Wer gründet oder übernimmt wann und was – und was muss dafür bezahlt werden? Einen Einblick dazu gibt die jährliche Existenzgründeranalyse der ApoBank. Die Zahlen für 2022, für die rund 480 Existenzgründungen ausgewertet wurden, liegen jetzt vor. Ein Trend: Das durchschnittliche Gründungsalter steigt und hat sich bei Männern mit 36,4 Jahren und Frauen mit 36,9 Jahren deutlich angenähert.
Angenähert haben sich auch die Investitionshöhen, die von Zahnärztinnen und Zahnärzten für ihre Existenzgründung statistisch im Mittel eingesetzt werden. Investierten Zahnärztinnen in den vergangenen Jahren eher zurückhaltender als ihre männlichen Kollegen, ist der bislang existierende Gap bei den Praxisinvestitionen im vergangenen Jahr deutlich kleiner geworden. „Männer gaben mit im Schnitt 455.000 Euro nur noch rund 4 Prozent mehr für die Niederlassung aus als Frauen (439.000 Euro). 2021 lag der Abstand noch bei knapp 17 Prozent“, so die ApoBank.
Methode: Der Analyse 2022 liegt eine Stichprobe von rund 480 durch die apoBank begleiteten und auswertbaren zahnärztlichen Existenzgründungen zugrunde. Die Daten wurden anonymisiert von der ApoBank ausgewertet. Auf Nachfrage erklärte die Bank, dass sie aktuell jede zweite heilberufliche Existenzgründung begleite. Bei den Zahnärzten seien dies in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 600 gewesen.
Insgesamt ist die Existenzgründung mit Übernahme einer Praxis laut Analyse der Bank 2022 teurer geworden. Seien die Übernahmepreise für zahnärztliche Praxen in den Vorjahren nur moderat gestiegen, habe es 2022 einen deutlichen Sprung nach oben gegeben. Bei den von der Bank ausgewerteten Existenzgründungen seien für die Niederlassung in einer Einzelpraxis als reiner Übernahmepreis durchschnittlich 236.000 Euro gezahlt worden, 17 Prozent mehr als im Vorjahr.
„Weitere Investitionen und Betriebsmittel eingerechnet belief sich die Gesamtsumme auf 446.000 Euro (16 Prozent mehr gegenüber 2021). Insgesamt ist die Spanne der Praxisinvestitionen bei den Gründungen von Einzelpraxen durch Übernahme sehr hoch. Dabei fällt auf, dass hier der Anteil der Praxen im oberen Kaufpreissegment in den letzten Jahren zugenommen hat. Mittlerweile investiert jeder dritte Übernehmer inklusive des Kaufpreises mehr als eine halbe Million Euro“, so die Bank. Ein Treiber sei auch die gestiegene Inflation und damit höhere Kosten.
Neugründungen von Einzelpraxen deutlich teurer
Besonders kostenintensiv könne es werden, wenn eine Einzelpraxis von Null aufgebaut werden soll. „Das passiert allerdings eher selten, denn nur 6 Prozent der Gründenden wählten 2022 diesen Weg in die Selbständigkeit“, heißt es zur Analyse der rund 480 Gründungen. Die durchschnittlichen Investitionen seien hier noch mal deutlich gestiegen: 2022 investierten Zahnärztinnen und -ärzte, die eine Einzelpraxis komplett neu gegründet haben, im Schnitt 755.000 Euro.
Spezialisierte und durchdigitalisierte Praxen
„Durch die vollständige Neuplanung gestaltet die nachrückende Gründergeneration ihre neue Praxis ganz nach ihren eigenen Wünschen und Visionen“, sagt Daniel Zehnich, Leiter des Bereichs Gesundheitsmarkt & Beteiligungen. „Hier zeigt sich ein immer stärkerer Fokus auf spezialisierte und durchdigitalisierte Praxen mit innovativer Ausstattung sowie großzügigen Praxisräumlichkeiten – auch zur optionalen Anstellung zukünftiger Zahnärzte und Zahnärztinnen. Zusätzlich spiegelt sich in den gestiegenen Praxisinvestitionen auch die seit 2021 deutlich gestiegene Inflation wider.“
Einstieg in eine BAG am günstigsten
Den mit Abstand kleinsten Investitionsaufwand haben zahnärztliche Existenzgründer, wenn sie als Gesellschafter in eine vorhandene Praxis einsteigen. „Auch wenn der Kaufpreis 2022 mit im Schnitt 276.000 Euro sogar höher ausfiel als bei der Einzelpraxis, führen die geringeren zusätzlichen Investitionen und Betriebsmittel lediglich zu einer Gesamtsumme von 351.000 Euro. Für diese vergleichsweise günstige Option entschieden sich 14 Prozent der Zahnärztinnen und Zahnärzte“, heißt es in der Analyse.
Einzelpraxis bleibt weiter Standard, Kooperationen werden beliebter
Insgesamt bleibe die Einzelpraxis für die zahnärztlichen Existenzgründer seit Jahren der präferierte Einstieg in die Selbstständigkeit: 2022 wählten 68 Prozent diese Niederlassungsform (2021 waren es 61 Prozent), 62 Prozent übernahmen dafür eine Einzelpraxis. Aber auch gemeinschaftliche Strukturen erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Während 2018 nur jeder vierte Existenzgründer eine Kooperation wählte, war es 2022 bereits jeder dritte.
