Eine von der University of Birmingham geleitete Studie mit mehr als tausend Zahnmedizinern und zahnmedizinischem Personal hat gezeigt, dass sie während der ersten Welle der Pandemie in Großbritannien ein erhöhtes berufliches Risiko für eine Sars-CoV-2-Infektion hatten. In der zweiten und dritten Welle nahm wegen intensivierter Hygienemaßnahmen und steigender Impfquoten die Zahl der Infektionen stark ab. Beobachtet wurde zudem, dass die ethnische Zugehörigkeit ein Risikofaktor sein könnte. Die Forscher erhoffen sich von weiteren Studien in dieser Kohorte auch Erkenntnisse zur Wirkung von Antikörpern und Impfungen für den Verlauf der Pandemie.
An der Kohortenstudie, die am 2. Juni 2021 im „Journal of Dental Research“ veröffentlicht wurde, nahmen 1.507 Zahnmediziner und Fachpersonal aus den britischen Midlands teil. Zu Beginn der Studie im Juni 2020 wurden der Kohorte Blutproben entnommen, um ihre Antikörperspiegel gegen Sars-CoV-2 – das Virus, das Covid-19 verursacht –, zu messen.
Das Team fand heraus, dass im Juni 2020 16,3 Prozent der Studienteilnehmer – darunter Zahnärzte, Zahnarzthelferinnen und Dentalhygienikerinnen – Sars-CoV-2-Antikörper hatten, verglichen mit nur 6 Prozent der allgemeinen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt. Unterdessen war der Prozentsatz der Rezeptionistinnen von Zahnarztpraxen, die keinen direkten Patientenkontakt haben, mit Sars-CoV-2-Antikörpern vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung, was die Hypothese stützt, dass das berufliche Risiko aus dem engen Kontakt mit Patienten resultiert.
Ethnische Zugehörigkeit als Risikofaktor
Die Studie fand auch heraus, dass die ethnische Zugehörigkeit ein signifikanter Risikofaktor für die Infektion war: 35 Prozent der schwarzen Teilnehmer und 18,8 Prozent der Teilnehmer mit asiatischen Wurzeln hatten Sars-CoV-2-Antikörper, verglichen mit 14,3 Prozent der weißen Teilnehmer.
Insgesamt drei Blutproben in verschiedenen Phasen
Die nächsten Blutproben wurden den Teilnehmern drei Monate später, im September 2020, entnommen, als die Zahnarztpraxen in England wieder geöffnet hatten und sowohl die persönliche Schutzausrüstung als auch Infektionskontrollmaßnahmen verbessert und verstärkt durchgeführt wurden, und ein weiteres Mal im Januar 2021, sechs Monate nach Beginn der Studie, während der zweiten Welle der Pandemie, als die Mitarbeiter im Gesundheitswesen geimpft wurden.
Die Ergebnisse zeigten, dass von denjenigen, die eine frühere Covid-19-Infektion hatten, mehr als 70 Prozent sowohl nach drei als auch nach sechs Monaten weiterhin Sars-CoV-2-Antikörper aufwiesen und ein um 75 Prozent verringertes Risiko einer erneuten Infektion mit dem Virus hatten.
Originalarbeit
Shields A, Faustini S, Kristunas C, Kroeger A, Hirschfeld J, Sharma P, Drayson M, Richter A, Dietrich T, Iain Chapple. COVID 19: Seroprevalence and vaccine responses in UK dental care professionals. Journal of Dental Research (veröffentlicht 2.6.2021)
Schnelle Antikörperreaktion auf Impfung
Die Studie zeigte auch die immunologische Wirkung der Covid-19-Impfung: 97,7 Prozent der Personen ohne vorherige Infektion entwickelten spätestens zwölf Tage nach der ersten Impfung mit dem Impfstoff von Pfizer/Biontech eine Antikörperreaktion. Bei denjenigen mit Hinweisen auf eine frühere Infektion war die Antikörperreaktion nach einer einzigen Dosis des Pfizer-Impfstoffs schneller und stärker ausgeprägt.
