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Vorteile sind die physiologische Funktion, ein harmonisches Äußeres und die Möglichkeit der Erweiterung und die Reversibilität nach Abschluss des Kieferwachstums

Die Situation am Kontrolltermin zeigt harmonischere Verhältnisse.

Die Therapie von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten bedingt ein interdisziplinäres Behandlungskonzept, das schon im Kleinkindalter beginnt. Im jugendlichen Alter sind die Operationen weitestgehend abgeschlossen und funktionelle und ästhetische Aspekte rücken in den Vordergrund. Nach dem Abschluss einer kieferorthopädischen Behandlung persistiert dann oftmals noch eine dentale Asymmetrie. In ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 1/21 zeigt Dr. Eva Wirsching die konservierende dentale ästhetische Rehabilitation im Spaltbereich mittels direkter und indirekter Kompositrestaurationen bei Patienten im Lebensabschnitt von 16 bis 18 Jahren.

Einleitung

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (LKG-Spalten) zählen neben Herzfehlern zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen mit einer Häufigkeit von 1:500 bei Neugeborenen4. Die Einteilung der LKG-Spalten erfolgt nach den vier anatomischen Strukturen, die betroffen sein können. Somit spricht man korrekterweise von den sogenannten Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Spalten. Nach Grad der Ausprägung und Lokalisation wird in sagittaler Ausdehnung in minor/inkomplett/komplett unterschieden, in transversaler Ausdehnung in unilateral/bilateral6. Die Hälfte aller Spalten liegen linksseitig, ein Viertel rechtsseitig und ein Viertel beidseitig4. Häufig kommen Nichtanlagen der lateralen Inzisivi im Spaltbereich vor sowie deformierte spaltbenachbarte Zähne7.

Tsai et al. untersuchten das Vorkommen von Nicht- und Doppelanlagen vor allem des lateralen Inzisivus bei einseitigen LKG-Spalten8. Selten kam eine Doppelanlage vor, der einzelne Zahn lag meistens im distalen Spaltsegment, in ca. der Hälfte der Fälle fehlte der Zahn vollständig. Trotz kieferorthopädischer (KFO-)Behandlung per­sistieren die Veränderungen der spaltbenachbarten Zähne und Zahnlücken im Spaltbereich sehr häufig. Im jugendlichen Alter bei noch zu erwartendem Kieferwachstum stellt die ästhetische Versorgung im Spaltbereich eine Herausforderung dar. Eine physiologische Funktion sowie ein harmonisches Äußeres sind dabei wünschenswert. Die Versorgung kann in solchen Fällen mit direkten und indirekten Kompo­siten erfolgen. Der Vorteil liegt in der Reversibilität und möglichen Erweiterbarkeit3. Nach Abschluss des Kieferwachstums kann dann eine definitive prothetische Versorgung erfolgen. Die vorgestellte Therapieform schließt also diese therapeutische Lücke. Das Kariesrisiko ist in beiden Dentitionen deutlich erhöht11. Spaltbenachbarte Zähne haben ein deutlich erhöhtes Kariesrisiko. Mögliche Ursachen könnten die anatomischen Gegebenheiten sein: ein zerklüfteter Gaumen, Schmelzstrukturstörungen (Abb. 8) und eine ektope Lage der spaltbenachbarten Zähne. Häufig ist die Lippenbeweglichkeit durch Narbenzüge eingeschränkt und somit die Selbstreinigung erschwert. Die KFO-Behandlung erfolgt meist mit festsitzenden Apparaturen und kann sich über mehrere Jahre hinziehen2,9. Aufgrund dieser erhöhten Kariesanfälligkeit sind eine konsequente Mundhygieneinstruktion und ein engmaschiges Recall unerlässlich und besonders wichtig.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Patientenfälle

Bei der konservierenden Therapie von LKG-Spalten sollten im Vorfeld der Therapie einige Aspekte beachtet werden:

  • Zunächst stellt sich die Frage nach der Priorisierung der gewünschten Therapieziele. Ist die knöcherne und faziale Rehabilitation abgeschlossen, gewinnen in der vorgestellten Altersgruppe die Wiederherstellung von Phonetik und dentaler Ästhetik größere Bedeutung.
  • Gerade bei diesem Patientengut ist es wichtig, die Wünsche der Patienten sehr ernst zu nehmen, da sie häufig einer emotionalen Belastung ausgesetzt sind. Was stört den Patienten? Asymmetrien, Disharmonien und Dunkelräume lassen die LKG-Spalte von extraoral deutlicher auffallen.
  • Bei der Planung sollte man die Wertigkeit der spalt­benachbarten Zähne im Auge haben. So sollten auch hier möglichst nur Zähne in den Therapieplan aufgenommen werden, die langfristig zu erhalten sind.
  • Ist die Situation der roten Ästhetik stabil? Es sollte nur so therapiert werden, wenn im Erwachsenenalter weiterhin die Möglichkeit besteht, mittels Gingivoplastiken bzw. parodontalchirurgischen Eingriffen die rote Ästhetik zu verbessern.