„Bei dem Start in die Selbstständigkeit sehen wir häufig auch alters- und geschlechtsspezifische Präferenzen“, sagt Zehnich. „So werden Kooperationen tendenziell eher von Männern sowie von jüngeren Existenzgründerinnen und Existenzgründern bevorzugt.“ 37 Prozent der Zahnärzte wählten eine Kooperation, aber nur 28 Prozent der Zahnärztinnen. Bei den 480 ausgewerteten Existenzgründungen waren 36 Prozent der Gründenden in Kooperationen unter 35 Jahren alt.
Unterschiede zwischen Frauen und Männern werden kleiner
Eine Auswertung nach Geschlecht zeigt, dass sich die bisher teils deutlichen Unterschiede im Gründerverhalten zwischen Zahnärztinnen und Zahnärzten verringern. Auch das Alter bei der Niederlassung weicht nicht mehr so stark voneinander ab: Während sich Frauen bislang im Durchschnitt zwei Jahre später niederließen als ihre männlichen Kollegen, war es 2022 mit 36,9 Jahren bei Frauen und 36,4 Jahren bei Männern fast identisch.
Gründerinnen in der Mehrheit, aber unterproportional zum Anteil
„Ein Unterschied bleibt aber nach wie vor“, resümiert Zehnich. „Zahnärzte entscheiden sich immer noch häufiger für eine Niederlassung als ihre Kolleginnen. Denn obwohl der Anteil der Zahnärztinnen unter den Existenzgründenden bei 53 Prozent liegt und tendenziell auch steigt, ist er im Vergleich mit dem hohen Frauenanteil unter der angestellten Zahnärzteschaft (64 Prozent) letztlich deutlich unterproportional.“
Keine regionale Betrachtung
Die diesjährige Auswertung der Bank veröffentlicht anders als die letzte Analyse keine Angaben zu regionalen Unterschieden bei den Praxisgründungen. So waren 2021 Existenzgründungen in den östlichen Bundesländern günstiger und die Zahnärztinnen klar in der Mehrheit. Auch zur Lage der Praxen – Groß- oder Mittelstädte, Kleinstädte oder ländlicher Raum – gibt es anders als für 2021 keine Aussagen.
Statistiken bieten wegen Gründungsvielfalt weniger Orientierung
Experten sehen eine immer breitere Auffächerung bei den Existenzgründungen, was die Investitionskosten angeht. Die Statistiken böten damit weniger echte Orientierung. So könne eine günstige Einzelpraxis für 100.000 Euro Übernahmezahlung dann Investitionskosten von 350.000 Euro nach sich ziehen, während eine „teure“ Übernahme mit 450.000 Euro weniger Investitionen erfordere, weil die Praxis bereits modern eingerichtet sei.
Existenzgründer übernehmen heute häufiger kleine Einzelpraxen und ziehen dann auf größere Flächen um, was ebenfalls andere Investitionskosten verlange, so eine weitere Beobachtung. Die Spanne habe bei der Existenzgründung mit Übernahme einer Einzelpraxis in diesem Jahr zwischen 100.000 Euro und 900.000 Euro gelegen, so ein freier Berater mit Blick auf die von ihm betreuten Praxen.
Hoher Frauenanteil in den unteren Altersgruppen versus höheres Gründungsalter
Auch die Spannbreite beim Alter sei groß, wenn auch die Tendenz zum Gründen im höheren Alter geblieben sei. „Wir haben immer wieder Praxisübernahmen durch Zahnärztinnen und Zahnärzte auch jenseits der 50“, so ein Experte. Da das Alter der Existenzgründer weiter steige, komme der deutlich höhere Anteil von Zahnärztinnen in den unteren Altersgruppen der Zahnärzteschaft noch nicht so zum Tragen.
Nicht nur die monetären Aspekte betrachten
Insofern seien die Zahlen der Analyse für potenzielle Existenzgründerinnen und -gründer nur ein grober Anhalt, und niemand solle sich von hohen Summen abschrecken lassen, so die Einschätzung. Auch wenn der Einstieg in eine Berufsausübungsgemeinschaft oder die Gründung in Kooperation rein monetär günstiger sei, müsse man die damit möglicherweise verbundenen (finanziellen) Risiken durch schon laufende Kredite, Verbindlichkeiten, Personalkosten und Haftungsrisiken ebenfalls im Blick haben.
„Noch nie gab es so viele, so tolle Möglichkeiten“
Existenzgründung sei heute sehr individuell. Es gebe abhängig von der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Zielen und Präferenzen sehr viele Möglichkeiten, sich erfolgreich als Zahnärztin oder Zahnarzt selbstständig zu machen. „Das ist auch gleichzeitig das Schöne und Faszinierende am Beruf des Zahnarztes. Noch nie gab es so viele, so tolle Möglichkeiten und Freiheiten, sich als Zahnarzt so zu verwirklichen, wie man es möchte“, fasst es Thomas Kirches, Inhaber der DentBeratung Thomas Kirches, zusammen.
Mit Material der ApoBank.