Bei hohem Antikörperspiegel über sechs Monate keine Infektion
Darüber hinaus wurde keiner aus der Kohorte mit einem Sars-CoV-2-Antikörperspiegel von mehr als 147,6 IU/ml im Blut während des gesamten Sechsmonatszeitraums von der ersten bis zur letzten Blutuntersuchung positiv auf Covid-19 getestet. Dr. Adrian Shields vom Institut für Immunologie und Immuntherapie der Universität Birmingham, Erstautor der Studie, erklärte zu den Ergebnissen: „Zu verstehen, was ein Antikörpertestergebnis für eine Person in Bezug auf ihr Infektionsrisiko bedeutet, ist für die Kontrolle der Pandemie von entscheidender Bedeutung. Unsere Studie hat die ersten Schritte unternommen, um den Antikörperspiegel im Blut einer Person zu definieren, der notwendig ist, um sie sechs Monate lang vor einer Infektion zu schützen. Indem wir die Antikörperspiegel, die wir bei Zahnärzten gefunden haben, mit denen in weithin verfügbarem Referenzmaterial der Weltgesundheitsorganisation vergleichen, hoffen wir außerdem, dass der von uns gefundene Schutzspiegel von anderen Laboren leicht bestätigt und verglichen werden kann.“
Natürliche Infektion könnte nicht für dauerhafte Herdenimmunität reichen
Der korrespondierende Autor Prof. Thomas Dietrich von der University of Birmingham's School of Dentistry fügt hinzu: „Kritisch anzumerken ist, dass nur 5,3 Prozent der Kohorte eine Antikörperreaktion entwickelten, die diesen Schwellenwert von 147,6 IU/ml nach der ersten Welle der Pandemie in Großbritannien überstieg. Dies deutet darauf hin, dass eine natürliche Infektion allein wahrscheinlich keine aussagekräftige, dauerhafte Herdenimmunität erzeugen kann.“
Risiko durch höhere Aerosolexposition
Prof. Iain Chapple, Professor für Parodontologie an der Universität Birmingham und Berater für restaurative Zahnmedizin am Birmingham Community Healthcare Trust, ist ebenfalls Mitautor dieser Studie zu Sars-CoV-2/Covid-19. Man gehe davon aus, dass Zahnärzte einem hohen Risiko der Exposition gegenüber Sars-CoV-2 ausgesetzt seien, da sie routinemäßig im Aerodigestivtrakt der Patienten arbeiteten und regelmäßig aerosolerzeugende Verfahren durchführten, die zur Produktion von luftgetragenen Partikeln führen, so Chapple.
Schutzmaßnahmen scheinen erhöhtes Risiko zu beseitigen
„Durch unsere Forschung haben wir eindeutig gezeigt, dass Zahnärzte vor der neuen Public-Health England (PHE)-Richtlinie zu Persönlichen Schutzausrüstung einem erhöhten beruflichen Risiko der Exposition gegenüber Sars-CoV-2 ausgesetzt waren. Die arbeitsmedizinischen Maßnahmen, die als Folge von Covid-19 in der allgemeinen zahnärztlichen Praxis eingeführt wurden, scheinen dieses erhöhte Risiko zu beseitigen. Allerdings muss dies gründlich untersucht werden, um zu sehen, ob sie die Übertragung von Sars-CoV-2 und anderen Atemwegsviren erfolgreich unterbrochen haben.“
Berufliches Expositionsrisiko erstmalig in großer Kohorte untersucht
Mitautor Prof. Alex Richter, ebenfalls von der University of Birmingham, berichtete, dass diese Studie das erste Mal sei, dass das berufliche Risiko der Exposition gegenüber einem potenziell tödlichen Atemwegsvirus in einer großen zahnärztlichen Kohorte untersucht wurde. „Es ist wichtig, dass wir jetzt unsere Forschung vorantreiben, um sicherzustellen, dass wir verstehen, wie Menschen nach einer natürlichen Infektion und einer Impfung vor einer erneuten Infektion mit Covid-19 geschützt sind.“
Entscheidend, um das Fortschreiten der Pandemie zu verstehen
Die Art und Dauer der Immunität in diesen Kohorten werde „von entscheidender Bedeutung sein, um das Fortschreiten der Covid-19-Pandemie zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf die Wirksamkeit von Impfstrategien – Einzeldosen, Mehrfachdosen, Impfstoffkombinationen – und in Bezug auf neuartige, bedenkliche Virusvarianten“, so Richter.