Die Therapie ist häufig ein Kompromiss. Ein ideales Endergebnis ist aufgrund der vorhandenen Ausgangssituation nur selten erreichbar.

Linksseitige LKG-Spalte mit vorhandenem lateralen Inzisivi

Der 17-jährige Patient stellte sich nach KFO-Behandlung vor. Die knöcherne Situation im Spaltbereich zeigte sich im Vergleich zu anderen LKG-Spalten „unauffällig“ (Abb. 1). Von extra- und intraoral impo­nierten die unterschiedliche Achsneigung und Breite der mittleren Inzisivi, eine zervikale Einziehung an Zahn 21 sowie der hypoplastische laterale linke Schneidezahn, wodurch auffällig wirkende Dunkelräume entstanden. Die Therapie sah den Aufbau der Zähne 11, 21 und 22 mittels Komposits nach der von Klaiber beschriebenen Matrizen-Technik vor, wodurch ein harmonischeres Endergebnis erzielt werden sollte5. Dies erfolgte in einer Sitzung unter absoluter Trockenlegung mithilfe des Komposits Enamel HFO (Micerium, Italien). Dabei wurden die Zähne 12 inzisal (minimal), 11 inzisal (minimal), 21 mesial und distal und 22 vestibulärapproximal mittels Komposits restauriert. Das Endergebnis zeigte unauffälligere Verhältnisse (Abb. 2).

Linksseitige LKG-Spalte mit vorhandenem lateralen Inzisivi und Lücke im Spaltbereich

Die Ausgangssituation zeigte ein 18-jähriges Mädchen nach abgeschlossener KFO-Therapie. Auf dem Ausgangsfoto lächelte sie nicht (Abb. 3). Intraoral imponierten ein Knochen- und Weichteildefekt im Spaltbereich sowie die dort vorhandene Lücke (Abb. 4). Ein kariöser Einbruch an Zahn 23 mesial wurde im Rahmen der Behandlung mittherapiert. Zum damaligen Zeitpunkt war eine definitive prothetische Versorgung obsolet, da laut Kieferortho­päden noch mit einem transversalen Wachstum zu rechnen war. Eine herausnehmbare Apparatur zum Auffüllen des Spaltbereiches kam für die Patientin nicht infrage. So wurde entschieden, eine labor­gefertigte Kompositbrücke mit palatinalen Flügeln an den Zähnen 23 und 24 als langzeitprovisorische Versorgung einzugliedern. Um den vorhandenen Weichgewebedefekt zu kaschieren, wurde die Brücke zusätzlich mit rosafarbenem Komposit versehen (Abb. 5). Nach der adhäsiven Eingliederung unter Kofferdam zeigten sich unauffälligere Verhältnisse. Am Kontrolltermin war die Patientin sogar „bereit zu lächeln“ (Abb. 6 und 7).
Die sogenannten FRC FPD („Fiber-reinforced composite fixed partial dentures“) weisen in der Litera­tur gute Langzeitergebnisse auf. Ein systema­tisches Review aus dem Jahr 2017 mit 592 Brücken zeigte eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 94,5 Prozent innerhalb von zwei Monaten bis 8 Jahren1. In einer prospektiven Studie von Wolff et al. aus dem Jahr 2018 mit 26 Kompositbrücken zeigte sich ein funktionelles Überleben von 73,5 Prozent nach 4 Jahren10.

Linksseitige LKG-Spalte mit Nichtanlage des lateralen Inzisivi und KFO-Lückenöffnung

