondern an andere krankmachende Ursachen denken und das Kind dem Kinder- und Jugendarzt vorstellen“.

Auch auf die Behandlung von Zahnungsbeschwerden hatten abergläubische Vorstellungen einen großen Einfluss, von denen sich manche bis heute erhalten haben. Besonders dem Bernstein sprach man ein bedeutendes Heilvermögen zu und man glaubte schon einer Ansteckung vorzubeugen, wenn man ihn bloß im Mund hielt.

Bernstein – ein gefährliches Zahnungsmittel

Auch heute bieten Drogerien, Apotheken und Internethändler Halskettchen aus echtem oder gefälschtem Bernstein an, die Babys angeblich das Zahnen erleichtern sollen. Der Glaube, dass eine Kette aus Bernstein das Zahnen erleichtert, ist wissenschaftlich unhaltbar und sogar gefährlich, betont die Stiftung Kindergesundheit. Die Ketten können das Kind beim Spielen und auch beim Schlafen verletzen und sogar strangulieren, wenn sie sich irgendwo verhaken. Derartige Strangulationen stellen in den USA die häufigste gewaltsame Todesursache bei Kindern unter einem Jahr dar. Ihre Häufigkeit hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Gefahr droht aber auch, wenn die Kette reißt: Das Kind kann Steine verschlucken oder in Nase und Ohren stecken. „Eltern sollten daher auf diese überflüssigen und gefährlichen ‚Heilmittel’ verzichten“, empfiehlt Koletzko.

Wenn das Zahnen dem Baby Beschwerden macht, tut es ihm gut, auf etwas herumkauen zu können. Mit Wasser gefüllte und gekühlte Beißringe (nicht aus dem Tiefkühlfach!) eignen sich dazu besonders gut. Auch andere Spielsachen zum Herumkauen sollten glatt sein und keine Kanten haben, damit es keine Verletzungen des Zahnfleisches gibt. Oft hilft es auch, die Zahnleiste des Babys mit dem Finger zu massieren. Flüssige Zahnungsmittel aus der Apotheke enthalten betäubende Substanzen sowie entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkstoffe, meistens allerdings auch Alkohol.

Zahnpflege von Anfang an

Mit essbaren Zahnungsmitteln sollten Eltern eher vorsichtig sein, sagt die Stiftung Kindergesundheit: Aus den oft zum Kauen empfohlenen Karotten oder harten Brotrinden können leicht kleine Stücke abbrechen und in den falschen Hals geraten – es droht Erstickungsgefahr. „Die ersten Zähne bedeuten übrigens nicht, dass das Kind nun abgestillt werden muss“, betont Koletzko. Während des Trinkens kann das Baby nicht in die Brust beißen, solange ihm der Gegenbiss fehlt. Die unteren Zähne sind beim Saugen aber durch die Zunge des Kindes verdeckt“.

Und: Auch Milchzähne brauchen Pflege! Die allmähliche und spielerische Gewöhnung an das tägliche Zähneputzen, das anfangs mit einem Läppchen aus Mull oder einer weichen Säuglingszahnbürste erfolgen kann, ist eine wichtige Präventionsmaßnahmen zur langfristigen Vermeidung von Karies und ihren Folgen. Dabei ist im ersten Lebensjahr Zahnpasta nicht erforderlich, die in diesem Alter noch nicht ausgespuckt werden kann und regelmäßig verschluckt würde. Deshalb soll die zur Kariesvorbeugung nützliche Zufuhr des Spurenelementes Fluorid auch nicht mit Zahnpasta erfolgen, weil dadurch der kleine Körper regelmäßig viel zu hohe Fluoridmengen mit möglichen nachteiligen Wirkungen aufnimmt. Vorbeugend wirksam und sicher ist die genau dosierte Fluroidzufuhr mit einer Tablette, die Kinder- und Jugendärzte verschreiben.

Titelbild: ivan_kislitsin/shutterstock
Quelle: Stiftung Kindergesundheit Patientenkommunikation Zahnmedizin Prävention und Prophylaxe

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