Lange Diskussionen mit den Patienten und nicht selten technische Pannen: Der Start des elektronischen Rezepts in der ersten Januarwoche verlief in den Arztpraxen des Landes holprig: Nur rund ein Viertel der Praxen ist von technischen Problemen verschont geblieben. Die Mehrheit kämpfte fluchend mit Computern und Datenverbindungen - und musste häufig externe Dienstleister um Rat fragen. Das ist das Ergebnis der aktuellen Blitzumfrage des Ärztenachrichtendienstes (Änd) zu dem Thema, an der sich am 3. und 4. Januar 2024 innerhalb von 24 Stunden mehr 900 Ärztinnen und Ärzte beteiligt haben.
Probleme meldete auch die Gematik in den ersten Tagen, vor allem mit der eigenen E-Rezept-App. Behoben werden konnten die Störungen beim Dienstleister IBM nur teilweise, Nutzer der App, die bei der AOK versichert sind, hatten noch am 4. Januar 2024 mit Problemen zu rechnen. Ihnen wurde empfohlen, bei weiteren Problemen die E-Rezept-App und ihre AOK-App zu löschen und neu zu installieren. Probleme am 2. Januar 2024 beim Anbieter Bitmarck für Versicherte von BKK, IKK und DAK seien dagegen gelöst worden. Das Einlösen von Rezepten mit der eGK oder dem QR-Code funktioniere aber, hieß es auf dem Fachportal der Gematik.
Probleme bei IBM und Bitmarck und der E-Rezept-App
Die Abrufzahlen für die E-Rezept-App sind aber noch übersichtlich. „Dass nun für die Versicherten mehrerer Krankenkassen keine Einlösung über die App möglich ist, dürfte angesichts von Nutzungszahlen im unteren einstelligen Prozentbereich keine größeren Auswirkungen auf das Gesamtaufkommen an E-Rezepten haben“, schreibt dazu das Deutsche Ärzteblatt am 3. Januar 2024.
Wie das Deutsche Ärzteblatt am 4. Januar 2024 weiter berichtet, lag das Problem wohl an einer neuen Gesundheits-ID, die künftig eingesetzt werden soll, und betraf laut Schätzungen wohl eine gut vierstellige Zahl Nutzer der E-Rezept-App. Genaue Zahlen gebe es nicht. Im TI-Dashboard der Gematik waren bis 5. Januar 2024 650.801 Downloads für die App verzeichnet. Wie viele die App tatsächlich nutzen, ist nicht angegeben. Da der Anmeldeprozess eine eGK der neuesten Version (NFC-fähig) und eine PIN benötigt, die bei der Krankenkasse beantragt werden muss, oder über eine ePA-App der Krankenkasse erfolgen kann – beides noch nicht weit verbreitet –, dürfte die Zahl der aktiven Nutzer der App aktuell noch nicht sehr hoch sein.
Apotheken melden Schwierigkeiten
Und auch bei den Apotheken klemmte es vielfach, wie den Meldungen und Kommentaren zum Beispiel auf dem Nachrichtenportal „Apotheke adhoc“ zu entnehmen war. Zudem werden immer mehr Fragen und Probleme sichtbar – so können zum Beispiel Angehörige oder ans Haus gebundene Patienten keine telefonischen Vorab-Bestellungen mehr aufgeben, wenn sie das Rezept mit der eGK abrufen würden. Die Karte müsse zwingend gesteckt werden, um zu sehen, was verordnet wurde. Umständlich sind mögliche Wege über die E-Rezept-App
Nur 26 Prozent der Umfrageteilnehmer bei der Änd-Umfrage, die auf das E-Rezept umgestellt haben, betonten dabei, dass es keine Probleme gegeben habe. 42 Prozent sprechen von kleineren technischen Schwierigkeiten, 32 Prozent hatten gar mit großen Problemen zu kämpfen.