Die 17-jährige Patientin stellte sich nach Abschluss der KFO-Therapie vor. Aufgrund der Schmelz­hypo­plasie mit Formdefekt am spaltbenachbarten Zahn 21 fiel die linksseitige LKG-Spalte deutlich auf (Abb. 8). Sie wurde von der Patientin als sehr störend empfunden. Es wurde mit der Patientin besprochen, den Zahn 21 mit einem direkten Kompositveneer und die Lücke mittels glasfaserverstärkter Kompositbrücke zu versorgen. Die Weichteilsituation war im vorliegenden Fall ausreichend dimensioniert, die knöcherne Einziehung im Spaltbereich war bindegewebig durchsetzt (Abb. 9), sodass die Klebebrücke rein die weiße Ästhetik betreffend konstruiert wurde. Die Therapie beinhaltete folgende Schritte: Unter absoluter Trockenlegung wurde der Zahn 11 mesial mittels Komposits verbreitert, um symmetrischere Verhältnisse zu generieren. Danach wurde der Zahn 21 in direkter Technik mit einem Kompositveneer aufgebaut. Es erfolgte eine Abformung und nach der Herstellung im Labor die Eingliederung der Kompositbrücke (Abb. 10). Nach Abschluss des Kieferwachstums und bei entsprechend verbesserter Mundhygiene war eine festsitzende prothetische Brückenversorgung angedacht.

Linksseitige LKG-Spalte mit Nichtanlage des lateralen Inzisivi nach KFO-Lückenschluss

Der 17-jährige Patient stellte sich nach abgeschlossener KFO-Therapie vor. Durch die dentalen Un­regelmäßigkeiten und Asymmetrien fiel der Spaltbereich von extra- und intraoral auf (Abb. 11). Die KFO-Behandlung hatte die Einordnung des Zah­nes 23 in den Spaltbereich ermöglicht. Aufgrund ausreichend dimensionierten Knochens war dies re­alisierbar, in der Folge stellte sich das Weichgewebe im Spaltbereich als unauffällig dar. Zunächst wurde der Zahn 23 mit Hilfe einer Tiefziehschiene zwei Wochen lang von extern geblichen (Opalescence PF 10 Prozent, Ultradent Products, Köln). Um har­monischere Verhältnisse zu schaffen, wurde der Zahn danach mit Komposit umgeformt und die persistierenden Lücken zwischen den Zähnen 13, 12, 11 und 21 mit Komposit geschlossen. Das Endergebnis zeigte unauffälligere Verhältnisse (Abb. 12).

Doppelseitige LKG-Spalte mit Nichtanlagen nach KFO-Lücken­öffnung

Die 18-jährige Patientin stellte sich im Verlauf einer KFO-Behandlung vor. Bei ihr lag eine doppelseitige LKG-Spalte mit multiplen Nichtanlagen und de­formierten Zähnen 11 und 21 vor (Abb. 13). Bevor eine herausnehmbare KFO-Apparatur hergestellt werden sollte, war es das Ziel die Zähne 11 und 21 mit direkten Kompositveneers aufzubauen. Das Weichgewebe zeigte ausgeprägte Deformitäten und Spalten (Abb. 13 und 14). Da im Anschluss an die KFO-Behandlung eine prothetische Versorgung nicht ausgeschlossen wurde, sah der KFO-Therapieplan vor, die Zähne 11 und 21 zunächst in ihrer Breite und Länge so zu belassen. Mit der Patientin wurde besprochen, dass das Ergebnis ein Kom­promiss darstellen würde. Unter relativer Trockenlegung erfolgte in einem Termin der Aufbau der Zähne 11 und 21 mittels Enamel HFO (Abb. 15). Dabei wurde versucht, die Zähne möglichst sym­metrisch zu gestalten. Aufgrund des breiteren und kürzeren Zahnes 21 war dies nur bedingt möglich. Im Anschluss an die Behandlung erfolgten die Herstellung und Eingliederung einer herausnehmbaren KFO-Apparatur zum Ersatz der fehlenden Zähne und Kaschieren der Weichgewebedefekte (Abb. 16).

Fazit

Die vorgestellten Fälle sollen die Therapiemöglichkeiten für die Versorgung von LKG-Spaltbereichen bei jugendlichen Patienten veranschaulichen und die praktische Vorgehensweise anschaulich demonstrieren. Das Material Komposit bietet dem Zahnarzt dabei sehr gute Möglichkeiten der minimalinvasiven Versorgung, auch hinsichtlich Erweiterbarkeit und Reversibilität. Die Restauration mit Kompositbrücken stellt eine vielversprechende Behandlungsform und zusätzliche Therapieoption bei der Versorgung von spaltbedingten Lücken dar. Aufgrund der Komplexität der Ausgangsbefunde ist die Therapie häufig ein Kompromiss, stellt für die Patienten jedoch meist eine bedeutende Verbesserung ihrer Gesamtsituation dar.

Danksagung

Die Autorin bedankt sich bei Zahntechniker Karl Halbleib, N.I.C.E. Zahntechnik/Veitshöchheim, und der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Würzburg, für die Herstellung der laborgefertigten Komposit­brücken.

Ein Beitrag von Dr. Eva Wirsching, Würzburg

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 01/21 Zahnmedizin

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