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Wissensupdate: Dr. Julian Schmoeckel und Prof. Dr. Christian H. Splieth, Greifswald, geben Steckbriefe zu vier verschiedenen Fluoridverbindungen

(c) shutterstock

Die deutlichen Rückgänge in der Kariesprävalenz weltweit (sog. „Caries decline“) und auch in Deutschland bei Kindern26 und Erwachsenen25 werden im Wesentlichen der Nutzung von Fluoriden zugeschrieben30. Auch wenn Karies keine „Fluoridmangelerkrankung“ ist, sondern als ein Prozess mit einem chronischen Ungleichgewicht von De- und Remineralisation der Zahnhartsubstanzen beschrieben wird14, tragen Fluoride auf verschiedene Arten und Weisen dazu bei, Karies vorzubeugen beziehungsweise das Fortschreiten von kariösen Läsionen zum Beispiel vom Initialstadium bis hin zu kavitierten kariösen Dentinläsionen zu verlangsamen oder gänzlich zu inhibieren16,28.

Die gelösten Fluoridionen entfalten primär lokal aufgrund ihrer Dissoziation ihre kariespräventive Wirkung über Anreicherung im Speichel sowie auch in der dentalen Plaque in der Umgebung des Zahnschmelzes. Dadurch kommt es zur Förderung der Remineralisation und zugleich zur Hemmung der Demineralisation der Zahnhartsubstanzen, welche umso größer ausfällt, je höher die Fluoridkonzentration ist33.

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Wesentliche kariesprotektive Eigenschaften der Fluoride sind im Allgemeinen13,17:

  • die Bildung einer Calciumfluorid (CaF2)-Deckschicht23,
  • die Fluorapatitbildung mit geringerer Säurelösligkeit3,18,19,
  • Tensidwirkung, die die Adhäsion der Bakterien an der Zahnobefläche behindert6,
  • Einfluss auf den Baterienstoffwechsel, insbesondere Hemmung der Säurebildung29,31.

Fluoride können zum einen in der Häuslichkeit sowie zum anderen professionell in der Praxis angewendet werden. Dies kann über Zahnpasten, Gele, Lacke, Mundspülungen sowie auch über Tabletten, Speisesalz, Trinkwasser erfolgen20. Die direkte lokale Wirkung am möglichst sauberen Zahn sollte in der Kariesprävention im Fokus stehen27, da hier die Wirkung stärker ist als bei der systemischen Aufnahme, zum Beispiel über die Einnahme von Tabletten oder auch über Verschlucken von Zahnpasta oder Aufnahme der Fluoride über die Schleimhäute. Die systemische Aufnahme beherbergt zugleich ein größeres Risiko für Dentalfluorosen als Zeichen einer chronischen Intoxikation24 und kann theoretisch in Extremfällen bei sehr großen Mengen, insbesondere bei sehr kleinen Kindern, zu einer akuten Fluoridintoxikation führen35. Daher sind aktuelle, von Pädiatern und Kinderzahnärzten konsentierte Empfehlungen zur Fluoridnutzung bei Kindern zu beachten2.

Auch das IQWiG konnte beispielsweise einen positiven Effekt von Fluoridlacken (FLA) belegen10. So ist seit Juli 2019 im Rahmen der Krankenkassen auch die regelmäßige Anwendung von FLA bei Kleinkindern eingeführt, sodass bei allen Kindern bis zum Alter von 72 Monaten unabhängig vom Kariesrisiko die FLA 2-mal im Halbjahr abrechenbar ist7.

Im Folgenden sollen vier spezielle Fluoridverbindungen steckbriefartig beschrieben und dabei auf ihre jeweiligen Besonderheiten eingegangen werden.

Natriumfluorid

Natriumfluoride (NaF) setzen dank der relativ guten Wasserlöslichkeit rasch Fluoridionen frei und werden daher in Zahnpasten, Gelen, Lacken sowie zur Fluoridierung von Trinkwasser, Speisesalz und auch für Fluoridtabletten (bzw. als Kombinationspräparat mit Vitamin D) genutzt. Wahrscheinlich ist NaF die in Bezug auf Karies am meisten wissenschaftlich untersuchte Fluoridverbindung, welche nachweislich auf den kariösen Prozess einwirkt20, indem es in den Zahnschmelz eingebaut wird und somit widerstandsfähiger gegen Säureangriffe macht und zudem wohl auch direkt die Bakterienlast reduziert. So gilt die Trinkwasserfluoridierung insbesondere mit NaF als wirksame kollektivprophylaktische Maßnahme32, die jedoch in Deutschland nicht genutzt wird. Dennoch gibt es vereinzelt Regionen mit fluoridhaltigem Trinkwasser (≠ fluoridiertes Trinkwasser) sowie Mineralwässer im Getränkemarkt, die Fluorid enthalten.

Zahlreiche, auch in der (aktuellen zwar abgelaufenen) deutschen S2-Leitlinie zu Fluoridierungsmaßnahmen zitierte Studien beziehen sich auf NaF in den verschiedenen Darreichungsformen4. Hervorzuheben ist, dass auch noch Stunden nach der Anwendung einer Zahnpaste mit NaF erhöhte Fluoridkonzentration im Speichel gemessen werden konnten11,36. Außerdem belegen aktuelle systematische Übersichtsarbeiten, dass NaF in Zahnpasten im Vergleich zu Placebo oder keiner Intervention wirksam sind. Es besteht, wie im Allgemeinen bekannt, jedoch auch hier eine klare Dosis- und Frequenzabhängigkeit5: Je höher die Fluoridkonzentration beziehungsweise je häufiger die lokale Applikation, desto stärker ist der präventive bzw. kariesinhibierende Effekt32.