Von TI bis PVS und Benutzerfehlern – Ursachen sind vielfältig
Die Ursachen für die Probleme scheinen mannigfaltig. Oft wurden die Probleme bei der Telematikinfrastruktur verortet (50 Prozent). Häufig gab es aber auch Probleme mit der eigenen Praxissoftware (29 Prozent). Weitere 21 Prozent der Ärztinnen und Ärzte hatten verschiedenste andere Probleme mit den eigenen Systemen (zum Beispiel Fehler bei Kartenlesegeräten, Schwierigkeiten durch Bedienfehler).
Oft Hotline-Hilfe nötig
Zeitaufwändig und eventuell auch kostspielig: 73 Prozent der Ärztinnen und Ärzte mit technischen Schwierigkeiten mussten sich an IT-Unternehmen oder Hotlines von Praxissoftware-Hersteller wenden, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Patientinnen und Patienten oft uninformiert
„Es fehlt an einer Aufklärung der Bevölkerung durch die Kassen und das BMG im Vorwege", bemängelt ein Arzt in den Kommentaren, die per Freitext in der Umfrage eingegeben werden konnten. Und in der Tat zeige die Umfrage, dass der Erklärungsbedarf in den Praxen in dieser Woche groß war: Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent gab an, dass extrem viele Patientinnen und Patienten in ihrer Praxis nicht über die Umstellung informiert gewesen seien - und das Praxisteam viel Zeit für Erklärungen habe aufbringen müssen. 39 Prozent berichtet von einem ausgewogenen Mix aus informierten und ahnungslosen Patienten. Nur 8 Prozent der Ärztinnen und Ärzte gaben an, dass die Mehrheit über die Umstellung auf das E-Rezept informiert gewesen sei.
Mehrheit der Patienten will auch Papierausdruck
Interessant auch: Mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) gab an, dass die Mehrheit der Patientinnen und Patienten nach der Verschreibung um einen Papierausdruck gebeten habe. 15 Prozent hätten berichtet, dass sich Papierausdrucke und die alternativen Ausgabemöglichkeiten die Waage gehalten hätten. Die Mehrheit von 58 Prozent der Ärztinnen und Ärzte musste hingegen nur selten den Drucker bemühen - in der Regel sei den Patienten klar gewesen, dass das nicht nötig sei.
Probleme bei den Apotheken
„Haben Patientinnen und Patienten Probleme bei der Medikamentenausgabe in den Apotheken an Sie zurückgemeldet?", fragte der Änd die Niedergelassenen auch. Die alarmierende Antwort: Satte 44 Prozent der Befragten haben schon von technischen oder organisatorischen Problemen berichtet bekommen.
Noch keine echte Entlastung
In den ergänzenden Kommentaren bemängeln viele Niedergelassene, dass das E-Rezept in der derzeitigen Form noch keine echte Entlastung sei - und im Gegenteil einen höheren Zeitaufwand erfordere. Nicht wenige Ärztinnen und Ärzte sind aber auch optimistisch, dass sich die Lage nach der Anfangsphase verbessern wird. Der Ärztenachrichtendienst kündigte an, die Umfrage in einigen Wochen wiederholen zu wollen.
Ähnliche Erfahrungen auch in Bayern
Auch der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Dr. Wolfgang Ritter, beklagte gegenüber der Ärzte Zeitung die mangelnde Information der Bevölkerung über das E-Rezept. Das führe zu viel Erklärungsbedarf in der Praxis. Er drucke daher für fast alle Patienten auch den QR-Code aus, das gehe schneller, als lange zu erklären, warum es kein Papierrezept mehr gebe, berichtete er. Als Teil einer großen Gemeinschaftspraxis wusste er auch von Problemen mit dem eHBA und der PIN in den PVS-Systemen zu berichten. Grundsätzlich sei das E-Rezept vor allem für die Patienten ein Vorteil, wenn sich das System erstmal etabliert habe, so der Allgemeinmediziner. Allerdings gilt das derzeit nicht in Pflegeeinrichtungen. Hier müssten die Ärzte immer noch zu Papier und Muster 16 greifen.
Erste Belastungsprobe in 2. Kalenderwoche
Die nächste Belastungsprobe für das E-Rezept kommt jetzt in der 2. Kalenderwoche ab 8. Januar 2024, wenn fast alle Praxen wieder geöffnet haben und auch die meisten Urlauber zurück sind.