Calciumfluorid (CaF2)

Calciumfluorid (eigentlich Calciumdifluorid) hemmt über die Freisetzung der Fluoridionen während eines Säureangriffs ebenfalls die Demineralisation vom Zahnschmelz und fördert zugleich die Remineralisation24. Hier ist für die Kariesprävention besonders die Bildung der CaF2-Deckschicht hervorzuheben23. Gelöste Fluoride in der unmittelbaren Umgebung des Zahns hemmen die Demineralisation sogar effektiver als in den Zahnschmelz eingebautes Fluorid (zum Beispiel bei Fluorapatit). So kommt CaF2 beziehungsweise eigentlich dem CaF2-ähnliche Präzipitat mit Proteinen und Hydrogenphosphat aus Plaquefluid und Speichel als Hauptlieferant für freie Fluoride eine wichtige Bedeutung zu13. Dies gilt besonders bei niedrigeren pH-Werten und der Bereitstellung von zusätzlichem Calcium, denn der Speichel ist in Bezug auf CaF2 untersättigt und die Verbindung bleibt somit nicht lange im Mund stabil12. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass CaF2 als eine Art pH-gesteuertes Fluoridreservoir dient, welches bei niedrigem pH-Wert (also saurem Milieu) Fluorid freisetzt und bei neutralem pH-Wert länger stabil auf der Schmelzoberfläche verbleibt.

Olaflur (C27H60F2N2O3)

Der Wirkstoff Olaflur gehört zu der Familie der sogenannten „Aminfluoride“ und wird seit vielen Jahrzehnten in Zahnpasten und Gelen zur Kariesprävention eingesetzt9. Chemisch gesehen ist es das Dihydrofluorid eines langkettigen tertiären Diamins, welches ein kationisches, also positiv geladenes Tensid ist22. Die bei der Anwendung freigesetzten Fluoridionen interagieren beispielsweise mit dem Hydroxylapatit des Zahnschmelzes und bilden dann Fluorapatit, welches einen niedrigeren pH-Wert benötigt, um wieder zu dissoziieren, und somit dazu beiträgt, dass der Zahnschmelz säureresistenter wird13. Zudem wird wie bei anderen Fluoridverbindungen auch der Bakterienstoffwechsel und folglich das Bakterienwachstum bzw. die Plaquebildung gehemmt6, was zugleich wegen der geringeren Keimlast auch für die Vorbeugung von Gingivitis hilfreich ist. Olaflur kann auch durch das Verschließen von Dentinkanälchen die Hypersensibilitäten bei überempfindlichen Zähnen mindern. Besonders hervorzuheben ist, dass Aminfluoride im sauren Milieu sehr zügig CaF2 bzw. CaF2-ähnliche Präzipitate bilden, da neben Proteinen auch Phosphate und andere Bestandteile aus dem Speichel bzw. Plaquefluid eingelagert werden, was die Säureresistenz noch steigert13.

Dectaflur H3C–(CH2)7CH=CH–(CH2)7CH2–NH2·HF

Dectaflur zählt wie Olaflur zu der Stoffgruppe der Aminfluoride. Chemisch betrachtet ist es ebenso das Dihydrofluorid eines langkettigen tertiären Diamins21. Aufgrund der besonderen Molekülstruktur besitzt Dectaflur für die Kariesprävention wichtige oberflächenaktive Eigenschaften: Es haftet länger an der Zahnoberfläche und bewirkt aufgrund der Affinität zu Plaque dort lokal etwas höhere Fluorid-Konzentrationen31. Zudem verteilt sich Dectaflur etwas besser in der Mundhöhle. Darüber hinaus ist hier aufgrund des niedrigeren pH-Werts die schnelle Bildung von CaF2 am Zahnschmelz zu nennen, welches wiederum die wohl „aktivste“ Verbindung für die Kariesprävention darstellt13.

Fazit/Schlussfolgerung

Verschiedene Fluoridverbindung sind bislang wissenschaftlich im Themenfeld der Kariesprävention in Labor- und klinischen Studien untersucht worden. Sie alle eint, auch wenn sich die einzelnen Fluoridverbindungen in ihren chemischen Eigenschaften wie z. B. pH-Wert, bakteriozide Wirkung, Dauer der Verfügbarkeit am Wirkort etwas unterscheiden, dass in Bezug auf den kariespräventiven Nutzen primär die Fluoridkonzentration33, die Applikationsart15 sowie die Häufigkeit34 entscheidend sind.

Daher verwundert es nicht, dass nicht eine bestimmte Fluoridverbindung eindeutig überlegen ist beziehungsweise „nur begrenzt oder niedrige bis sehr niedrige Evidenz für den Effekt von unterschiedlichen Fluoridformulierungen vorliegt“8, sondern die kariesprotektive Wirkung im Allgemeinen größer bei höherer Fluoridkonzentration, höherer Frequenz beziehungsweise Dauer des Verbleibs der Fluoride am Ort des Wirkgeschehens, also an der Zahnoberfläche ist.

Ein Beitrag von Dr. Julian Schmoeckel und Prof. Dr. Christian H. Splieth, beide Greifswald

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Team Journal 01/2025 Zahnmedizin

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